Zwölf

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[Der Einzige, der noch weiterhin mitmacht, ist der zweite Junge. Seine Haltung verströmte ebenfalls Autorität und Selbstbewusstsein, er erinnert an einen starken Krieger. Auch er scheint in meinem Alter zu sein und seine Kapuze... Es fühlt sich an, als würde mein Herz für einen Moment stehen bleiben. Seine Kapuze, sein Mantel, ist schneeweiß mit goldenem Aufstick. Ich kenne diesen Mantel. Kenne ihn nur zu gut. Mit einem kleinen Nicken, lediglich ein Neigen des Kopfes, gibt er mir zu verstehen, dass ich Recht habe...]

Die Auktion wird lediglich noch von den Beiden Jungen in die Länge gezogen. Die anderen Menschen, die geboten haben, starren nur noch mit großen Augen von einem zum anderen. Ich meine den Moderator bereits sabbern zu sehen, als der Preis vom fünfstelligen Bereich plötzlich in den siebenstelligen springt. Die Menschen, die nur noch zusehen, sind alle einen Schritt zurückgegangen und haben somit einen Gang zwischen den beiden Bietenden freigeräumt. Kurz werfen sie sich konkurrierende Blicke zu. Beide sehen sie aus, als würden sie mit den Zähnen knirschen und nicht nachgeben wollen. Auf eigenartige, und doch faszinierende Weise, wirken sie absolut konträr zueinander.

Mit einem Ruck zieht der Junge mit dem roten Umhang einen Trumpf aus seinem Ärmel: Er schlägt die Kapuze zurück und lässt zu, dass man sein Gesicht sieht. Lautes Gemurmel erhebt sich, gemeinsam mit einigen Aufschreien, in der Menge. Der Junge hat feuerrote Haare, rotbraune Augen und eine golden gebräunte Haut. Wieder fühlt es sich an, als würde mein Herz einen Schlag aussetzen. Denn dieser Junge ist nicht irgendwer. Er ist ein Feuergeborener. Und dem Gewisper der Menschen zu entnehmen handelt es sich bei ihm um den Prinz Sols, Lucien Goldlöwe.

Daher also die Verschiebung um einen Tag. Der Prinz hat spontan gehört, dass eine Eisgeborene zum Verkauf steht, hat aber am Vortag keine Zeit gehabt. Daher hat er einen Boten losgeschickt, der dem Moderator ins Ohr geflüstert hat, dass der Prinz am nächsten Nachmittag mit Freuden erscheinen würde und der Sklavenhändler hat darin seine Chance gesehen, Reichtum anzuhäufen. Widerwärtig.

Mein Blick fliegt zum zweiten Jungen. Sein Körper ist verkrampft, seine Hände zu Fäusten geballt. Ich spüre die Luftveränderungen, bevor sie sichtbar werden. Panik schießt durch meine Adern und ich merke - ich muss schnell handeln, bevor es zu spät ist. Zischend zerre ich an der Kette, die mich an Ort und Stelle hält und lasse dabei den noch verhüllten Jungen nicht aus den Augen. Der Mann, der mich festhalten sollte, ist momentan ohnehin schon in seinen Traumwelten, in denen er sich ein schönes Leben in Luxus ausmalt. Aber trotzdem will die Kette nicht weichen.

Kleine Tränen der Verzweiflung schießen mir in die Augen. Mir bleibt keine Wahl, so schnell komme ich hier nicht weg. Ich muss die Bombe platzen lassen und beten, dass keiner den verborgenen Zusammenhang erkennt. "Tu es nicht, Ice!", brülle ich aus voller Kehle. Lucien, der mit herausforderndem Grinsen in die Menge gestarrt hat, wirbelt mit großen Augen herum und sein Blick fliegt von Ice zu mir, aber darum kann ich mich gerade nicht kümmern. Ice sieht immer noch nicht zu mir hoch, sondern starrt fest auf den Prinzen.

Aus meiner Panik heraus gefrieren die Ketten, die mich halten, und endlich, endlich bin ich frei. Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken springe ich von der Gesteinsplatte und stürme auf meinen Zwillingsbruder zu.

Burning IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt