Fünfzig

386 26 0
                                        

Ein Sturm bricht los. Um mich herum explodiert er, schreit meinen Schmerz, meine Trauer, meine Wut heraus.

Über mir blitzt und donnert es, um mich herum tost und braust der Wind, der Frost, das Eis, unser Eis, es explodiert in tausenden Flocken und Kugeln und vereint sich mit dem Wind, vereint sich mit dem Brausen und Tosen.

Du

bist

tot

,

du

bist

tot

,

du

bist

tot

,

du

bist

.

.

.

Ich breche zusammen. Vergrabe das tränennasse Gesicht in den Händen. Um mich herum verwandelt sich die saftige, sommerliche Landschaft in ein trostloses, reines weiß, in ein weiß, das den Tod symbolisiert. Weiß ist die Farbe des Todes - eine reine, pure Farbe. Eine leere Farbe.

Leer. So ist dieser Platz in mir, in meiner Seele, in meinem Herzen, dieser Ort, in dem du immer warst, Ice, in dem du mich immer begleitet hast. Du warst immer bei mir. Und jetzt bist du tot, während ich lebe.

Du hast immer und immer wieder mit ansehen müssen, wie man mich gequält, gefoltert und gedemütigt hat, du hast meinen Schmerz wie deinen eigenen empfunden. Und doch hast du dich immer geweigert, aufzugeben. Hast immer rebelliert. Gegen Vater. Gegen seine zweite Frau. Gegen unsere ältere Schwester, Iane- Lilliane. Gegen die Soldaten. Gegen die Gesetze. Gegen die ganze gottverdammte Welt hast du rebelliert. Und jetzt bist du tot, während ich lebe.

Du wolltest eine Armee aufstellen. Du wolltest Vater vom Thron stürzen, das Volk befreien, die Gesetze überarbeiten, eine neue Welt erschaffen. Ich habe dich immer gefragt: Warum?

Weil es das einzig Richtige ist - für alle, lautete deine immer währende Antwort. Und weil Kinder wie du es verdient haben, eine bessere Welt zu erleben.

Und jetzt bist du tot, während ich lebe.

Es ging immer darum, dich unter Kontrolle zu halten, dich zu Taten zu zwingen, dich der Öffentlichkeit zu präsentieren, dich auf den Thron vorzubereiten. Wieso bist du es, der getötet wurde? Wieso lebe ich noch und nicht du, Ice? Ich war doch nur das Druckmittel, mit dem man dich erpressen konnte. Ich war doch nur das Spielzeug, der Boxsack, das Hilfsmittel, das Werkzeug. Wieso bist du tot, während ich lebe?

Stille. Diese gottverdammte, allesumfassende...

Ich senke die Hände. Ich lasse meine Tränen versiegen. Ich lasse den Wind ein wenig abflauen. Ich lasse den Schnee langsamer fallen. Ich erhebe mich langsam. Mein Körper zittert nicht.

Mein Körper ist taub. Mein Körper schmerzt.

Mein Körper ist leer. Mein Körper ist voller Wut.

Mein Körper ist schwächlich. Mein Körper ist robust.

Aber diese Stille in meinem Kopf... Da ist nur Stille. Kein Schrei, keine Kampfansage. Nur Stille.

Mein Blick ist fest auf die Flammen gerichtet, auf den verkokelten Körper, der an dem Holzbalken befestigt ist. Auf den Scheiterhaufen, der vollkommen in Flammen steht.

Burning IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt