Sechsundvierzig

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[Dann trifft Cheris Blick auf meinen und nicht der geringste Vorwurf glänzt in ihrem liebevollen Blick, als sie sagt: "Willkommen Zuhause, Snow."

Meine Hände zittern nicht, als ich mir von Freedom aufhelfen lasse und sie fest meine Hand drückt - ein stummes Versprechen.]

"Wie?", frage ich mit einem breiten Lächeln.

Wie habt ihr hierher gefunden. Wie habt ihr euch kennengelernt. Wie sieht das Verhältnis zwischen euch aus. Wie sehen eure Pläne aus, eure Strategie. Wie kommt es, dass ihr alle hier seid. Wie kommt es, dass ihr mir ein Zuhause anbietet, trotz aller Schuld, die ich auf mich geladen habe.

Cheri zieht vorwurfsvoll mit Blick auf Lucien eine Augenbraue hoch. "Wie ich sehe, hat unser Prinzchen dir nicht allzu viele Details erzählt."

Luciens Grinsen verwandelt sich in etwas Scharfes. "Zwei gewisse Menschen haben ja auch damit gedroht, mich des Nachts meines liebsten Körperteils zu berauben, wenn ich mich nicht beeile und ihre allseits geliebte Volksheldin zu ihnen bringe."

Freedom verschränkt die Arme vor der Brust und grinst vielsagend. "Der arme kleine Prinz hat sich vor Angst beinahe in die Hosen gemacht und ist keine Stunde später aufgebrochen, um dich zu suchen", klärt sie mich grinsend auf. Die Tränen auf ihren Wangen sind bereits versiegt.

Lucien dreht sich halb zu mir um und  zieht einen Schmollmund. "Die Frauen in dieser Truppe sind alle so grausam. Kannst du sie nicht zurechtweisen, jetzt, wo du hier bist?"

"Armer kleiner Prinz", zitiere ich Freedom kopfschüttelnd und kann mein Lächeln nicht unterdrücken. "Ärgern dich die Großen?", säusele ich. In Luciens Augen blitzt ein Funke auf.

Dieses Necken... Diese Freude... Diese lockeren, heiteren Gespräche...

Ich habe sie vermisst. Sehr. Mehr, als mir bewusst war. Es ist so, als wäre für einen winzigen Augenblick alles normal und gut, als wäre ich nicht mehr als die Hälfte meines gesamten Lebens von unterschiedlichen Königen gefoltert worden, als wären Titel und Rang unwichtig. Als wären wir alle gleichwertig und es gäbe keinen Grund, sich voreinander zu fürchten, einander zu misstrauen.

Leider hält die Heiterkeit nicht lange an. Leider bleibt die Welt nicht lange schön und gut, sondern tritt stattdessen weiter nach mir.

Denn ohne eine Vorwarnung verschwindet jede Freude von Freedoms Gesicht und sie starrt angespannt in die Leere. Ihr Gesicht ist eine leere Maske - nichts erinnert mehr an die rebellische, offene, junge Kriegerin.

Cheri und Lucien verkrampfen sofort und werfen einander mit großen Augen Blicke zu. Dann packt Cheri Freedom am Handgelenk und zerrt sie hinter sich in den Schutz der Bäume, hinter verwilderte Büsche und Sträucher.

Panik flammt in mir auf, als ich mich an Lucien wende, mit dem ich nun alleine auf dem Weg stehe. Nachdenklich starrt er auf den Boden, während er an seiner Unterlippe kaut. Dann hebt er den Kopf und sucht eindringlich meinen Blick. "Kannst du dein Eis nutzen, Snow?"

Burning IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt