Wieder weckt mich ein Knall. Während ich verschlafen gegen die plötzliche Helligkeit anblinzle, kommt mir langsam wieder in den Sinn, was ich vor meinem Schlaf getan habe. Spöttisch schnaube ich. Von wegen, ich werde mich still halten und mich nicht einmischen, damit ich hier unbeschadet herauskomme. Offensichtlich kann ich nicht anders, als mich immer wieder selbst in die Misere hineinzureiten.
Drei Matrosen - nun nüchtern - sehen nacheinander mit schmalen Augen jede von uns einzeln an. Sie werden wohl bemerkt haben, dass ihr Kumpane nicht wiedergekehrt ist - und der große Wasserfleck auf dem Boden, wo das Eis geschmolzen ist, spricht auch nicht gerade für uns. Jede hält sich still, viele sehen wie immer weg, aber einige scheinen durch meine kleine Aktion eine gewisse Art Trotz entwickelt zu haben, denn sie starren den Männern unverhohlen und provokant entgegen.
Als sie die Kleine sehen, die immer noch an meiner Schulter lehnt und döst, grinsen sie sadistisch. Nur ein einziges Mal sehen sie zu mir und scheinen zu verstehen, was geschehen ist. Selbstsicher nähert sich einer der drei uns beiden. In seinen Augen leuchtet die Vorfreude auf die Strafe, die man uns zweifellos aufbürden wird.
Ohne den Blick von unserem aktuellen Feind zu lösen, rüttele ich das Mädchen - so gut es mit angeketteten Händen eben geht - neben mir sanft wach. Wie ich zuvor blinzelt sie verschlafen einige Sekunden lang vor sich hin, dann weiten sich ihre Augen und für einen Moment steht ihr der Mund offen. Sie hat verstanden, dass unsere Aussichten unbeschadet hier herauszukommen nicht gerade rosig sind.
Kaum bleibt der Mann vor uns stehen, holt er schon mit seinem Bein aus und tritt rücksichtslos nach mir. Schlapp kippt mein Körper zur Seite, während die Kleine mit Tränen in den Augen erschrocken zurückweicht. Ich lasse es einfach unbeeindruckt über mich ergehen, wie der Matrose wieder und wieder nach mir tritt. Ich schalte einfach ab.
Ice, ich habe einen Vorteil in Vaters grausamer Behandlung entdeckt. Damit hätten wir beide nie gerechnet, aber tatsächlich ist es so. Dank der Folter der vergangenen zehn Jahre bin ich nun in der Lage kleinere Wunden problemlos wegzustecken. Die Tritte, die ich abbekomme, machen mir nichts. Im Vergleich zu dem, was ich bereits erlebt habe, ist es vergleichbar mit einem Kitzeln.
Auch der Matrose scheint es zu merken und ihm vergeht die Lust. Immerhin schreie ich weder, noch versuche ich mich zu verteidigen. Ich verhalte mich wie eine leblose Marionette. Wütend zischt er und wendet sich der Kleinen zu, die sich vor Schreck nicht bewegen kann. Das Adrenalin des vergangenen Tages scheint gewichen zu sein und damit auch ihr Mut. Schade.
Er packt sie am Arm und zieht sie ruckartig hoch. Als er sie jedoch fortschleppen will, hake ich meinen Fuß automatisch hinter seinen ein und er stolpert rückwärts zu Boden. Man sieht es mir vielleicht nicht an, aber ich weiß durchaus mich in jeder Lage zu verteidigen. Deine Lektionen haben mir sehr geholfen, Ice. Auch, wenn du immer viel zu nachsichtig warst.
"Da will wohl jemand unbedingt Held spielen", höhnt einer der anderen beiden Matrosen. "Sie hat wohl eine masochistische Ader", fügt der Andere kichernd hinzu. "Wenn sie so lebensmüde ist und die Strafe abfangen will, lass sie doch. Vielleicht lernt der Rest der Ware dann, dass sie in ihren unterlegenen Positionen ihre Wohltäter nicht so respektlos anglotzen sollten."
Ihre Worte kurbeln die Wut in mir an, aber leider nicht stark genug, als dass mein Eis zuschlagen würde. Abgesehen davon könnte ich mich schlapp lachen. Ice, du hast Recht gehabt. Der Geist der meisten Männer auf der Welt ist nicht stark genug, als dass sie sich mir furchtlos entgegen stellen könnten. Denn der Blick der Matrosen gleitet während ihrer Schikanen und hochtrabenden Reden nervös immer wieder zu meinen Augen, in denen sich der Sturm abzeichnen wird, bevor er sich außerhalb bemerkbar macht...
DU LIEST GERADE
Burning Ice
Fantasy↬Wenn Feuer und Eis einander begegnen...↫ ...Wie ein Kaninchen drängt er mich rückwärts an die Wand. Er hält meine Handgelenke über meinem Kopf fest und nagelt mich förmlich an Ort und Stelle. "Nie wieder", knurrt er. In seinen Augen leuchtet die Wu...