Hoffnung?

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,,Saphir, was sitzt Du hier so faul herum, geh runter und mach dich an die Arbeit. In den Minen ist mal wieder einer gestorben. Bruder Verulus ist zu einer Expedition aufgebrochen. Das heißt, Du musst dich darum kümmern. Zeig, dass Du wenigstens nicht ganz so unnütz bist." Alturiel blickte mich fordernd an. Ich seufzte und streichelte ein letztes Mal den Kopf des Hundes. Der Jarl ließ seine zwei Hunde immer frei durch das Schloss laufen. Vielleicht hatte ich niemanden auf zwei Beinen zum Reden, aber die kleinen Vierbeiner hatten noch Liebe für mich. Ich verstand nicht, wieso man es immer animalisch nannte, wenn eine Person negative Eigenschaften an den Tag legte, Tiere waren definitiv freundlicher als die verdorbenen Seelen Himmelsrandes. ,,Komm jetzt" sagte Alturiel ungeduldig und zog mich am Handgelenk hoch. ,,Lasst das, ich bin kein kleines Mädchen mehr!" ,,Saphir, was ich tue oder lasse hab immer noch ich zu entscheiden!" funkelte der Elf mich an. Ich verdrehte nur meine Augen und trottete ihm hinterher. Als wir die Treppe hinuntergelaufen waren, flog die Tür am Ende des Ganges auf und zwei Wachen kamen uns entgegen. Sie hatten einen jungen Mann bei sich, der an den Händen gebunden war. Unsanft schob Alturiel mich beiseite um den Männern Platz zu machen. ,,Ein neuer Gast in den Minen?" höhnte er. ,,Hat einen unserer Wachleute getötet, das Tageslicht wird er nicht mehr sehen. Der Jarl muss nur noch das Urteil sprechen." Im Vorbeigehen schauten mich dien rötlich leuchtenden Augen des Mannes direkt an. Er musterte mich und zwinkerte mir zu. Ich lief rot an und senkte den Kopf, er sah echt nicht schlecht aus, nur musste ich mich langsam daran gewöhnen, als Frau angesehen zu werden. Zu lange war es schon her, dass ich als junges Mädchen hierhergebracht worden war. Die Wachen schubsten den Mann weiter und Alturiel drängte mich zur Tür hinaus. Das helle Tageslicht blendete mich, es war schon wieder einige Tage her gewesen, dass ich nach draußen durfte. Tief atmete ich die frische Luft ein. Wir liefen den Weg zur Halle der Toten unweit der Festung entlang, wo wir einen Karren für den Körper abholten. Normalerweise kümmerte sich Bruder Verulus darum und ich assistierte ihm seit ein paar Monaten bei der Einbalsamierung. Verulus war der einzige in Markarth, der nett zu mir war. Er hatte mir schon viel über den menschlichen Körper beigebracht und manchmal brachte er mir sogar heimlich einen Süßkuchen mit, wenn keine Wache bei uns war. Seufzend schob ich den Karren vor mir her. An der steilen Treppe angekommen, musste ich mir größte Mühe geben, ihn nicht fallen zulassen. Alturiel würde mich sicherlich bestrafen, deswegen klammerte ich mich verbissen an den Griffen fest. Er machte natürlich keinerlei Anstalten mir dabei zu helfen, warum auch. Als wir unten angekommen waren, waren die Minen nicht mehr weit. Ich war tatsächlich schon einige Male da gewesen, es kam mir aber wie eine Ewigkeit vor. Damals hatte Alturiel befohlen, mich Silber abbauen zu lassen, allerdings musste er nach wenigen Wochen feststellen, dass ich einfach zu schwach gewesen war um unter diesen harten Bedingungen zu arbeiten. Natürlich war er darüber sehr erzürnt gewesen und hatte mich beschimpft und geschlagen, aber das änderte ja gewiss nichts