[Bis schließlich etwas meine Ruhe stört. Denn eines Tages finde ich eine atemlose, zerknirschte Kiki in meinem Zimmer, in ihrem Blick kein Hinweis darauf, was mich erwartet.]
Ich werde vor den König zitiert. Das ist das Erste, das sie mir mitteilt. Kein Lächeln, kein Grinsen, keine Regung. Nur ein angespannter Blick.
Ich werde vor den König zitiert. Aber nicht in den Thronsaal oder in sein Beratungszimmer, nein, in seine privaten Gemächer. Dass etwas nicht stimmt, ist mehr als deutlich.
Während Cheri und ich durch die Gänge eilen, werden mir viele mitleidige Blicke von den Bediensteten zugeworfen. Die Adeligen grinsen nur höhnisch, ein sadistisches Funkeln in den Augen.
Vor der finalen Tür drückt Cheri kaum merklich meinen Arm. Viel Glück, scheint sie sagen zu wollen, du wirst es brauchen. Nicht gerade beruhigend. Aber trotzdem straffe ich die Schultern, hebe das Kinn an, lasse meine geballten Fäuste in den Falten meines schlichten, weißen Kleides verschwinden. Laut und deutlich klopfe ich an die Tür an und warte auf das Herein.
So selbstbewusst wie ich kann, schiebe ich die Tür auf und betrete das prachtvolle Zimmer. Der König sitzt hinter seinem Schreibtisch, zurückgelehnt, die Finger vor dem runden Bauch ineinander verschränkt. Einen zweiten Stuhl gibt es nicht - eine Methode, es dem Gegenüber noch unangenehmer zu machen. Na vielen Dank auch.
Während ich die ausbrechenden Erinnerungen einzeln zurück in das dunkle Zimmer meines Geistes sperre, wende ich das Wort an den König. "Ihr habt mich gerufen?", frage ich mit fester Stimme, ohne den Hauch eines Zitterns. Ich setze ein gewinnendes Lächeln auf, ganz in der Rolle, die ich bei Hofe immer spiele.
Er erwidert das Lächeln frostig und ich bekomme Gänsehaut. "Gefällt Euch das Leben bei Schloss?", eröffnet er das Gespräch. Keine Antwort auf die stumme Frage meinerseits, aber das war ich bereits mehr oder weniger gewohnt.
"Euer Schloss ist sehr prächtig, Eure Majestät", erwidere ich glattzüngig, ganz die Untergebene Hofdame.
"Ist es das?", stellt er die Gegenfrage. Sein Blick ist durchdringend und stechend - er durchschaut die Maske, die ich aufgesetzt habe. Hat sie vielleicht schon längst durchschaut. "Ihr seid eine geschickte Lügnerin, Lady. Oder sollte ich eher sagen - Prinzessin Snow von Luna?"
Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, aber ich bleibe aufrecht stehen. "Ich verstehe nicht ganz", versuche ich mich wenig überzeugend herauszureden. Mein Lächeln gerät ins Wanken.
"Oh, Ihr versteht mich ausgezeichnet. Ein guter Freund von mir hat von Eurer Ankunft berichtet, von dem Moment an, in dem Ihr mein Land betreten habt. Ihr habt es geschickt eingefädelt - meinen Sohn geschickt um den Finger gewickelt und die Bediensteten für Eure Sache gewonnen. Ihr habt unseren Hof unterwandert, von der Sekunde an, die Ihr hier eingetroffen seid", schildert er hasserfüllt. Er spuckt die Worte regelrecht aus und lässt seine Maske fallen. Schnaubend versucht er mich niederzustarren.
Also lasse auch ich meine Maske fallen. Kalt starre ich zurück, weiche keinen Millimeter zurück. Nur ein Blinzeln zeigt meine Überraschung. Ich solle Lucien um den Finger gewickelt haben? So weit ich mich erinnere, war er derjenige, der mich auf einem Sklavenmarkt gekauft und hierher verschleppt hat - ohne mein Zutun. Und die angebliche Unterwanderung des Hofes... Es war mehr ein Akt der Barmherzigkeit, denn ein politisches Manöver gewesen. Die Politik interessiert mich nicht - hat sie nie. Ich bin kein Stratege wie mein Vater und auch kein Krieger wie Ice. Ich bin ich - mehr gewöhnliche Bürgerin als Prinzessin.
Das alles könnte ich dem König erzählen. Könnte buchstäblich vor ihm Kriechen, meine Motive offenlegen, mit offenen Karten spielen. Aber das würde ich nicht. Nie wieder. Nie wieder würde ich vor jemand anderem als mir selbst das Haupt senken.
Ich lasse es ihn sehen. Lasse ihn den Trotz in meinem Blick sehen, den Stolz. Ich habe Jahre voller Folter ertragen und mein Geist ist ungebrochen. Die Erinnerungen und Narben bleiben, ja, aber mein Geist heilt. Schon jetzt sind jene Taten kaum mehr als Schatten, die mich in meinen Träumen heimsuchen. Und irgendwann werde ich sie völlig überwunden haben.
Der König findet sein Lächeln wieder. Es ist breiter als zuvor. Er weiß es. Er weiß jedes noch so kleine Detail über die spezielle Behandlung, die mir jahrelang zuteil geworden ist. Mir wird übel. "Nun gut, wenn du auf die Rolle bestehst, die Verlobte meines Sohnes zu sein...", er zieht die Worte widerlich in die Länge, als überlege er, dabei hat er seine Entscheidung schon längt getroffen, hat den Plan gemeinsam mit den anderen Adeligen geschmiedet, "dann sollten wir auch sicher gehen, dass du in der Lage bist, seine Geheimnisse für dich zu behalten. Gleich morgen werden wir dein Durchhaltevermögen testen und dann sehen wir ja, Prinzessin, wie viel von deiner Frechheit überlebt."
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Burning Ice
Fantasy↬Wenn Feuer und Eis einander begegnen...↫ ...Wie ein Kaninchen drängt er mich rückwärts an die Wand. Er hält meine Handgelenke über meinem Kopf fest und nagelt mich förmlich an Ort und Stelle. "Nie wieder", knurrt er. In seinen Augen leuchtet die Wu...