K06 | Der Auftritt

84 9 0
                                    

- Vincent -

Ich verabschiedete mich von der Kleinen und irgendwie war ich erleichtert, dass es sich bei dem Typen, der mich mit seinen Blicken töten wollte, nur um ihren Cousin handelte.
Na wer sagt's denn ... sie ist also nicht vergeben... Dachte ich, während ich zu den anderen schlenderte.
»Sag mal, wo warst du denn? Wir wollen vor zur Bühne. Bobby ist bereits da. Er tritt später auf.«
Emma konnte einem den letzten Nerv rauben. Bobby war ein Freund unserer Mutter. Sie und er traten ab und zu gemeinsam auf, als Bobby noch nicht so bekannt war. Die beiden hielten lange Kontakt miteinander, bis sie krank wurde und verstarb. Seit dem besuchte er uns ab und zu oder gab bescheid, wenn er mal in der Stadt war.
»Weshalb hast du so dreckige Füße?«, wollte Emma wissen, bewirkte, dass ich an mir herunter sah.
»Ich war beim Wasserloch. Mich erfrischen.«
»Und geflirtet hat dein Bruder. Mit einer Barbusigen«, feixte Matt und klopfte sich auf den Schenkel.
Emma musterte mich interessiert. »Marry sagte mir, ihr hattet gestern Nacht Sex und eine junge Frau kam ins Zelt gestürmt. Sie meinte du kanntest sie.«
Ich sah sie grinsend an und spülte mir meine Füße mit einem kleinen Eimer Wasser ab, das als Putzwasser für das Geschirr vorgesehen war.
»Sie war betrunken und hatte sich nur im Zelt vertan. Das war alles«, sagte ich und lächelte vor mich hin.
»Ja, deshalb bist du auch mit ihr erst heute morgen um sechs, aus deinem Zelt gekommen und hast sie rauf, zu ihrem, begleitet«, mischte sich Marry nun in das Gespräch ein. Sie sah sehr verärgert aus. Was hatte sie bloß?
»Sie brauchte eben Hilfe, na und?« Ich lächelte stumm in mich hinein. Was sie dachten, war mir egal. Es war nichts weiter geschehen zwischen uns, auch wenn ich es gerne gewollt hätte.
»Kümmert euch um eure Angelegenheiten«, sagte ich mit einem breiten Grinsen und trocknete mir meine Füße ab.
»Beeilung! Hört ihr das? Oh mein Gott! Brian Thomson spielt!« Emma war nicht mehr zu halten und stürmte mitten ins Gedränge.
»Deine Schwester ist klasse, Vini«, sagte Matt und sah ihr hinterher.
»Matty, lass die Finger von ihr. Sie wird dir dein kleines Herz aus der Brust reißen und drauf herum trampeln. Sie ist nichts für dich, glaub' mir.«
Ich wusste wovon ich sprach. Emma war schon immer wild und konnte sich nicht bei Jungs festlegen. Das Leben, das sie im Moment führte, mit ihren Studenten Freunden, war für sie genau das richtige. Von Stadt zu Stadt ziehen, für den Weltfrieden demonstrieren und für die Unabhängigkeit der Frau auf die Barrikaden gehen, das lag ihr.
»Du verteufelst sie ja gerade zu, würde es dir nicht passen, wenn ich was mit ihr hätte?«, fragte er und da wusste ich, dass er gestern Nacht, nicht nur mit ihr Friedenslieder geträllert hatte.
»Was ist los? Hat sie dich gefickt?«, fragte ich ihn ungeniert und er sah mich etwas irritiert an.
»Und wenn?«
Ich lachte ihn aus. »Und wenn? Dann warst du sicher der eintausend und einste Mann, mit dem sie gevögelt hat.«
Emma war nicht zu zähmen, der Mann musste noch geboren werden, der sie zum Umdenken bringen könnte und in die von ihr verhasste, Monogamie treiben würde.
»Du stellst sie hin wie eine~«, er überlegte kurz, »... wie eine Prostituierte!«
Mein Lachen wurde noch lauter. »Matty, die nehmen wenigstens noch Geld dafür«, sagte ich und sah nun in die Menge. Mit einem Mal sah ich sie. Rory ... sie tanzte ausgelassen zu dem Song und schwenkte ihre Hände zum Takt.
»Vincent!«  Jemand rief nach mir. Es war Bobby. Lachend ging ich ihm entgegen und ließ Matt einfach stehen.
»Bin gleich zurück«, sagte ich nur und ging auf Bobby zu.
»Junge! Wie geht's? Emma war vorhin schon bei mir. Ich bin auf den Weg zur Bühne. Heute stelle ich meinen neuen Song vor. Lust mit rauf zu kommen?«
Mir verschlug es, bei diesem Angebot, glatt die Sprache.
»Ich weiß nicht, ich habe meine Gitarre nicht mit und~«, stammelte ich, als er mir auch schon seine eigene in die Hand drückte.
»Na komm, ein Song ... wie in alten Zeiten, als meine schöne Sue noch lebte.«
Mum und er waren gute Freunde, seit ihrer Jugend gewesen.
»In Ordnung, ein Song«,  erwiderte ich und folgte ihm rauf, auf die Bühne.
»Bringt mir meine zweite Gitarre, mein kleiner Freund hier, wird mich begleiten«, sagte er zu einem seiner Leute.
»Hey, Vincent«, begrüßte mich Carly, sie war für Bobbys Garderobe zuständig und ich grüßte sie zurück.
»Hey Carly.«
»Wie geht's deinem Vater?«, fragte sie und schmunzelte.
»Dem geht's gut, Danke.«
»Wir haben uns zuletzt in Utha gesehen, dort war er auf einem von Bobbys Auftritten«, sagte sie und half Bobby in seine braune Lederjacke, mit den Fransen Ärmeln.
»Bereit?«, fragte er und sah mich lachend an.
»Bereit wenn du es bist«, sagte ich selbstbewusst, obwohl ich beinahe vor Lampenfieber vorne übergekippt wäre.
Er lachte und trat raus auf die Bühne. Die bunten Lichter schwebten über uns hinweg und über die tosende Menge. Tausende Menschen schrieen durcheinander und jubelten seinen Namen, als auch schon sein erster Akkord erklang.
»Hallo meine Freunde ...«, begrüßte er die Menge und zog mich an seine Seite. »Ich habe heute meinen Freund Vince mitgebracht, begrüßt ihn!«
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, denn die Scheinwerfer waren heißer, als die Hölle.
»Wen willst du grüßen da draußen, Vincent?«, fragte er und hielt mir das Mikro an den Mund.
Mein Blick schweifte durch die Reihen und mir fiel sofort ein, wen ich grüßen wollte.
»Hey, Rory! Der Song hier ...  ist für dich!«, sagte ich und trat zurück in Bobbys Schatten. Er spielte derweilen die Akkorde weiter und fing nun an zu singen.
"Love you, every time I see your smile ..."
Ich spielte im Hintergrund leise Akkorde und schaute weiter durch die Reihen. Sang mit, wenn Bobby mir das Mikro vor den Mund hielt. Ich fühlte mich wohl dabei.
Diesen Song sang Mum mir oft vor, als sie noch lebte. Er erinnerte mich an sie und ihre liebliche Art mit uns Kindern umzugehen.
Nach dem Song verließ ich die Bühne und ging nach unten, wo Emma schon auf mich wartete. Sie sah mir an, wie es mir nach diesem Song gerade ging, sie lächelte, öffnete weit ihre Arme und schlang sie um mich.
»Sie fehlt mir auch wahnsinnig, Vini«, flüsterte sie mir ins Ohr. Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie war Mutter sehr ähnlich, nicht nur äußerlich.
Plötzlich hörte ich hinter mir eine Stimme und beide drehten wir uns um. Ein Lächeln machte sich in meinem Gesicht breit, als ich sie sah.
»Du sagtest mir gar nicht, dass du Bobby Dalton kennst, hm?« Sie stemmte ihre rechte Hand in ihre Hüfte und lachte mich frech an, Rory.

Fool Again | Vincent & RoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt