K22 | Ein Anfang

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- Rory -

Ich konnte es nicht beschreiben, wie ich mich fühlte. Zu hören, dass er es genauso wollte, wie ich, ließ mein Herz höher schlagen und ich lächelte an seinen Lippen, bevor ich ihn glücklich küsste. Vincent zog mir dabei die Sonnenbrille von der Nase und legte sie neben sich auf den Felsen, um danach in meine Haare zu greifen und den Kuss zu vertiefen. Das Geräusch von Plantschen im Wasser ertönte und ich löste mich von ihm, schaute zu Emma und Zach und zog wie schon vorhin grimmig meine Brauen zusammen. Zach verdiente noch eine Abreibung. Ich hatte nicht vergessen, dass er mir Emma und Vincent verschwiegen hatte.
»Der kann jetzt sein blaues Wunder erleben«, murmelte ich und setzte mich auf, hangelte mich vom Felsen ins Wasser. »Was hast du vor?«, hörte ich Vincent noch fragen, grinste ihm noch über meine Schulter zu und watete durch das flache Wasser auf Zach zu, der mit dem Rücken zu mir stand. Emma sah mich fragend über seine Schulter an. Mit dem Zeigefinger an meinen Lippen, bat ich sie, ihm nichts zu verraten und sprang im nächsten Moment meinem Cousin von hinten auf den Rücken. Meine Arme schlangen sich um seinen Hals, als ich mich nach hinten zurückfallen ließ, er sein Gleichgewicht verlor und mit mir zusammen ins Wasser platschte. Schnell wich ich unter ihm hervor, nahm ihn in den Schwitzkasten und drückte seinen Kopf erneut unter Wasser.
Nach Luft japsend, schoss sein Kopf aus dem Wasser, doch das reichte mir noch nicht. Ich drückte ihn an seiner Brust erneut unter Wasser und versuchte alles, damit er auch so schnell nicht wieder auftauchen konnte. Strampelnd und um sich schlagend, schubste er mich zur Seite und konnte wieder aufstehen. Sein Atem ging hektisch und er schaute mich fassungslos an, als er vor mir stand und sich das Wasser aus dem Gesicht pustete. »Bist du irre? Was soll das ... willst du mich umbringen?«
Wütend und mit der Überlegung ihn noch einmal umzuschubsen, erwiderte ich seinen aufgebrachten Blick. »Ja! Gerade würde ich das gerne,  denn du hast dich wieder einmal wie ein Arsch mir gegenüber verhalten.« »Wovon redest du?« Sauer stieß ich meinen Atem aus. Wollte er mich auf den Arm nehmen? »Was war dein Plan? Zu hoffen, dass Vincent und Emma wieder verschwinden, bevor ich davon mitbekomme, dass er hier ist? Warum hast du mir nichts davon erzählt? Du wusstest, wo ich war. Du hättest mir Bescheid sagen können ... oder wenigstens eine Nachricht für mich in mein Fenster klemmen, so wie sonst auch. Aber nein, anscheinend denkst du nur an dich!«
Zach bewegte seine Lippen, sprach aber kein Wort. Kaum merklich schüttelte er seinen Kopf und schaute über meine Schulter, auf die sich gerade eine Hand legte und beruhigend zudrückte. »Ich denke Zach war einfach zu aufgewühlt wegen Emmas schlechter Verfassung, nicht wahr?« Der Ton in Vincents Stimme, sagte deutlich, dass Zach besser zustimmen sollte. Seufzend ließ er seine Schultern hängen und nickte. »Es tut mir leid, Rory. Mehr kann ich dazu nicht sagen.« Emma beobachtete alles gespannt mit dem Daumen zwischen ihren Zähnen und blinzelte mich an. Innerlich rollte ich mit den Augen, weil ich mich ständig erweichen ließ, aber ich wollte auch Zach die Zeit mit Emma nicht vermiesen, weshalb ich nachgab »Mach. Das. Nie. Wieder!« Bei jedem Wort tippe ich ihm auf seine Brust, wobei er jedes Mal zusammenzuckte und nach dem letzten Tippen zischend über die Stelle auf seinem Brustbein rieb.
»Ich schwöre es«, murmelte er mit gehobener Hand, weshalb ich nun wirklich mit den Augen rollte und ihm meine Hand ins Gesicht drückte, bevor ich mich zu Vincent herumdrehte. Er nahm meine Hand und ging  langsam und schmunzelnd rückwärts ins tiefere Wasser. So, wie er mich ansah, wurde mir noch wärmer, als in der prallen Sonne sowieso schon. Ich konnte mich nicht von seinen Augen lösen und folgte ihm und betrachtete, wie der Wind mit seinen Haaren spielte. Sie waren eindeutig noch zu trocken. Bevor ich den Boden unter den Füßen verlieren konnte stieß ich mich ab, drückte meine Hände auf seine Schultern und tauchte ihn unter. Mir war bewusst, dass ich ein Echo bekam, doch das war mir egal. Hauptsache ich war in seiner Nähe.
