Am nächsten Nachmittag ist die Stimmung im Wagen bedrückend. Keine von uns hat eine Ahnung, weshalb unser Verkauf hinausgezögert wurde. Aber es ist nicht nur die Unsicherheit; gegen die würden wir noch ankommen, das habe ich die Mädchen ja gelehrt. Es sind die Kopfschmerzen und der Muskelkater, die unsere Laune nach unten ziehen, denn die Nacht haben wir auf dem harten Holzboden des kleinen Wagens verbringen müssen, in dem nicht gerade die besten Luftverhältnisse herrschen, da man die Ausgänge verriegelt hat und wir somit zu siebt auf engem Raum dieselbe Luft atmen mussten.
Zudem machen der Hunger und der Durst uns zu schaffen. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt etwas gegessen habe. Auf dem Schiff hat man uns zwar regelmäßig denselben Fraß vorgesetzt, aber Freedom und ich haben Tage draußen verbringen müssen, bei stürmischer See. Da haben wir nichts bekommen.
Nichtsdestotrotz ermutigen Freedom und ich uns die ganze Zeit über gegenseitig und durch unsere positiven Worte beißen auch die anderen Fünf die Zähne zusammen und halten durch. Nach einer ewig langen Verzögerung hält der Moderator dann wieder seine Rede, bei der ich mich langsam frage, ob man einen Rekorder irgendwo versteckt hat, der ein und dieselbe CD immer und immer wieder abspielt - oder wie auch immer dieses eigenartige Gerät funktioniert, von dem mir Ice erzählt hat. Er hat es damals nach einem Gefecht an der Front bei einem toten solischen Soldaten gefunden, und ist von einem Spion aufgeklärt worden.
Schließlich ist es so weit. Nur Freedom und ich sind geblieben und ich merke, wie ihre Nervosität immer weiter ansteigt. Aber anstatt uns nach Zahlen aufzurufen, so wie bei den anderen, fängt der Moderator an, Namen zu nennen - und meiner fällt zuerst. Die Überraschung sitzt uns Beiden noch in den Knochen und wie benommen schiebe ich langsam den Vorhang zur Seite. Dahinter erwartet mich eine provisorische Bühne, eher eine leicht erhöhte, runde Gesteinsplatte.
Während ich neben dem Mann zum Stehen komme, der die Ketten, die meine Handgelenke umschließen, festhält, und mich unzählige Augenpaare wegen meiner Haare gierig anstarren, starre ich in die Leere. Wieso der plötzliche Wandel? Zuerst wurde die Auktion verschoben und dann ändert er auch noch die Strategie des Aufrufens. Er verfolgt einen Plan, eine Absicht, und sie hat etwas mit dem zu tun, dass der Mann am Vortag ihm ins Ohr geflüstert hat - das weiß ich. Und das macht mich unruhig.
Zwei Gestalten in der Menge erregen schließlich doch meine Aufmerksamkeit: Beide tragen sie Kapuzen, beide eine andere Farbe, beide stehen sie so weit voneinander entfernt, wie es nur geht und beide starren sie mich an. Bei beiden kann ich das Gesicht nicht erkennen, aber ich spüre den brennenden Blick, der von beiden ausgeht.
Die Gestalt rechts trägt einen dunkelroten Mantel mit passender Kapuze, die tief ins Gesicht gezogen worden ist. Dem Körperbau nach handelt es sich um einen gut trainierten Jungen meines Alters, seine Haltung verströmt Autorität und Selbstbewusstsein. Er ist einer der Letzten, die bieten und er treibt den Preis immens in die Höhe. Innerhalb von Sekunden hat er für mich um einen fünfstelligen Betrag geboten und damit so ziemlich alle Anderen potenziellen Käufer übertrumpft.
Der Einzige, der noch weiterhin mitmacht, ist der zweite Junge. Seine Haltung verströmte ebenfalls Autorität und Selbstbewusstsein, allerdings auch eine gewisse Zurückhaltung. Er erinnert mich an einen starken, unerschrockenen Krieger. Auch er scheint in meinem Alter zu sein und sein Mantel... Es fühlt sich an, als würde mein Herz für einen Moment stehen bleiben. Seine Kapuze, sein Mantel, ist schneeweiß mit goldenem Aufstick. Ich kenne diesen Mantel. Kenne ihn nur zu gut. Mit einem kleinen Nicken, lediglich ein Neigen des Kopfes, gibt er mir zu verstehen, dass ich Recht habe...
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Burning Ice
Fantasy↬Wenn Feuer und Eis einander begegnen...↫ ...Wie ein Kaninchen drängt er mich rückwärts an die Wand. Er hält meine Handgelenke über meinem Kopf fest und nagelt mich förmlich an Ort und Stelle. "Nie wieder", knurrt er. In seinen Augen leuchtet die Wu...