an meiner Kraft. Wir erreichten die Mienen und ich schob den Karren den endlos scheinenden Tunnel entlang. Die Luft um uns wurde zunehmend stickiger und es wurde immer finsterer, doch ich konnte bald schon die Feuer im Eingangsbereich des Gefängnisses erblicken. Schwach erhellten sie die staubige Höhle. Ungeduldig schob Altruiel mich in die Richtung der Holzschräge und murmelte: ,,Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit." Ich drehte mich und zog den Karren hinauf. Wir überquerten die Brücke. Überrascht blickte ich zu den Eisentüren, die zwei Soldaten und er junge Mann die uns vorher in der Festung begegnet waren, standen bereits davor und sprachen mit einer Wache. Wir näherten uns ihnen langsam. ,,Siehst du wie sehr du wieder getrödelt hast Saphir?" sagte Alturiel wütend und versetzte mir ein Schlag ins Gesicht. Meine Wange brannte, aber nach all den Jahren der Gewalt war das nur wie ein Windhauch für mich. Der eine Soldat drehten sich um und entgegneten: ,,Es war ein knapper Prozess, der Jarl hat gar nicht lange überlegt." ,,Mischt Euch nicht ein." Zischte Alturiel sie an. ,,Euer Gefangener könnte wenigstens dem Mädchen helfen, den Körper zu bergen. Dann muss ich mir die Hände nicht schmutzig machen." Unsanft schubste Alturiel mich ein Stück nach vorn. Die Wachen nickten und lösten dem jungen Mann die Fesseln. Dann schlossen sie die Tür auf und ließen uns mit dem Karren passieren. Sie schlossen hinter uns wieder und Alturiel betonte, dass ich nicht weiter herumtrödeln sollte. Schweigend liefen wir einen engen Gang hinunter. Es wurde immer feuchter und stickiger je tiefer wir in die Minen hineingingen. Man hörte das Geräusch von Spitzhacken, die gegen die Wand schlugen. ,,Saphir also ist Euer Name. Schön, er gefällt mir. Passt zu Euren Augen. Mein Name ist Rodrik, verzeiht meine Direktheit." Begann der Fremde plötzlich zu sprechen. Kurz schaute ich zu ihm hinüber, entgegnete aber nichts. Ich hatte nichts mit diesem Menschen zu schaffen, was wollte er von mir? ,,Und warum seid Ihr hier? Mein Verschulden habt Ihr ja bereits gehört." Unsicher schaute ich ihn an und fragte: ,,Was wollt Ihr von mir?" Seit Jahren hatte sich keiner mehr für mich interessiert und nun fragte mich ein verurteilter Mörder aus. Er grinste und erwiderte: ,,Ihr braucht keine Angst zu haben, ich will Euch helfen." Verwirrt schaute ich ihn an. Was meinte er? Wir erreichten die Holztreppe, die hinunter zu dem Stollen führte. ,,Wie wollt Ihr mir helfen? Ihr wisst doch gar nichts über mich. Und wie stellt Ihr Euch das vor, Ihr dürft den Rest Eures Lebens in den Mienen verbringen. Hier ist noch nie jemand ausgebrochen." Verschwörerisch schaute er mich an, während wir den Karren die Treppe hinunter trugen. ,,Ich hatte nicht vor lange zu bleiben. Und Ihr könntet mir dabei helfen, diesen Plan in die Tat umzusetzen." Wie leichtsinnig von ihm zu glauben, dass er aus den Minen entkommen könnte. Und wie sollte ich ihm bitte dabei helfen? Der Körper des Toten lag neben der Feuerstelle in der Mitte des Raumes. Aus den Stollen hörten wir weiter Spitzhacken, aber niemand schien sich für den toten Körper zu interessieren. Es war ein älterer Mann mit dünnem weißem Haar, er war blass und abgemagert, vermutlich war er verhungert. In den Mienen war das Leben hart, wer nicht genug arbeitete bekam auch kein Essen. Wir hoben ihn hoch und legten ihn vorsichtig auf die Karre. ,,Ihr seid auch eine Gefangene. Wollt Ihr nicht fort? Nach Hause?" Nach Hause? Es klang beinahe wie ein Wort einer fremden Sprache in meinen Ohren. Meine Erinnerungen an Rifton waren schon lange verblasst. Ich wusste nicht, wie viele Jahre ich genau schon hier war, aber bestimmt ein halbes Jahrzehnt. Das Einzige, das noch immer in meinem Kopf präsent war, war Brynjolfs Gesicht. Ich glaubte zwar nicht wirklich daran, dass ich jemals wieder zurückkommen könnte, aber eine kleine Hoffnungsflamme Brynjolf vielleicht lebend wiederzusehen gab mir Kraft durchzuhalten. ,,Wie stellt Ihr Euch das vor?" fragte ich ihn zögerlich. ,,Lebend kommt hier niemand mehr raus." Flüsterte Rodrik und zwinkerte mir zu. Ich verstand nicht ganz, was er wollte. ,,Wenn Ihr die Leichen hier rausschafft, könnt Ihr sicherlich auch mich rauschaffen. Versteht Ihr?" ,,Aber sie werden sicher überprüfen ob ihr tot seid." ,,Macht Euch da mal keine Sorgen." Entgegnete er lächelnd. Verwirrt sah ich ihn an. Wie wollte er die Wachen täuschen? Wenn etwas schiefging und man ihn mit mir in Verbindung brachte, würde ich dafür teuer bezahlen müssen. Alturiel verstand keinen Spaß, besonders nicht, wenn es um mich ging. Ständig fügte er mir neue Verletzungen zu, seelisch wie auch körperlich. ,,Sag mal, wie lange dauert das da unten. Ich hatte Dir befohlen Dich zu beeilen!" hörte ich Alturiels Stimme rufen. Panisch hob ich den Karren an und wies Rodrik an er sollte sich auch beeilen. Obwohl der Mann sehr abgemagert war, fiel es mir schwer ihn alleine zu tragen, doch als Rodrik von der anderen Seite hob, spürte ich das Gewicht fast nicht mehr. Wir trugen ihn die morsche Holztreppe hinauf. Bevor wir oben ankamen, flüsterte Rodrik mir noch zu: ,,Alles was Ihr tun müsst, ist mich hinauszutragen. Ich verspreche Euch bei den Göttern, ich werde Euch mitnehmen. Spielt einfach mit." Ich nickte bestimmt. So eine Möglichkeit würde sich nicht mehr oft anbieten, ich musste es wenigstens versuchen. Natürlich fürchtete ich Alturiels Konsequenzen, aber er würde so oder so einen Grund finden, mich wieder zu bestrafen. Ich hatte zwar keine genaue Vorstellung davon, was Rodrik vorhatte, aber mir blieb nichts anderes übrig als ihm zu vertrauen. ,,Na endlich." Stöhnte Alturiel, als wir oben ankamen. ,,Du bist nicht zur Unterhaltung hier, sei froh, wenn ich Dich nicht länger als nötig hier verrotten lasse." Zornig blickte er mich an und seine braunen Augen formten sich zu Schlitzen. ,,Und Ihr da, verzieht Euch jetzt an die Arbeit. Das Silber baut sich nicht von alleine ab" befahl er Rodrik, der stumm lächelte und nickte. ,,Nun los"!wies er mich an und lief in den Tunnel, der zur Tür oben führte. Natürlich musste ich den Karren alleine hochschieben. Ich stemmte mich mit aller Kraft dagegen und schob ihn mühsam hinter ihm her. Ein letztes Mal drehte ich mich um und schaute Rodrik an. Dieser grinste verschwörerisch und zwinkerte mir zu. War dieser Mann tatsächlich mein Weg in die Freiheit? Ich hoffte es so sehr. Wenn alles gut laufen würde, wäre ich diesen dunklen und unfreundlichen Ort bald endlich los. Und - was noch viel wichtiger war - ich müsste nicht mehr die Nähe von Alturiel ertragen.

Saphir    [~Vilkas FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt