Sechzehn

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"Du willst dass ich was mache?", frage ich fassungslos und verschränke die Arme vor der Brust.

Lässig stemmt Lucien eine Hand in die Hüfte und lehnt sich mit einem kleinen Grinsen an den Türrahmen des prachtvoll eingerichteten Raums, in dem er mir eröffnet hat, dass ich hier leben werde. "Ich will, dass du dich ausziehst und mir deine Narben zeigst", wiederholt er seine Aufforderung. Zu Anfang hat er noch ernst ausgesehen, aber nun, da er sieht wie sehr mir diese Aufforderung gegen den Strich geht, kann er sich eines Grinsens nicht erwehren.

Empört imitiere ich seine Pose und schnaube. "Wieso sollte ich?", frage ich provokant, wobei es eher ein Zischen ist.

Sein unerträgliches Grinsen wird breiter. "Weil du ab jetzt offiziell gesehen mir gehörst und ich doch wissen will, wie viel Schaden mein Eigentum in der Vergangenheit einstecken musste", antwortet er mindestens genauso provokant.

Dieser Prinz macht mich noch wahnsinnig! Er weiß genau, wie wütend mich diese sachlichen Worte machen, daher nutzt er sie absichtlich! Ich bin gerade einmal seit zehn Minuten im Schloss und schon weiß ich nicht, wie ich mit diesem Kerl auskommen soll, ohne ihn irgendwann zu erwürgen!

Als würde er genau wissen was mir durch den Kopf geht, lacht er leise. "Noch ist es zu früh für Mordgedanken, Flöckchen. Und jetzt los, ich bin ein viel beschäftigter Prinz, der heute noch anderes vorhat", fordert er mich auf. "Wobei, eigentlich kann ich mir keinen schöneren Zeitvertreib vorstellen, als dich zum Fauchen zu bringen, Flöckchen."

Ich verenge die Augen zu schmalen Schlitzen. "Wenn du doch so ein vielbeschäftigter Prinz bist, Flämmchen, dann geh und such dir deine Beschäftigung woanders. Und hör auf mich Flöckchen zu nennen", knurre ich.

Überrascht hebt er die Augenbrauen. "Flämmchen? Du findest mich also heiß, Flöckchen? Du kannst mich gerne weiterhin so nennen", grinst er wieder.

Entnervt stöhne ich auf und werfe die Arme in die Luft. Eigentlich habe ich vorgehabt ihn damit zu ärgern, aber dieser Prinz scheint es vor Selbstverliebtheit gar nicht zu merken! Wie beiläufig wirft er einen Blick auf die Uhr, die in der Nähe hängt. Dann stößt er sich von der Wand ab und kommt langsam auf mich zu. "Tick, Tack, die Zeit läuft und da du keine Anstalten machst so schnell aufzugeben...", er weiß genau, dass ich in der Falle sitze, denn ich stehe in einer der Ecken des Raums, weil ich möglichst weit weg von ihm habe stehen wollen, "...muss ich wohl ein wenig nachhelfen."

Ich weigere mich auch nur einen Schritt nach hinten zu machen und somit zuzulassen, dass er mich vor sich her treibt, aber die Tatsache, dass er mit einem breiten Grinsen und leuchtenden Augen auf mich zukommt, ist auch nicht gerade beruhigend. Als würde er mich gar nicht sehen, schiebt er mich einfach immer weiter nach hinten, bis ich mit dem Rücken zur Wand stehe. Ich hasse es, dass er einen Kopf größer als ich ist, obwohl er in Sol geboren worden ist und daher eigentlich hätte kleiner sein müssen als ich!

Während er mir die Fluchtwege versperrt, indem er rechts und links von mir seine Arme abstützt, kommt er mir immer näher und die Wärme, die sein Körper aufgrund seines inneren Feuers verströmt, hüllt mich ein und verschmilzt mit der Kälte, die von mir abstrahlt. Siegessicher lehnt er seine Stirn gegen meine und bringt mein Herz durch die Nähe zu ihm für kurze Zeit zum Stolpern. Sofort breitet sich ein angenehmes Kribbeln an der Stelle aus an der seine Haut meine berührt, als würde man frierend vor einem Kamin sitzen.

Innerhalb von Sekunden hat er das weiße Männerhemd, das ich noch immer trage, hochgeschoben und lässt seinen Blick über meinen nackten Körper gleiten. Empört und vollkommen rot vor Scham versuche ich, das Oberteil wieder hinunterzuziehen, aber er lässt mir keine Chance. Ich muss einsehen, dass er stärker als ich ist.

Ich weiß, ich weiß - ich wurde zusammen mit anderen Sklaven nackt durch die Straßen getrieben und so gut wie jeder Mensch da draußen hat mich gesehen. Aber es ist doch etwas anderes, wenn ein Prinz plötzlich in einem privaten Raum so eine Unverschämtheit begeht!

Als er die vielen Brandnarben an meiner Vorderseite sieht, zieht er geräuschvoll die Luft mit zusammengebissenen Zähnen ein. Sein Körper verkrampft und für einen Moment erinnert er mich an Ice, der ebenfalls immer diese Reaktion gezeigt hat, wann immer er gemerkt hat, dass ich eine weitere Narbe trage. Ein leises Knurren kommt aus seiner Kehle und seine Augen sprühen Funken, dann hat er sich schnell wieder gefasst und wirbelt mich einfach so mal eben herum, um meinen Rücken sehen zu können.

Es dauert aber wie ich es mir gedacht habe nicht lange, bis er einen Schritt zurücktritt. Und noch einen. Und noch einen. Diese Reaktion ist für mich nichts neues. Denn das Wort, das mir bei vollem Bewusstsein mit glühenden Metallbuchstaben in den unteren Rückenbereich eingebrannt worden ist, löst doch immer dieselbe Schockreaktion aus: VERBANNT.

Grummelnd ziehe ich das Hemd wieder hinunter und wirbele zum Prinzen herum. "Bist du dann mal fertig, meinen Körper ungeniert anzustarren?" Er sieht aus als hätte er einen Geist gesehen. Ich wäre ja an ihm vorbei gestapft und irgendwohin anders gegangen, aber ich kenne mich hier absolut nicht aus und brenne nicht gerade darauf, mich sofort zu verlaufen. Stattdessen stapfe ich an ihm vorbei und lasse mich absichtlich geräuschvoll auf einen Stuhl fallen, während ich mit verschränkten Armen und zusammengepressten Lippen den Rücken eines geschockten Prinzen anstarre.

Burning IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt