- Rory -
Aufgeregte Stimmen unten im Haus rissen mich aus dem Schlaf und ich blinzelte müde auf den kleinen Wecker auf meinem Nachtschrank. Es war fast Mittag. Schnelle Schritte kamen die Treppe hinauf und nur Sekunden später klopfte es an meiner Tür, gefolgt davon dass sie aufgerissen wurde. Emma stand in meinem Zimmer und ließ sich nun vor meinem Bett auf die Knie sinken. "Es tut mir so leid... ich konnte ihm nicht einmal etwas erklären... ich dachte..." Ich saß sofort kerzengerade im Bett, blinzelte sie an. "Wovon redest du!? Was erklären? Was dachtest du?" Sie drückte die erste Träne über ihre Wange und klammerte sich in meine Bettdecke. "Er rief vorhin an und wollte wissen, wer der Kerl von gestern war. Ich dachte du hattest mit ihm gesprochen. Mir ist dann der Kuss herausgerutscht und er hat einfach aufgelegt."
Mir schnürte sich die Luft ab. Mein Blick wurde verschwommen. Er hatte angerufen und wollte mich sprechen? Wer hatte ihm etwas erzählt?" Panisch sprang ich aus dem Bett, riss mir meine Schlafsachen vom Körper und verzichtete auf eine Dusche, bevor ich in meine Sachen stieg. Ich wollte keine Zeit verlieren. "Emma seine Adresse!", schrie ich sie fast an, während ich meine Haare zu einem Zopf band und meinen Rucksack vom Sessel aufs Bett warf um Sachen hineinzustopfen. Emma lief zum Schreibtisch, schrieb die Adresse auf einen Zettel, den sie mir in die Hand drückte.
"Was hast du denn vor? Rory... was willst du tun? Willst du ihn nicht vielleicht erst einmal anrufen?" Kurz hielt ich inne, schaute in ihr besorgtes Gesicht und schüttelte dann den Kopf. "Nein... ich habe ihn zu lange nicht gesehen. Ich muss ihn sehen und muss ihm das persönlich erklären, dass da nichts war. Ich drehe sonst noch durch." Nickend ließ sie ihren Kopf hängen, zeigte mir ihre Reue, doch das half mir jetzt auch nicht weiter. Eilig rannte ich mit geschultertem Rucksack die Treppe herunter, achtete nicht auf die Rufe von Mom und wartete nur auf Emma, die mich zum Flughafen bringen musste. Ich hatte ja nicht einmal eine Ahnung, wann der nächste Flug ging. Ich wusste nicht einmal wieviel er kostete und wie lang ich nach New York überhaupt flog. Das alles lähmte mich, ließ mein Herz sich schmerzlich zusammenziehen, sodass ich eigentlich nur noch heulen könnte.
Erst am nächsten Morgen um fünf kam ich in New York an. Der Flug dauerte über sieben Stunden und ich war mehr als durch den Wind, als ich am Flughafen in ein Taxi stieg und dem Fahrer die Adresse auf meinem Zettel zeigte. Fast den kompletten Flug hielt ich ihn in meiner Hand, konnte sie bereits auswendig und wusste wie viele Buchstaben und Zahlen sie besaß. Ich konnte von Glück sprechen, dass Grandma mir ein dickes Sparbuch schenkte, was eigentlich für meine Zeit auf dem College bestimmt sein sollte, doch jetzt brauchte ich das Geld dringender.
Das Taxi hielt vor einem Hotel und der Fahrer entließ mich auf den Bürgersteig, nachdem ich ihn bezahlte. Ich zitterte, schluckte schwer und traute mich kaum ins Innere des Hauses. "Jetzt reiß dich zusammen, Rory", sagte ich zu mir selbst, bevor ich meine Schultern spannte und durch die Tür zur Rezeption lief. "In welchem Zimmer finde ich Vincent Hayse? Ich bin seine Schwester Emma", erzählte ich der älteren Dame, die nun in ihrem großen Belegungsplan nachsah und dann wieder zu mir aufschaute.
"Zimmer 2F", krächzte sie und wand sich wieder ihrem Schmöker zu. Meinen Rucksack geschultert ging ich zu den Treppen und stieg diese schnell hinauf, bis ich an der Tür mit der Aufschrift "2" darauf las und hindurch in den Flur mit den Zimmern schritt. Musik drang mir entgegen und ich kniff fest meine Augen zusammen. Ich hoffte, dass diese nicht aus Vincents Zimmer drang, doch ich sollte es besser wissen.
Die Tür war nicht einmal verschlossen und ich musste sie nur aufdrücken und der Geruch von Alkohol, Zigaretten und verbrauchter Luft schlug mir entgegen. Er feierte offensichtlich eine Party denn das kleine Zimmer war voller Leute und Vincent stand, sich zur Musik bewegend mitten im Raum. Er trug nur eine Jeans, war barfuß und ein Joint klemmte in seinem Mundwinkel. Die Frauen trugen kaum Kleider am Leib und es schlängelte sich gerade eine auf ihn zu. Ich kam mir vor wie im falschen Film und ließ den Rucksack von meiner Schulter auf den Boden sinken. Leute die das Zimmer verließen rempelten lachend an mir vorbei und dann traf sein Blick auf mich. Anstatt sich zu freuen oder zu mir zu kommen, drehte er mir den Rücken zu und griff eine Flasche von dem Tisch vor sich um einen großen Schluck daraus zu nehmen.
Meine Beine zitterten, mein Herz zog sich stechend zusammen und ich schluckte mehrmals schwer, bevor ich mir einen Ruck gab und die wenigen Schritte auf ihn zu machte. Bevor ich ihn berühren konnte, drehte er sich zu mir herum und schaute mich mit so viel Verachtung im Blick an, dass ich einen Schritt wieder zurück wich. "Was willst du hier?", spuckte er mir entgegen, was mich erneut zusammenzucken ließ. "Ich will mit dir reden, Vincent." Er zischte herablassend auf und zwängte sich an mir vorbei, griff die Hand einer Brünetten und begann mit ihr zu tanzen. Was war nur mit ihm passiert? Was bitte hatte man ihm erzählt? Den Anblick hielt ich nicht länger aus und suchte das Bad. Die kleine Tür mit dem pinkelnden Männchen war nicht zu übersehen und ich war froh es frei vorzufinden.
Ich ließ mir kaltes Wasser in die Hände laufen, womit ich meine glühenden Wangen befeuchtete. Er hasste mich. Niemals hatte ich ihn so kalt erlebt, nicht einmal als er Emma mit Kayle erwischte. Schluchzend stützte ich mich auf dem Waschbeckenrand ab und ließ den Kopf hängen, als die Tür aufgerissen wurde und Vincent hereintorkelte. Es war nicht zu übersehen, wie wenig erfreut er darüber war mich zu sehen. Grob zwängte er sich auch nun an mir vorbei und ging zur Toilette, öffnete seine Jeans und pinkelte. Ich starrte auf seinen Rücken, sah ein paar rote Striemen, die mein Herz erneut schmerzen ließen.
"Vincent.. bitte hör mich doch an." Er verschloss seine Jeans, spülte und stellte sich neben mich ans Waschbecken um sich die Hände zu waschen. "Was gibt es noch zu reden? Du hast mich ersetzt. Warum bist du überhaupt hier?" Seine Stimme klang so emotionslos und kalt, so fremd und verletztend. Ich griff nach seinem Arm, was er mit verbissener Miene betrachtete und mir seinen Arm ruckartig entzog. "Aber ich habe doch nichts getan. Wer auch immer dir etwas erzählt hat, es ist falsch." Er schüttelte seinen Kopf. "Lüg mich doch nicht auch noch an... Emma hat mir von dem Kuss erzählt und dein Dad hat mir von deinem Neuen erzählt. Ich weiß Bescheid, Rory. Und jetzt verschwinde."
Ich war wie gelähmt, versperrte ihm den Weg aus dem Bad und schlug meine kleine Fäuste auf seine nackte Brust. "Aber ich habe nichts getan! Denkst du dann wäre ich hier? Vincent ich liebe dich. Ich war doch nur Silvester feiern. Ich wurde geküsst. Ich wollte es nicht und habe dem Jungen klar gemacht, dass ich das nicht wollte. Da kannst du Emma fragen... das war nämlich das, was sie dir nicht erzählen konnte. Du hättest dir alles anhören sollen, Vincent." Ich raufte mir die Haare, während mir ununterbrochen die Tränen liefen. "Aber warum erzählt dein Dad dann, dass du mit einem Jungen weggefahren bist?"
Zitternd presse ich meine Hand vor den Mund. Zu hören, dass Dad ihm diese Lüge erzählte riss mir vollends die Füße weg und ich sackte weinend gegen die Wand. Ich war fertig. Das Warten, der Flug, das was ich hier sah. "Ich weiß es nicht...", flüsterte ich schlotternd.
Vincent fuhr sich durch seine Haare, wurde immer nervöser und stürzte plötzlich zur Toilette, worin er sich mit einem quälenden Würgen übergab. Danach wusch er sich seinen Mund aus und hing nun genauso auf den Beckenrand gelehnt wie ich vor wenigen Minuten. "Gestern... also nach dem Telefonat..." - "Vincent nein...", flehte ich, doch er fuhr fort. "Ich dachte du hast mich einfach ausgetauscht... ich... ich habe mit einer Frau geschlafen." Ein lauter Schluchzer stieß aus meinem Mund und ich drückte mich von der Wand ab, stürzte zur Tür, doch er griff meinen Arm und zog mich zurück.
"Rory bitte, es tut mir leid... " Ich empfand nur noch Hass. Wie konnte er so von mir denken, dass ich ihn einfach vergesse und austausche und mich betrügen mit einem dieser Flittchen. Ich hatte so viel Schmerz und Wut in mir und riss mich von ihm los. Seine Versuche mich festzuhalten wehrte ich ab, schlug ihm ins Gesicht und boxte gegen seinen Oberkörper, bis ich es schaffte aus dem Bad zu kommen. Im Flur riss ich meinen Rucksack vom Boden und stürzte zur Tür.
"RORY! Bitte bleib!" Im Flur drehte ich mich noch einmal zu ihm um und schüttelte weinend den Kopf. "Nein Vincent.... es ist aus." Nun drehte ich mich nicht mehr um. Lief schnell den Flur entlang und hörte hinter mir aus der Wohnung Glas brechen und Wutschreie, doch ich blieb nicht stehen, sondern rannte so schnell ich konnte die Treppen herunter. Es war falsch hier zu sein.
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Fool Again | Vincent & Rory
Teen FictionFortsetzung von Our Foolish Hearts! Vorsicht Spoiler Alarm! (Ist in Überarbeitung!) Lesley & Kennedy - Dies ist die Geschichte über ihre Tochter Rory... Dass Lesley und Kennedy Eltern wurden liegt nun gute siebzehn Jahre zurück. Beide haben ihren g...