Seine Arme schlangen sich um meinen Bauch und zogen mich nun ebenfalls unter Wasser, wo er sogleich meine Lippen suchte und mich küsste. Sobald wir wieder an der Wasseroberfläche waren,  schlang ich meine Beine um seine Hüften und ließ meine Handflächen an seinen Schultern herab, zu seinen Oberarmen gleiten. Ich war jetzt schon vollkommen verloren. Ich wollte, dass dieser Moment niemals endete und erinnerte mich an unseren Abend am Meer. Erinnerte mich an unsere Berührungen und keuchte an seinem Mund, als seine Hände sich wie an diesem Abend unter meinen Hintern schoben. Ich wollte ihn schmecken, suchte seine Zungenspitze, die er mir immer wieder frech entzog. Neckend strich er damit an der Unterseite meiner Oberlippe entlang, was mich kitzelte und nun wollte ich es nur noch mehr. Das Kribbeln in meinem Bauch wurde immer stärker und er machte mich wahnsinnig damit, mich nicht richtig zu küssen. Er gab mir immer nur den Krümel vom Kuchen und entzog sich mir, sog meine Lippe in seinen Mund und entließ sie schnell wieder mit einem Schmatzen, wobei seine Hände mich fester gegen seine Mitte drückten.
»Vincent ... küss mich ...« Ich war hibbelig und meine Stimme klang schon fast flehend. Seine Mundwinkel zuckten, bevor er endlich meiner Bitte nachgab. Dieser Kuss versetzte die Schmetterlinge in meinem Bauch in Aufruhr. Nur ich und er. Ich wünschte mich mit ihm irgendwohin, wo wir allein wären und strich seinen Rücken abwärts. In langsamen Kreisen fuhren meine Fingerspitzen über sein Steißbein und ließen ihn in den Kuss knurren ... und dieses Knurren bescherte mir eine Gänsehaut. Er packte mich fester. Ich liebte es jetzt schon. Wollte, dass er mich nicht mehr losließ. »Was mache ich nur mit dir?«, fragte er mit rauer Stimme und lehnte sich etwas zurück, um mich anzusehen. Frech und herausfordernd hob ich meine Braue. »Darauf bin ich auch gespannt.«
Sein Lächeln wurde breiter, bis er mich unverhofft von sich stieß und ich ins Wasser platschte, wahrscheinlich um die Situation zu entschärfen, denn dass es ihn nicht kalt ließ, konnte ich deutlich spüren. Wir neckten uns noch eine ganze Weile weiter, beobachteten auch Zach und Emma, die sichtlich Spaß miteinander hatten und es entging mir nicht, wie glücklich es Vincent machte, seine Schwester lachen zu sehen.
»Du liebst deine Schwester sehr, nicht wahr?«, fragte ich als wir den sandigen schmalen Weg zurück zum Haus gingen. »Sie ist das wichtigste, neben meinem Vater«, antwortete er nachdenklich. »Ich wünsche mir für sie, dass sie zu sich kommt und erkennt, was für ein toller Mensch sie ist.« Seine Miene wurde ernster und ich konnte mir denken, woran er dachte. Wenn er auf Tour war, konnte er sie nicht so einfach aus einer Misere holen. Dann war sie meist auf sich allein gestellt und wie dies enden konnte, hatten wir gestern Abend gesehen.
Nach dem Abendbrot gingen Emma und Vincent auf ihr Zimmer und ich half Mom bei der Hausarbeit. Ich hätte ihr so gern von Vincent erzählt. Mir brannte es auf der Zunge und nur die Bedenken wegen Dad, hielten mich davon ab. Ich konnte sie nicht einschätzen, ob sie es ihm erzählen würde und noch weniger wusste ich, was Dad davon halten würde, wenn er herausbekam, wer Vincent war. Es wunderte mich sowieso, dass meine Eltern nicht schon von allein darauf kamen.
»Du kannst im Gästehaus noch einmal nach dem Rechten sehen und danach die Blumenkübel im Hof wässern, Rory«, rief Mom die Treppe zu meinem Zimmer hoch und ich glaubte, ich erledigte noch nie so gern, worum sie mich bat. Schnell war ich in meine Schuhe geschlüpft, die Treppe nach unten und aus dem Haus. Im Gästehaus war alles still. Bei Emma und Vincent klopfen wollte ich nicht. Sie hatten sicher genügend zu besprechen und ich wollte gerade den Flur nach Draußen entlang gehen, als seine Stimme hinter mir ertönte.
»Rory warte ... wolltest du zu mir?« Ich schüttelte schnell den Kopf und strich meine Haare hinters Ohr. »Eigentlich nicht ... aber ja ... also. Irgendwie schon.« Er lachte. »Na was denn nun?« »Ich sollte hier nach dem Rechten sehen und muss mich jetzt noch um die Blumen kümmern.« Er leckte sich über seine Lippen und sah schon wieder so unverschämt gut aus. Die Blumen interessierten mich gerade reichlich wenig, weswegen ich mich an die Wand im Flur lehnte und meine Handflächen hinter meinem Rücken, an die pastellgrüne Tapete mit Blümchenmuster drückte. Er lehnte seine Schulter neben mir an die Wand und musterte mich, griff wie so oft heute schon, eine Strähne meiner braunen Haare und ließ sie durch seine Finger gleiten, wobei ich durch meine dichten Wimpern zu ihm aufsah.
»Komm heute um Mitternacht zu Emmas Bulli ... ich möchte mit dir etwas allein sein. Dort sind wir ungestört.« Er wartete mein zustimmendes Nicken ab, drückte noch einmal flüchtig seine Lippen auf meine und stieß sich von der Wand ab, um aus dem Gästehaus in den Hof zu gehen. Während er sich eine Zigarette anzündete und immer wieder zu mir herüber sah, schnappte ich mir den Gartenschlauch und gab den Blumen, wonach sie sich den Tag über in der prallen Sonne sehnten. Ob es mir heute Nacht so ginge wie den Blumen? Ich wusste es nicht.

Fool Again | Vincent & RoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt