Oh, wie ich diesen Tag jetzt schon hasse.
Angefangen damit, dass ich bei Sonnenaufgang geweckt wurde, bis hin zu dem Frühstück, dem ich jetzt gezwungen bin, beizuwohnen. Es scheint so, als würde ich bei jeder Mahlzeit, bei jedem einzigen Bissen, von unzähligen Augenpaaren genauestens gemustert werden - Es scheint so, dass ich diese genaue Inspektion jeden gottverdammten Tag werde erdulden müssen.
Dann ist da die Tatsache, dass das gesamte Schloss wegen der plötzlichen Verlobung des Prinzen zu tuscheln scheint. Männer zerreißen sich das Maul, wie der Prinz denn zu so einer gelangt ist - dass ich nicht lache! -, während die Frauen nichts Besseres zu tun haben, als meinen Rücken mit finsteren Blicken zu bedenken und anschließend neue kreative Beschimpfungen ins Leben zu rufen. 'Kaltblütige Eishexe' ist einer meiner Favoriten geworden.
Und dann wäre da noch die Sache, die mir mit Abstand am Meisten unter die Haut geht: Der angespannte, mörderische Ausdruck auf Luciens Gesicht, während er mich keine einzige Sekunde während des Essens aus den Augen lässt. Als würde er auf irgendeine Art und Weise spüren, dass ich mich nachts hinausgeschlichen habe und dadurch nur wenige Stunden Schlaf bekommen habe. Noch hat er mich nicht zur Rede gestellt, aber das würde er, sobald wir auch nur einen einzigen Augenblick alleine wären. In weiser Voraussicht bereite ich überzeugende Antworten auf seine zweifellos kommenden Fragen vor.
Wie vorhergesehen, baut sich Lucien vor mir auf, nachdem wir mit gespieltem Lächeln, Kichern und Lachen in mein Zimmer geschlüpft sind und die Tür abgeschlossen haben. Ich denke, ich muss nicht ausführen, was der Rest der Welt nun denkt, dass wir tun. Dabei könnte die Wahrheit nicht weiter entfernt sein.
"Wo warst du letzte Nacht?", beginnt er argwöhnisch das Kreuzverhör. Keine Frage, wohlgemerkt, sondern ein Befehl. Von einem Prinzen an seine Sklavin.
Mit verschränkten Armen und gerecktem Kinn, mit schief gelegtem Kopf und einem Schnauben lautet meine Gegenfrage: "Weißt du, dass ich es hasse, wenn du mich von oben herab behandelst? Du vergisst, dass ich ebenfalls eine Prinzessin bin - dir ebenbürtig."
Seine Lippen verziehen sich zu einer Mischung aus Grinsen und Zähneblecken - sündhafte Lippen, die ich unwillkürlich anstarre, in Erinnerung an den gestrigen Abend. Ein Funke erwacht in seinen Augen, als würde er sich ebenfalls daran erinnern. Ich muss stark an mir halten, um ein Grinsen zu unterdrücken - ein Blick, und ich habe seinen feurigen Argwohn in ein anderes, feuriges Verlangen verwandelt. Nur ein Blick. Ich komme nicht umhin, einen gewissen Stolz in mir aufwallen zu spüren. Werde ich etwa eitel?
Während ich mich höher aufrichte, gebe ich ihm schließlich doch noch eine Antwort auf seine Frage. "Wenn es dir so verdammt wichtig ist: Ich bin in meinem Zimmer gewesen."
Der Funke in seinen Augen erlischt. Mist. Ich habe ihn wieder an seine Fragen erinnert. Aber - hätte ich ihm stattdessen leidenschaftlich um den Hals fallen sollen? "Und wie kommt es dann, dass dir beinahe die Augen zufallen und du dich langsamer als eine Schildkröte bewegst?" Wieder diesen animalischen Ausdruck auf dem Gesicht versucht er mich in die Ecke zu drängen - nicht mit seinem Körper, wie letztes Mal, sondern mit seinen Worten und Gesten. Ich muss mich ordentlich zusammenreißen, um bei diesem Gedanken - letztes Mal - nicht meine zurechtgelegten Antworten zu vergessen.
Es schrammt an meinem Stolz, die nächsten Worte zu sprechen, doch mir bleibt keine andere Wahl. Aus schmalen Augen funkle ich ihn an und versuche, ihn niederzustarren. "Dass ich nur wenige Stunden Schlaf bekommen habe, habe ich einem gewissen arroganten Prinzen zu verdanken, der spontan beschlossen hat, mich vollkommen durcheinander zu bringen." Als sein Grinsen breiter wird, füge ich hinzu: "Und versuch erst gar nicht, das Unschuldslamm zu spielen - auch mir sind deine Augenringe und dein träger Gang aufgefallen."
Nun ist es an mir zu grinsen, denn seine Wangen färben sich ein ganz klein wenig rosa. So grinsen wir uns gegenseitig an, starren uns nieder, weigern uns, zuerst den Blick abzuwenden.
"Flöckchen", beginnt er das neckende Wortgefecht.
"Flämmchen", schieße ich zurück.
"Eisbestie!"
"Feuerbestie!" Zwar hätte ich ihn darauf hinweisen können, dass diese Bezeichnung nicht sehr kreativ ist, aber das hätte das schöne Gefecht unterbrochen.
"Eishexe!" Seine rotbraunen Augen funkeln amüsiert. Auch er hat also das Gerede mitbekommen.
"Feuerkotzender Mistkerl!" Ich werfe ihm ein triumphierendes Grinsen zu.
Mit hochgezogenen Augenbrauen schnaubt er und hebt die Hände. "Na gut, du hast gewonnen." Mit seinem unerträglichen Grinsen stolziert er auf mich zu und sein warmer Atem streicht über meinen Hals als er mir ins Ohr flüstert: "Aber nur dieses eine Mal. Die anderen Runden werde ich gewinnen - egal, ob Wortgefechte oder andere... Handlungen."
Ich gebe zu, ich muss mir reichlich Mühe geben, um bei der Anspielung nicht zu schaudern. Und ich müsste lügen, würde ich sagen, dass er nicht mal eben so jeden Gedanken aus meinem Kopf gefegt und mich auf eine Art und Weise erregt hätte, die ich nie für möglich gehalten hätte.
Lucien hat doch tatsächlich die Nerven, anschließend einen Kuss auf meinen Hals zu hauchen, direkt unterhalb meines Ohres, und mit einem kehligen Lachen durch die Tür in den Flur zu schlüpfen.
Aber mir machst du nichts vor, Lucien - mir sind deine zitternden Hände durchaus aufgefallen, als du den Schlüssel im Schloss gedreht hast, um vor mir zu fliehen - denn genau das ist es, was du getan hast!
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Burning Ice
Fantasy↬Wenn Feuer und Eis einander begegnen...↫ ...Wie ein Kaninchen drängt er mich rückwärts an die Wand. Er hält meine Handgelenke über meinem Kopf fest und nagelt mich förmlich an Ort und Stelle. "Nie wieder", knurrt er. In seinen Augen leuchtet die Wu...