Kapitel 9

4.6K 137 74
                                    

Kapitel 9

Aurelia Bergmann


Es war eng in dem großen Wagen, unsere vom Regen feuchten Klamotten ließen die Fenster beschlagen und Hamudi stellte die Lüftung an, die die Stille im Auto mit ihrem gleichmäßigen Rauschen durchbrach.

Ich musste mich klein machen in meiner Ecke der Rückbank, da Raphael und Agic unheimlich viel Platz einnahmen. Gerade Ragucci dachte kein Stück daran, weniger Platz einzunehmen. Im Gegenteil, als wäre es Absicht drückte er seinen Oberschenkel gegen den meinen, beinahe dreist hatte er den Ellenbogen so angewinkelt, dass er seinen Arm nur knapp nicht auf meinem Schoß abstützte, während er in der anderen Hand sein Smartphone hielt und durch seine DMs au Instagram scrollte, den Oberkörper leicht von mir weggedreht und trotzdem war es so, als zwänge er mir seine Berührung auf.

Mit Erschrecken stellte ich fest, dass ich ihm noch nie so nahe gewesen war. Hitze ging von ihm aus und ohne, dass ich etwas tun konnte, machte sich eine Spannung in meinem Körper breit, wie lästige Insekten kribbelte sie mein Bein entlang, meine Schulter, suchte sich ihren Weg über meinen Rücken.

Heilige Scheiße, muss ich so dringend gevögelt werden, dass dieser Arsch das in der auslöst?

Doch ich wollte ihn nicht bitte, abzurücken. Nachher fiel ihm doch ein dummer Kommentar zu meiner Figur ein, weil ich ihm eine Steilvorlage bot. Lieber hielt ich aus und versuchte, das Empfinden zu verdrängen. Vor einer Dreiviertelstunde hatte ich ihn erschießen wollen- und jetzt saß er nur da und jagte Schauer über meinen Rücken. Bombe.

Wir hatten alle nicht mehr gesprochen, schon ein paar Minuten lang nicht. Weder hatte ich eine Erklärung für den Aufstand bekommen, noch wusste ich wohin wir fuhren. Ich wollte nach Hause, mir war kalt, da ich so lange im Regeln gestanden hatte und langsam überkam mich die Müdigkeit.

„Raphael, bringt ihr mich jetzt nach Hause?", sprach ich ihn an. Er sah von seinem Smartphone auf, musterte mich einen Moment mit seiner undurchdringlichen Miene.

„Ich bringe dich nach Hause.", entschied er. „Hamudi, fahr mal rechts ran.", forderte er. Hamudi hielt tatsächlich bei der nächsten Gelegenheit. Ein Blick über die Schulter verriet mir, dass auch die Wagen hinter uns anhielten. Der Sportwagen und der alte Alpha. Die hatte ich glatt vergessen.

„Komm Ginger. Autos tauschen.", meinte Raphael locker. Agic stieg aus, hielt die Tür auf und Raphael trat hinter ihm auf die Straße. Ich rutschte über die Rückbank, galant hielt Agic mit seine riesige Hand hin, die ich eher unbewusst ergriff, als ich aus dem Wagen stieg. Raphael war schon weg, er stand schon an dem Sportwagen, aus dem ein weiterer Mann ausstieg. Keine Ahnung, was das für ein Wagen sein sollte. Ein Dreizack auf dem Kühler – teuer wahrscheinlich, keine Standartmarke, die man an jeder Ecke bekam.

„Was ist das für ein Zirkus?", meinte ich nur kopfschüttelnd und sah, dass Agic hinter seinem Vollbart grinste.

„Steig bei Raf ein, der bringt dich nach Hause. Vielleicht sieht man sich.", meinte er locker, ehe er zurück auf die Rückbank stieg, der Typ aus dem Sportwagen ging mit einem „Bis dann, Ginger.", an mir vorbei und setze sich ebenfalls in den SUV.

„Ginger! Beweg deinen Arsch oder willst du bis morgen da stehen?", rief Ragucci herüber. „Steig ein jetzt." King Louis war also wieder da, er klang wieder so bestimmt. Als könnte er mit dem Tonfall alles erreichen. Für einen Moment überlegte ich, aus Prinzip umzudrehen und zur nächsten Bahnstation zu laufen. Nur, damit ich nicht machte, was er sagte. Er stieg in den Wagen, schlug die Tür hinter sich zu. Er warf den Motor an, die Scheinwerfer leuchteten auf und ich stand direkt im Licht. Der Regen prasselte inzwischen in Fäden auf Berlin hinab, im Licht konnte ich ihn ausmachen.

In between  /RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt