Achtzehn

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[Für einen Moment hebt sie den Blick zu meinen Augen, als würde sie eine Weile brauchen, bis sie begriffen hat, dass ich mit ihr spreche. "Wieso sollte ich Euch fürchten? Meine Mutter ist eine Erdgeborene, meine Tochter ebenfalls eine Elementgeborene. Nur, weil eure Talente nach außen hin sichtbar sind, bedeutet das nicht, dass ihr Unmenschen seid. Ihr seid wie jeder andere auch nur ein Mensch mit einer Begabung - wenn man von Rang und Titel absieht, die Andere einem geben."]

Erdgeborene. Elementgeborene. Ich höre zum ersten Mal davon, dass es noch mehr Vielfalt gibt. Ich wusste immer nur von der Existenz der Feuer- und Eisgeborenen. Vielleicht zeigt das, dass ich mir ein bisschen darauf einbilde, ein mächtiges Talent zu haben? Wobei es sowohl Fluch als auch Segen ist. Das werde ich niemals vergessen können.

Nachdem sie meine Frage beantwortet hat, widmet sie sich wieder stumm ihrer Aufgabe. Aber keines der Kleider, die sie ausgewählt hat, scheint ihren Anforderungen zu genügen. Aus dem Augenwinkel werfe ich einen Blick auf den Kleiderhaufen, der sich auf meinem Bett gebildet hat. Unwillkürlich wird mir bei dem Anblick der vielen glitzernden Steinchen schlecht, die in die Kleidungsstücke eingewebt worden waren. Jedes einzelne von ihnen ist ein kleines Vermögen wert.

Räuspernd mache ich wieder auf mich aufmerksam. "Wozu sollte ich etwas derart Teures anziehen?", frage ich vorsichtig. Dem Anschein nach wird von mir zumindest nicht erwartet, irgendetwas sauber zu machen. Dafür wäre der edle Aufzug mehr als unpassend.

Irritiert sieht mich die Frau wieder an und sie stemmt eine Hand in die Hüfte - keines der Kleider, die sie auf ihren Armen hereingetragen hat, hat ihren Test bestanden und somit sind ihre Arme nun frei. "Für das Abendessen der höheren Kreise heute Abend natürlich. Die Herrschaften wollen schließlich erfahren, für welches Mädchen seine Hoheit heute eine wichtige Besprechung hat ausfallen lassen."

Nun bin ich es, die irritiert aussieht. Ich soll bei einem Abendessen der Adligen mitwirken? Was für einen Plan verfolgt Lucien eigentlich? Sobald einer der Herrschaften mich sieht, wird man mich doch sofort hinrichten. Meine Haare sagen mehr als genug über meine Macht aus und man kann die Züge meiner Eltern klar in meinen erkennen. Es wird nicht lange dauern, bis sie verstanden haben, dass ich die Prinzessin ihrer Erzfeinde bin.

"Der Prinz meinte zwar, dass ihr von weit her kommt, aber dass ihr so unwissend seid...", murmelt die Frau leise vor sich hin. Ich spüre, wie sich eine leise Röte über meine Wangen zieht, und gleichzeitig ärgere ich mich darüber. Es ist schließlich nicht meine Schuld, dass ich in Sachen wie Etikette nicht sehr unterwandert bin; mein ganzes Leben war ich immerhin eingesperrt, fort von neugierigen Augen. Und genauso wenig ist es meine Schuld, dass ich nicht weiß, was mich erwartet - Lucien hat mich nicht aufgeklärt!

Ich atme einmal tief durch und beschließe im selben Moment, dass ich Luciens Plan einfach mal folgen werde. Er hat Ice sein Wort gegeben, dass er auf mich achtgibt, und er wirkt auf mich wie jemand, der seine Versprechen hält. Mit mehr Selbstvertrauen, als ich eigentlich besitze, richte ich mich also auf und hebe das Kinn an. "Ich will selbst bestimmen, in welchem Aufzug ich den Herrschaften gegenüber trete."

Burning IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt