Siebzehn

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Wie ein eingesperrtes Tier laufe ich von einer Seite des Raumes zur Anderen auf und ab.

Knapp drei Stunden ist es  nun her, dass Lucien mit abwesendem Gesicht und ohne mich noch eines einzigen weiteren Blickes zu würdigen mein neues Zimmer verlassen hat. Nachdem er derart reglos meinen von Narben geprägten Körper betrachtet hat und ich mich hinter ihm auf einen Stuhl habe fallen lassen, hat er ganze drei Minuten gebraucht, um sich wieder so weit zu fassen, um sich von Ort und Stelle zu rühren. Kaum hat er die Türschwelle passiert, habe ich nicht länger ruhig sitzen können. Seitdem tigere ich herum.

Innerlich verfluche ich Lucien dafür, dass er mich mit dieser Ungewissheit zurücklässt. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich mich zu verhalten habe und welche Position ich nun inne habe, aber ich schätze mal, dass ich den Rang einer besseren Sklavin erhalten habe. Wenn ich allerdings die Ausstattung des Raumes betrachte, dann fällt mir durchaus auf, dass es sich hierbei um einen verdammt teuren Raum handelt. Ein solches Zimmer könnte für eine Prinzessin genügen; besitzen wirklich alle höheren Sklavinnen derartige Räume?

Ich schüttele den Kopf. Viel wichtiger ist ohnehin die Frage, was nun geschehen wird. Werde ich die Böden schrubben müssen, oder werde ich das Bett eines Mannes wärmen müssen? Bei dem Gedanken daran, Luciens Bett wärmen zu müssen, erfasst mich eine Hitze, die mir vollkommen fremd ist und die ich davor noch nie vernommen habe. Besser, ich bereite mich auf das Schlimmste vor. 

Wie gerufen stürmt eine Frau durch die doppelflügige Tür herein. Ihre Haut ist dunkel, ihre Haare noch dunkler, und ihre Augen glitzern pechschwarz. Na, wenn das keine Steigerung ist. Ihre Züge sehen exotisch aus, aber den Falten um Augen und Mund entnehme ich, dass sie nicht mehr ganz so jung ist wie es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Ohne sich vorzustellen schließt sie genauso energiegeladen die Türen hinter sich, wie sie hereingeplatzt ist, und umkreist mich anschließend wie ein Adler seine Beute. Währenddessen starre ich sie nur stumm mit hochgezogenen Augenbrauen an; wer ist sie?

Deutlich schnalzt sie mit der Zunge und wirbelt zu einer anderen Tür des Zimmers herum. Für einige Sekunden verschwindet sie im dahinterliegenden Raum, dann kommt sie, die Arme verhangen mit Kleidern, zurück und hält eins nach dem anderen probeweise vor meinen Körper.

Ihr Verhalten und ihr plötzliches Auftreten verwirren mich. Für mich kommt all das ein wenig zu schnell und es scheint auch so, dass die Verhaltensregeln in Sol anders als in Luna sind, denn bei uns klopft man sittsam erst einmal an, bevor man ungebeten hereinstürmt. Außerdem scheint sie kein bisschen Angst mir gegenüber zu verspüren, was ebenfalls eine starke Veränderung für mich ist. Ich bin nur die ängstlichen und sabbernden Blicke der Menschen, die mich nicht gut genug kannten, um mich herum gewöhnt. Genau darauf spreche ich sie auch an.

Für einen Moment hebt sie den Blick zu meinen Augen, als würde sie eine Weile brauchen, bis sie begriffen hat, dass ich mit ihr spreche. "Wieso sollte ich Euch fürchten? Meine Mutter ist eine Erdgeborene, meine Tochter ebenfalls eine Elementgeborene. Nur, weil eure Talente nach außen hin sichtbar sind, bedeutet das nicht, dass ihr Unmenschen seid. Ihr seid wie jeder andere auch nur ein Mensch mit einer Begabung - wenn man von Rang und Titel absieht, die Andere einem geben."


Burning IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt