Dreiundzwanzig

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Den gesamten Weg über zurück zu meinem Zimmer halte ich die Worte in mir zurück, die ich dem Prinzen an meiner Seite allesamt an den Kopf werfen möchte. Wir wollen ja schicklich bleiben.

Aber als dann - eine Kreuzung vor unserem Ziel entfernt - zwei tuschelnde Damen an uns vorbeihuschen, bei deren Gespräch ich aufschnappen kann, wie sie sich gegenseitig zu der plötzlichen Verlobung des Prinzen negativ äußern, reißt mein Geduldsfaden endgültig.

Kaum sind sie weg, wirbele ich herum, drücke Lucien gegen die Wand und pikse ihn mit einem Finger in die Brust. Er kommentiert das Geschehen nur mit einem Grinsen und lehnt sich zurück. Mistkerl. Er wartet ab. Er hat es kommen sehen.

"Was bildest du dir eigentlich ein, so etwas einfach so ohne mich zu beschließen?", brause ich auf.

Aus seiner Mimik spricht scheinheilige Unschuld. "Was meinst du mit so etwas?"

Wütend zische ich und verstärke den Druck meines Fingers. "Du weißt ganz genau, wovon ich rede, also hör auf, den Unschuldigen zu mimen!"

Träge legt er den Kopf schief und sieht mich einfach nur stumm an. Mistkerl. Mistkerl. Mistkerl. Er will unbedingt, dass ich es ausspreche. "Du hast nicht das Recht, einfach so zu bestimmen--"

Ich werde von ihm unterbrochen. Innerhalb eines einzigen Augenblicks hat er den Spieß umgedreht und ich bin es, die bewegungsunfähig an die Wand genagelt da steht. Nur hält er mit einer Hand meine Handgelenke über meinem Kopf fest, tritt so nahe an mich heran, dass ich null Bewegungsfreiheit besitze und hebt mit der anderen Hand mein Kinn an, sodass ich gezwungen bin, ihm in die Augen zu sehen.

Zu gerne würde ich ihm mein Knie zwischen die Beine rammen, aber dafür steht er zu dicht an mir. Aus seinen Augen spricht pure Härte, als er tief in meine blickt. "Meine liebe Snow", schnurrt er, und bei seinem grollenden Tonfall stellen sich mir alle Härchen auf, "du scheinst ja geradezu versessen darauf zu sein, dass ich dich ständig daran erinnere. Du hast deine Rechte allesamt verloren, in dem Moment, in dem dein Vater beschlossen hat, dich von sich zu stoßen. Ich besitze sehr wohl das Recht, mit dir zu tun und zu lassen was auch immer ich will und du verdankst es einzig und allein mir, dass nicht einer der anderen Adeligen da unten dich erworben hat - oder sich gerade bei diesem Abendessen an dir vergriffen hätte."

Vor meinen Augen blitzt wieder das Bild auf, wie sie ihre Pranken an den zierlichen Körpern der Tänzerinnen hinabgleiten lassen... und mir wird kotzübel. Ich hasse Lucien dafür, dass er diesen Trumpf ausspielt. Er ist ein kluger Stratege. Er hat mich absichtlich allein gelassen, damit ich deren Verhalten sehen konnte. Damit er dieses Ass besitzt. Ich kann mich nur wiederholen: Er ist ein Mistkerl.

Nach seinen harten Worten herrscht eisiges Schweigen zwischen uns. Um seine Worte zu unterstreichen ist er mit seinem Gesicht ein Stück näher an meines herangerückt und ich spüre seinen warmen Atem an meinen Lippen.

Ich muss mich stark zusammenreißen, damit mein Körper nicht nachgibt. Die Wärme, die er ausstrahlt... diese verfluchte Wärme... ist so angenehm. Ich verspüre das Bedürfnis näher zu rücken und mich wie eine Katze vor einem warmen Kamin zu strecken. Allein seine Berührung wärmt mich bis in mein Innerstes.

Ich stehe kurz davor, dass jeglicher Widerstand Lucien gegenüber in mir bröckelt. Selbst bei Ice habe ich immer noch einen Wall gehabt, der mich geschützt hat, aber selbst dieser steht kurz davor unter Luciens Wärme zu schmelzen. Seine Augen weiten sich ein wenig, als er seinen Blick tiefer gleiten lässt - zu meinen Lippen.

Verdammt. Ich darf nicht aufgeben. Ich darf nicht zulassen, dass er mich in seiner Hand hat. "Lucien", flüstere ich leise und ich merke, wie sich auch auf seinem Körper alle Härchen aufstellen, "du bist ein eitles A-"

Wieder werde ich von ihm unterbrochen. Eigentlich ist mein Plan  gewesen, ihn derart zu überrumpeln, dass ich mich aus seinem Griff winden und ihm die Tür meines Zimmers vor der Nase zuschlagen kann, sobald ich sie erreicht habe. Ich wollte die Stimmung zerstören.

Aber er ist mir einen Schritt voraus - mal wieder. Seine warmen Lippen auf meinen zu spüren ist das Letzte, das ich erwartet habe. Ein angenehmes Kribbeln breitet sich an der Stelle aus und ich gebe mir Mühe, meinen Widerstand so gut es geht aufrecht zu erhalten. Aber - Himmel! Ihn so nahe zu spüren... es fällt mir schwer, meine eigenen Gedanken zu entschlüsseln.

Zu spät merke ich, dass er mich unauffällig bis vor die Tür bugsiert hat, während ich vollkommen durch den Wind war. Ich fühle sein Grinsen an meinem Gesicht, als er mich plötzlich ins Zimmer stößt, mir die Tür vor der Nase zuknallt und einen Schlüssel im Türschloss dreht. "Gute Nacht!", ruft er mir durch die Platte zu und obwohl er sich Mühe gibt, dass man nur das Lachen in seiner Stimme hört, fällt mir der atemlos grollende, hungrige Unterton auf.

Burning IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt