K12 | Nach Süden

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- Vincent -

Ich öffnete meine Augen und sah sie an. Endlich hatte sie es aufgegeben mich anzustarren und war eingeschlafen. Sie versuchte sich eine Stunde lang wach zu halten, nur weil sie es auskosten wollte, mit mir hier zu liegen.
Ich ließ meinen Zeigefinger über ihren Wangenknochen streifen und schob ihr die Haare aus dem Gesicht, um es besser zu sehen.
In der Sekunde fiel mir ein Songtext ein und ich summte und sang leise die Strophen.
Always and forever ...
Ich lächelte, küsste sie auf den Mund und atmete schwer aus. »Lebewohl ... kleiner Tollpatsch.«
Nun nahm ich meine Schuhe, zog den Reißverschluss von ihrem Zelt auf und hielt kurz inne. Sollte ich sie aufwecken? Gerne hätte ich ihre Stimme noch einmal gehört, doch ich entschied mich bewusst dagegen. Sie sollte schnell über diese Begegnung hinweg kommen. Also ging ich nach draußen, wo mir ihre Freundin, völlig außer Atem, entgegen kam.
»Hey, wo ist Rory?«, fragte sie mich, was ich mit einem Nicken in Richtung Zelt beantwortete. »Sie ist gerade eingeschlafen. Du solltest sie schlafen lassen«, sagte ich und sah den Hügel hinunter. »Vini! Komm. Wir müssen los!«, rief Emma, sie hievte eine Tasche in den kleinen VW Bus, wobei ihr Zach zur Hand ging. »Ich komme!« Ich sah Laura an und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Gibst du den Rory von mir? Und sag ihr, dass ich ... ich-« Was? Was sollte sie sagen? »Sag ihr, alles Gute ... für ihr weiteres Leben. Mach's gut.« Damit war ich nun auch schon auf dem Weg nach unten, um das Festival und auch Rory, hinter mir zu lassen.
»Mach's gut Zach! Und pass gut auf den kleinen Tollpatsch auf!«, rief ich Zach zu, der den Hügel in Richtung ihres Zelt schlenderte. Er hatte seine Hände tief in den Hosentaschen und sah etwas zerknirscht aus. Nur kurz sah er zu mir und ging ohne ein Wort weiter.
»Oh, er hatte es drauf. Uhhh ... Vincent, sein Schw-« »Emma! Bitte erspar mir die Einzelheiten«, wiegelte ich ab und folgte Matty, der bereits seinen Rucksack in den Kofferraum verstaute. Diese Laura stand neben ihm ans Auto gelehnt und sah ihm dabei zu. Dann küsste er sie und stieg auf der Beifahrerseite ein. Das war mein Zeichen. Es ging los.
»Fahr uns hinterher. Ich wollte dir zeigen, wo wir unser Lager aufschlagen werden. Willst du nicht ein paar Tage bei uns bleiben? Es geht Richtung Süden?«, rief mir Emma zu. Marry sah über ihre Schulter, in meine Richtung.
»Ich fahre euch hinterher«, antwortete ich ihr und stieg in meinen Wagen. »Lebewohl, Laura. Und pass auf deine kleine Freundin auf.« Laura lachte und winkte mir zu, als sie in Richtung ihres Zeltes ging.
»Na? Wie war dein Abend? Warst ja schnell wieder verschwunden mit der Kleinen«, feixte Matt und stellte den Beifahrersitz auf Liegeposition.
»Es war«, ein letztes Mal sah ich hinüber in Richtung des kleinen orangen Zeltes, » ... es war schön«, sagte ich und startete meinen Wagen, um die Verfolgung des hellblauen VW's aufzunehmen, der in Richtung Süden, auf den Highway fuhr.
»Hast du wirklich vor, bei diesen Hippies zu bleiben? Was ist mit dem Angebot von Bobby? Er will, dass du ihn auf seiner Tour begleitest. Vincent! Das kannst du nicht ablehnen. Das ist schon immer dein Traum gewesen.« Matt redete ununterbrochen auf mich ein. Mir wurde es langsam zu viel. Mein Kopf war immer noch bei ihr, in dem kleinen Zelt. Was sie wohl dachte, als sie aufwachte? Sicher war sie enttäuscht, dass ich schon, ohne einen Abschied, gefahren war. Aber ich empfand es als besser. Sicher wäre es schwerer gewesen, sie am Straßenrand winken zu sehen, als sich zu verabschieden, während sie schlief.
»Was ist mit dir los? Du bist ja garnicht anwesend. Träumst du von deiner Kleinen?« Ich sah zu ihm rüber. Er steckte sich genüsslich einen Joint an und pustete Ringe in die Luft.
»Matt, halt einfach die Klappe. Und gib mir n' Zug!« Er reichte mir das Gerät und ich zog fest daran.
Emmas VW fuhr endlich eine schmale Einfahrt hinauf.
»Campingplatz? Was macht sie hier?«, fragte Matt und kurbelte das Fenster nach ganz unten. Emma stieg aus und umarmte einen nackten Typen. »Scheiße, wo sind wir hier gelandet?« Ich musste grinsen, als ich das Plakat sah, das an der Hütte ging. »Matt. Wir sind hier in einem Nudisten Camp.« Ich lachte, als ich sein entsetztes Gesicht sah.
»Das ist nicht ihr Ernst? Nein! Was stimmt mit deiner Schwester bitte nicht?« Entgeistert schüttelte er den Kopf und ich prustete los. Das war so typisch Emma.
»Kommt meine Brüder. Setzt euch doch.« Dieser Lonnie winkte uns heran. »Zieht euch doch aus, meine Freunde. Wir sind hier ganz unter uns. Genießt das Dasein ohne Zwänge. Los, ... runter mit den Hosen. Dies ist ein Zwang! Ihr solltet ihn euch entledigen. Emma, meine Gute ... zieht euch aus.« Ich schluckte und sah dabei zu, wie Emma sich auszog und ihre Kleider in den Bus warf. »Vincent! Macht mit!« Ich sah weg ... es war einfach zu peinlich. »Emma! Zieh dich an!« Ich sah zu Matt der grinsend, mit feuerrotem Kopf da stand und meiner Schwester auf die Hupen schaute. Ich stieß ihm in die Rippen. »Ich bring dich um. Guck sie nicht an!«
Es wurde dunkel und diese Nackten, saßen alle um ihr Lagerfeuer und sangen ihre Kumbaya Lieder.
Emma konnte ich dazu überreden, wenigstens eine Unterhose zu tragen. Obwohl ich ihre Möpse auch nicht unbedingt sehen wollte.
Doch sie hatte nur Augen für diesen Lonnie.
»Na toll. Was sollen wir hier, Vincent? Wir sollten heim fahren. Das sind doch ... Perverse.« Ich musste mal wieder lachen über ihn.
Marry saß im VW Bus und sah zu mir rüber. Sie war ebenfalls nackt und in ihren Händen hielt sie eine Blumenkette, die sie zusammen flocht.
»Ich bin gleich zurück«, sagte ich zu Matty und stand auf. Ich ging zu Marry und setzte mich zu ihr in den Einstieg. »Warum sitzt du hier so allein? Geh' doch zu den anderen und singt eure Lieder.« Ich grinste. Sie sah mich ruhig, ohne einen Ton zu sagen, an.
»Was ist los?« Sie legte mir den Blumenkranz um den Hals.
»Der steht dir. Siehst fast aus, wie einer von uns«, sagte sie leise und ließ unseren Blickkontakt nicht abbrechen. »Danke. Aber ich glaube«, ich nahm ihn mir wieder ab und legte ihn ihr um, » ... ich glaube, das er dir besser steht.« Ihre Hand legte sich an meine Wange und sie beugte sich zu mir, um mich zu küssen. »Marry ... ich-« »Pssst, ... sag nichts, küss mich einfach«, sagte sie mit leiser, verführerischer Stimme und ich ließ es zu, dass sie mich küsste.
Als wir uns voneinander lösten sah sie mir tief in die Augen und lehnte sich zurück. Verwirrt schüttelte sie leicht den Kopf. »Du liebst sie.« Ich wusste nicht was sie meinte und sah sie fragend an. »Was? Wen meinst du?« »Du küsst mich nicht zurück. Nicht richtig. Du denkst an sie, dieses Mädchen. Vom Festival. Stimmt's? Hast du sie gebumst?«
Ich stand auf und sah sie mit gehoben Brauen an. »Ich wüsste nicht, was dich das anginge. Aber nein, ... habe ich nicht.« Marry lachte.
»Du bist verliebt!« Sie lachte immer lauter, deshalb ließ ich sie sitzen und ging davon. Doch das Lachen war nicht länger ein Lachen ... es wurde unterbrochen, von leisem Schluchzen. Sie weinte und versuche es mit dem lachen zu überdecken. Frauen ... da werde mal einer schlau aus ihnen.

Fool Again | Vincent & RoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt