K05 | Nackte Tatsachen

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- Rory -

Vincent. Wenn ich darüber nachdachte wäre ich lieber bei ihm geblieben, als jetzt eine Standpauke von Zachary über mich ergehen zu lassen. Er hatte sich echt lieb um mich gekümmert, soweit ich mich noch daran erinnern konnte. Seine Nähe beruhigte mich, was eigentlich nur bei Zach passierte. Mir ging es aber immer noch so mies, dass ich selbst jetzt die Vorwürfe in Kauf nahm, weil ich mich auch nach Zach sehnte. Er war mein Stück Zuhause.
Vorsichtig zog ich den Reißverschluss auf, das letzte Stück wurde förmlich aufgerissen und Zach zog mich erleichtert aufatmend in seine Arme. »Verdammt wo warst du?« Er nahm mein Gesicht in seine Hände, betrachtete mich gründlich und strich mir die Haare aus der Stirn. »Warum bist du nicht dort geblieben? Ich hab dich zwei Stunden lang gesucht.« Meine Lippen bewegten sich, doch ich holte einfach tief Luft und kuschelte mich an ihn.
»Es tut mir leid, Zach.« Ich wusste, er kann nicht anders und es dauerte nur Sekunden, da strich er liebevoll über meinen Rücken. »Dir geht's aber gut, oder? Ich muss jetzt nicht jemanden suchen und ihm den Hals umdrehen?«, durchbrach er die Stille, die bis auf Laura's leichtes Grunzen im Zelt herrschte. »Nein, mir ist nichts passiert. Ich habe nur zu viel getrunken, das falsche geraucht und danach ging es bergab. Ich habe unser Zelt gesucht und bin nicht weit weg von hier gelandet.«
Röte stieg mir in die Wangen bei dem Gedanken an Vincent. Ich war ihm beim Vögeln auf den Rücken gefallen. Peinlicher ging's echt nicht mehr. »Heute läuft das anders. Ihr schießt euch nicht so ab.« Brummend legte ich mich in meinen Schlafsack und streckte meine Hand nach Zach aus. Ich legte sie auf seinen Oberkörper und schloss meine Augen. Ich musste dringend noch eine Runde schlafen.
Erschrocken riss ich meine Augen auf und drückte die Luft aus meiner Lunge. »Laura geh' von meinem Bauch!«, presste ich fast tonlos heraus und japste nach Luft. »Steh auf! Hörst du nicht die Musik? Wie kannst du da nur schlafen? Draußen ist die Hölle los. Es sind noch mehr Menschen hier als gestern und~« »Laura hol mal Luft!« Sie hob ihre Brauen, bevor sie los prustete und sich gackernd neben mich fallen ließ.
»Zach hat mir von heute Nacht erzählt. Wir haben wohl nichts ausgelassen, was?« Ich setzte mich auf und zuckte mit der Schulter. »Wo ist er überhaupt?« Laura zog sich ihr Shirt aus und kramte in ihrer Tasche nach einem frischen. »Er ist etwas zu Essen besorgen und gucken, wo man duschen kann. Ich befürchte jedoch, dass das nicht so einfach wird.«
Sie sollte recht behalten. Es gab eine Stelle, an der Rohre aus dem Boden ragten, aus denen Wasser spritzte. Der Boden glich einem Schlammloch und sowohl Zach, als auch Laura, betrachteten das Geschehen skeptisch. Mir war es egal. Ich brauchte eine Erfrischung.
Ohne lange nachzudenken stieg ich aus meinen Klamotten und watete mit ihnen unter dem Arm, durch den Morast, unter die riesige Dusche. Mit meiner freien Hand löste ich mein Zopfgummi aus den Haaren und reckte mit geschlossenen Augen, mein Kinn in die Höhe, um mich berieseln zu lassen. Die Sonne brannte und das eiskalte Wasser weckte mich nun vollständig auf.
Meine Sachen warf ich oben über die Stange und wusch mich wenigstens so - besser als nichts. Ich wette Zach war froh, dass ich wenigstens einen Bikini trug, sonst hätte er jetzt keine ruhige Minute, ich kannte ihn doch. Von den Bühnen drang die Musik herüber und die Menschen tanzten, während sie sich berieseln ließen.
Laura und Zach machten es mir gleich und waren genauso glücklich über die Erfrischung wie ich. Als wir die Wasserstelle wieder verließen, drückte ich Laura mein Shirt und meine Shorts in die Hand, danach zog ich mein Bikinioberteil aus, um es auszuwringen. Neben mir ertönte ein drohendes Knurren. »Rory!« »Zachary!«, erwiderte ich genervt, denn er sollte mal halblang machen.
Jede Zweite lief hier fast nackt herum, überall wälzten sie sich im Gras oder in den Zelten. Dagegen war ich noch ein Unschuldslamm. Etwas vorgebeugt wrang ich den Bikini ein letztes Mal aus und richtete mich wieder auf, wobei ich, wie vom Schlag getroffen, die Luft anhielt und deutlich schluckte.
»Na, geht's dir wieder besser Rory?« Vincent. Ich starrte auf seinen nackten Körper und hatte Mühe ihm in die Augen zu schauen. Wenigstens trug er noch eine schwarze Shorts. »J-ja. Geht wieder ganz gut, Danke«, stammelte ich und zog mir, bemüht lässig, mein Bikini-Oberteil wieder an, was er interessiert verfolgte.
»Rory kommst du?«, schob Zach sich nun vor Vincent und erdolchte mich fast mit seinem Blick. Mich nervte sein Verhalten, weshalb ich ihn zur Seite schob und Vincent am Arm packte. »Laura, Zach. Das ist Vincent. Er hat sich heute Nacht um mich gekümmert. Wer weiß wo ich sonst gelandet wäre«, stellte ich ihn vor. Laura strahlte ihn gleich von unten herauf an. »Hey Vincent, ich bin Laura und der grummelige Kerl hier neben mir, ist Rory's Cousin Zachary.«
»Vince! Komm' rüber! Deine Schwester sucht dich!«, rief jemand in unsere Richtung. Enttäuschung machte sich in mir breit. Wir sollten anscheinend nicht mehr als drei Worte miteinander wechseln. Vincent sah mich entschuldigend an und drückte sanft meine Schulter. »Wir sehen uns sicher später, aber jetzt werde ich anscheinend gebraucht. Also ...« Er zwinkerte mir zu, hob zu einem Winken seine Hand und ging in die Richtung, aus der er gerufen wurde.
Wir organisierten uns ein paar leere Flaschen, befüllen sie mit Wasser und konnten so unsere Füße auch noch waschen. Ich fühlte mich zwar nicht wirklich sauber, aber besser als vorher. Dazu war ich jetzt richtig wach. Das einzige, was uns allen Dreien nun zu schaffen machte, war unser knurrender Magen.
Wir zogen uns im Zelt trockene Sachen an und kauften uns an einem umgebauten VW Bus, der als Küche fungierte, eine wirklich köstliche Kartoffelpfanne. Danach erkundeten wir das Festivalgelände, tanzten immer wieder zu Liedern die uns gefielen und landeten am frühen Abend vor der Hauptbühne. Es war merklich nicht so überfüllt wie gestern um diese Zeit. Wahrscheinlich lagen viele, jetzt scheintot, in ihren Zelten, aber das konnte sich zu später Stunde noch ändern.
James Johnson spielten auf der Hauptbühne. Bunte Lichter flackerten über die Menschen und da wir nur wenige Meter von der Bühne entfernt standen, konnten wir alles recht nah miterleben. Es war einfach toll, schon fast ergreifend, die Bands die man sonst im Radio hörte, nun so nah und live miterleben zu können.
»Ah, ah, ah«, gröhlten Laura und ich den Liedtext von "Black Days" mit, während Zach, mit den Armen in der Luft, von einem Bein aufs andere schunkelte.
Er behielt uns unentwegt im Auge, doch ich achtete nun auf etwas ganz anderes. Hinter der Absperrung vor der Bühne erspähte ich plötzlich keinen geringeren als Vincent, der mit einem jungen Mann mit Gitarre in der Hand sprach. Als ich nur wenige Augenblicke später sah, mit wem er dort sprach, bekam ich den Mund nicht mehr zu. Es war Bobby Dalton!

Fool Again | Vincent & RoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt