Mit einem kleinen Lächeln streiche ich über die Röcke des Kleides, für das ich mich entschieden habe und drehe mich noch einmal um die eigene Achse vor dem großen Spiegel in meinem Zimmer. Den Namen der Frau habe ich noch immer nicht erfahren, aber sie hat sich zufrieden wieder zurückgezogen, nachdem ich mich für einen bestimmten Aufzug entschieden habe.
Ein lautes Klopfern ertönt, dann wird die Tür geöffnet. Aber ich höre keine sich mir nähernden Schritte. Überrascht drehe ich mich um und ziehe geräuschvoll Luft in meine Lungen ein.
Es ist Lucien, der da im Türrahmen steht und mich mit mindestens genauso großen Augen betrachtet wie ich ihn. Er trägt einen derart dunkelroten Anzug, dass er beinahe schwarz wirkt, seine feuerroten Haare hat er ordentlich zurückgekämmt und im Vergleich dazu, wie er ausgesehen hat, als ich ihn zuletzt gesehen habe, sieht er nun ziemlich erfrischt aus.
Mein Lächeln kehrt zurück und wird breiter, als ich bemerke, dass er seinen Blick von mir nicht abwenden kann. Nennt es Eitelkeit, aber ich mag die Aufmerksamkeit, die er mir gerade schenkt. Wie er mich fasziniert von Kopf bis Fuß betrachtet. Wie sein Blick von meinem silberweißen, halb hochgesteckt, halb offen herunter fallenden Haar hinüber gleitet zu dem leisen Hauch an Schminke, den ich zugelassen habe - die Frau hat mir eine halbe Tonne ins Gesicht klatschen wollen, aber ich habe mich eisern geweigert und nur dem Eyeliner und Rouge zugestimmt -, tiefer zu dem schlichten, eisblauen Kleid, das bis zu meiner Taille eng anliegt und dann in einem weiten Rock mit seidenem Stoff und in mehreren Schichten zu Boden fällt, mit den lockeren Ärmeln, die durchsichtig sind und lediglich von Seidenbündchen an meinen Handgelenken festgehalten werden.
Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, bis er langsam die Hand von der Türklinke nimmt und sich aufrichtet. Anscheinend hat Lucien sich wieder gefasst, denn nachdem er sich einmal geräuspert hat, kehrt sein unerträgliches Grinsen zurück und der schöne Moment ist dahin. "Man erkennt eindeutig, dass du dir selbst ein Kleid ausgesucht hast", neckt er mich, "denn Cheris Handschrift sieht anders aus. Mit weit mehr Juwelen und Glanz und autoritärer Ausstrahlung."
Schnaubend verschränke ich mit einem kleinen Lächeln die Arme vor der Brust. "Dabei warst du es doch, der seinen Blick gar nicht von mir losreißen konnte." Zu meinem großen Vergnügen wird er ein klein wenig rot. Es ist dem feinen Herrn also zumindest ein klein wenig peinlich, dass er dabei ertappt wurde. Wie ironisch, dass er diese Scham nicht gezeigt hat, als er mich nackt gesehen hat.
"Du brauchst gar nicht so unschuldig zu tun, Flöckchen, denn ich habe genau gesehen, dass du mich mindestens genauso lange betrachtet hast", kontert er wenig gelungen. Immerhin ist sein Selbstbewusstsein zurück und er grinst wieder. Das passt eher zu ihm als der intime Ausdruck zuvor, denn der hat beinahe eine seltsame Stimmung zwischen uns ausgelöst und darauf kann ich bei all den Umstellungen derzeit gut und gerne verzichten.
Mit geradem Rücken und erhobenem Kinn stolziere ich auf ihn zu. "Müssen wir nicht so langsam los?" Zustimmend nickt er und bei dem Gedanken an das mir bevorstehende Abendessen zieht sich mein Magen zusammen. Ich werde angestarrt werden. Ich hasse es, im Mittelpunkt zu stehen. Aber ich werde angestarrt werden. Und ich werde nichts dagegen tun können. Bitte steh mir geistig bei, Ice.
Während er mir wie ein Gentleman den Arm zum Unterhaken reicht, lächelt Lucien wissend und seine Augen funkeln belustigt. Er wird sich sicherlich köstlich darüber amüsieren können, wie hilflos ich mich verhalten werde.
Und wieder fühle ich mich, als würde ich einen Teil meiner Vergangenheit zurücklassen, als ich mit ihm an meiner Seite über die Türschwelle trete, der Ungewissheit entgegen. Ganz so wie an dem Tag, an dem ich mich indirekt von Freedom verabschiedet habe.
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Burning Ice
Fantasy↬Wenn Feuer und Eis einander begegnen...↫ ...Wie ein Kaninchen drängt er mich rückwärts an die Wand. Er hält meine Handgelenke über meinem Kopf fest und nagelt mich förmlich an Ort und Stelle. "Nie wieder", knurrt er. In seinen Augen leuchtet die Wu...