Achtundvierzig

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Wir reisen in unbarmherzig schnellem Tempo. Ich habe es wohl nur Cheri zu verdanken, dass meine Füße noch heil sind - denn sie hat mir ihre Stiefel überlassen, bevor sie mit Freedom geflüchtet ist. Mit Lucien war es kein Problem gewesen, barfuß zu gehen. Er war zwar ebenfalls schnell gereist, aber er hatte auch Rücksicht auf mich genommen - bis zu einem bestimmten Grad.

Wäre ich mit den beiden Soldaten gereist, ohne Stiefel zu tragen, wären meine Füße jetzt wohl nur noch blutige Stümpfe. Den ganzen Weg über muss ich den Schein wahren, muss so tun, als wäre ich ungelenk, langsam, widerborstig und panisch. Als wäre ich in tiefer Verzweiflung.

Wann immer der Berg neben mir einen Blick auf mich wirft, lasse ich Tränen über meine Wangen laufen. Tränen, die ich nicht wegwische.

Mit Lucien habe ich eine einfache List anwenden können - mein Eis ist bei seiner Hitze sofort geschmolzen und hat so Tränen kreiert. Hier denke ich einfach nur die gesamte Zeit über an die Freude, dass Cheri mich nicht verabscheut - wobei ich das noch genauer in Erfahrung bringen muss, denn sie war im Palast sehr überzeugend gewesen - und Freedom frei ist, ebenfalls ganz ohne Hass auf mich. Es sind Freudentränen, die ich hier missbrauche.

Erst, als wir in der Nacht Halt machen, ein Feuer entfachen und meine Fesseln zumindest so weit gelockert werden, dass ich den halben Laib Brot alleine essen kann, beginnen die Gespräche.

Ganz die Unterwürfige, die alle Hoffnung auf Freiheit nach einem anstrengenden Tag verloren hat, senke ich den Blick und esse stumm, während ich den Gesprächen der beiden Soldaten lausche. Sie unterhalten sich leider nur über Unwichtiges: den Fischfang, die letzte Jagd, die schönste Braut, der neueste Klatsch und Tratsch. Alles nutzlose Fakten.

Nach dem Essen lege ich mich einfach auf den Boden, rolle mich zu einer Kugel zusammen, vergrabe das Gesicht an den Knien und schließe die Augen. Ich lasse meinen Atem ruhiger und gleichmäßiger werden, ich lasse zu, dass sich mein Körper entspannt, ich blende die piksenden Zweige unter mir, den harten Waldboden und die Hitze vom Feuer aus, das mir den Rücken wärmt. Und dann richte ich alle Sinne auf die beiden Männer hinter mir, die die wichtigen Fakten leise miteinander austauschen.

"Dieser Mistkerl von Prinz ist mindestens genauso schlimm wie sein Vater", murmelt der Berg. "Sadismus, Arroganz und Kaltschnäuzigkeit liegen wohl im Blut."

Der andere Soldat flüstert leise eine Bestätigung. Im Gegensatz zu dem Berg erscheint er mir weichlich und unsicher. "Aber was geschieht mit den beiden Zwillingen? Was planen die Könige?"

Ich gebe mir Mühe, weiterhin ruhig zu sein, weiterhin entspannt und schlafend. Ich zwinge mein rasendes Herz zur Ruhe, auch, wenn ich das Gefühl habe, ich kriege nicht genug Luft. Ich habe das Gefühl, ich ersticke.

Zwillinge.

Könige.

Ich bete innerlich, dass es nicht das bedeutet, was ich denke, dass es bedeutet.

 "Diese Fragen solltest du nicht stellen", erwidert der Berg mit einem deutlichen Schaudern in der Stimme. "Gut kann es mit den Beiden aber nicht ausgehen. Zert meinte, in den Kerkern würde man jeden einzelnen Tag Schmerzensschreie hören. Er war nur ein einziges Mal da unten, um dem Gefangenen seine Ration zu bringen. Ich habe ihn noch nie so schnell wieder hoch rennen sehen und danach hat er sich stundenlang übergeben. Er weigert sich seitdem, sein Zimmer zu verlassen", raunt der Berg leise.

Alle Härchen meines Körpers stellen sich auf. Zu meinem Glück kann man das auf die Kälte der Nacht schieben. Auch, wenn mir aus einem ganz anderen Grund eiskalt ist.

Der weichherzige Soldat schluckt laut. Ich spüre förmlich, wie sein Blick auf die Narben fällt, die man unter meinem seidenen Anzug hervorragend sehen kann. Und auf das Wort, das man in meinen Rücken gebrannt hat. Verbannt. "Warum tut man ihr so etwas grausames an? Warum tut es ihr eigener Vater? Sie ist doch noch ein Kind. Sie ist es doch, die uns als Einzige gesehen, die uns wahrgenommen hat, als es sonst niemand getan hat", murmelt er.

Burning IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt