Kapitel 18

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Kapitel 18

Aurelia Bergmann

Es war eiskalt, als wir keine zwanzig Minuten später nebeneinander durch die Straßen streiften. Ich hatte die gleichen Klamotten an, wie in der vergangenen Nacht, hatte noch nicht geduscht und fühlte mich entsprechend. Aber wie sollte ich das auch ändern? Ich hatte versucht, mir noch einen Pulli von Raphael unter meinen Trenchcoat zu ziehen. Hatte furchtbar ausgesehen also fror ich lieber. Welche Frau kannte das Problem nicht?

Raphael trug Jogginghose, Nikes, ein Cap und eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Der Kopf gesenkt, obwohl in dem morgendlichen Zwielicht sowieso niemand erkannt hatte. Er blieb dicht neben mir, ich wiederstand dem Drang, mich gegen die Kälte ein wenig an ihn zu schmiegen.

„Zwei Straßen weiter ist ein ganz guter Bäcker.", hörte ich ihn sagen. „Lass uns etwas essen gehen und dann holen wir den Maserati." Ich nickte nur knapp. Sein Wagen stand noch vor dem Pearl, ich war mir nicht sicher, ob er tatsächlich schon wieder fahren durfte. Er behauptete ja.

Wir hatten beide genauso wenig Ahnung darüber, wohin wir gehen sollten wie darüber, was uns dazu trieb, den Rest der Gruppe, einschließlich Rahel, in seiner Wohnung zurückzulassen und einfach zu gehen. Warum es gerade uns Beide trieb. Bei ihm war es vielleicht eine Art Ruhelosigkeit, eine Flucht vor dem nicht Schlafen können. Bei mir war es vielleicht, weil ich bei ihm sei wollte. Irgendwie fühlte ich mich ihm näher, seit unserem Gespräch in der Küche. Wahrscheinlich das erste Mal, das wir tatsächlich ehrlich zueinander gewesen waren.

„Du frierst.", stellte er tonlos fest, ehe er mich an sich zog uns seine Köperwärme mich für die nächsten Minuten einhüllte. Ein paar Minuten, bis wir in der Bäckerei ankamen. Ein kleiner, fast uriger Laden, an den ein Café grenzte und der morgens um halb sechs bereits alles Mögliche zu bieten hatte. Mein Magen knurrte. Die Nacht war lang gewesen und wir hatten Beide seit dem Restaurantbesuch am Abend nicht mehr gegessen. Es war gemütlich warm im Laden, wir bestellten uns Kaffee und Brötchen. Ich zahlte, denn Raphael schleppte zwar Kreditkarten und ein Bündel großer Scheine in seiner Bauchtasche mit sich herum- aber kein Kleingeld. Was erwartete ich auch? Und mit einem grünen Schein zahlte man nicht morgens um halb sechs seine Brötchen, es sei denn, man wollte die Damen hinterm Tresen zur Verzweiflung treiben. Wir setzten uns an einen Tisch in der Ecke, ignorierten, dass wir ein wenig schräg angesehen wurden. Wahrscheinlich gaben wir auch ein komisches Bild zusammen ab. Ich in Overknees und Lederrock, ungeschminkt. Er mit Jogginghose und einer Bauchtasche voller Scheine. Haha. Ein wenig musste ich darüber grinsen.

„Was die wohl über uns denkt.", murmelte er mir zu und lachte leise auf. Die Bäckereifachverkäueferin war mit Sicherheit schon über fünfzig und hatte keine Ahnung, wer Raphael war. Warum sollte sie auch.

„Ich will es gar nicht wissen.", gab ich grinsend zurück und nahm einen Schluck meines heißen Kaffees. Der war wirklich gut.

„Danke übrigens fürs Frühstück.", meinte er dann und sah mich ernst an.

„Bitte.", antwortete ich und machte mich über mein Brötchen her. Inzwischen hatte ich wirklich Hunger und ich konnte darauf pfeifen, dass Raphael mich schon wieder essen sah.

Ich fragte mich, ob er noch oft eingeladen wurde. Am Abend zuvor war die Rechnung auf seine Kappe gegangen- und auf die von John. Wahrscheinlich war es Standard, dass er es war, der die schwarze American Express zückte. Aber mit ihm darüber reden wollte ich dann doch nicht. Ich gab gern und es war mir dabei egal, ob ich dem Punk an der Ecke einen Fünfer gab oder einem Mulitmillionär wie Raphael Ragucci sein Frühstück zahlte, obwohl ich selbst mal wieder knapp bei Kasse war. Auch Raphael begann zu essen, dabei nahm er seine Kapuze nicht ab. Er hatte keine Lust, von irgendjemandem erkannt zu werden- nicht in seinem Zustand. Konnte ich durchaus nachvollziehen, nach der durchzechten Nacht sah er wirklich fertig aus. Aber ich wahrscheinlich nicht besser als er.

In between  /RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt