Ein finsteres Unterfangen

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,,Und das habt Ihr wirklich zu dritt geschafft?" fragte ich ungläubig und biss in meinen Süßkuchen. Athis nickte lachend und entgegnete: ,,Ohne Aelas Bogen hätten wir den Riesen wahrscheinlich nicht ohne weiteres erledigen können, aber am Ende war es eben die Teamarbeit, die uns zum Sieg verholfen hat. Aber glaubt mir, die Dinger stinken schon, wenn sie noch am Leben sind. Wenn sie erst einmal tot sind, naja, sprechen wir lieber nicht beim Frühstück darüber."  Nun musste auch ich lachen und mich zusammenreißen, dass ich nicht überall auf dem Tisch Süßkuchen verteilte.

Das Lachen verging mir aber bald wieder, als ein schlecht gelaunter Vilkas in die Methalle kam. Er war in seine Rüstung gekleidet, wahrscheinlich war er auf dem Weg zum Kampf. ,,Die Arbeit ruft" brummte er und nahm sich einen Apfel vom Tisch. Athis und ich schauten uns fragend an, da wir nicht wussten, wen von uns beiden er jetzt meinte. Vilkas stellte sich neben mich, biss in seinen Apfel und fuhr fort: ,, Skjor meinte, ich solle Euch mitnehmen, Saphir, inzwischen müsstet Ihr ja ausreichend erholt sein. Vielleicht will er Euch ja loswerden, einen besseren Grund Euch mit mir zu schicken, fällt mir sonst nicht ein." Ausreichend erholt war vielleicht der falsche Begriff, meine Aufnahme lag nun erst eine Woche zurück, aber von meinen Verletzungen waren zum Glück nur noch Schrammen übrig.  ,,Worum geht's?" fragte ich und versuchte so ruhig wie möglich zu bleiben. Seine abgehobene Art konnte ich einfach nicht ab, besonders da er zu allen anderen nett zu sein schien. ,,Die Familie der Kampfgeborenen, bei der es sich übrigens um eine der einflussreichsten Familien in Weißlauf handelt, vermisst ein wichtiges Erbstück. Jemand ist vor einigen Tagen in ihr Haus eingedrungen und hat es entwendet. Es handelt sich um ein Zwergenschwert, sehr seltenes und sehr teures Metall. Nun haben die Diebe eine Notiz hinterlassen, sie würden es gegen ein hohes Lösegeld zurückgeben. Anscheinend handelt es sich um eine Gruppe von Banditen, die sich in eine alten Nordruine zurückgezogen haben. Dort soll auch das Lösegeld übergeben werden." Verwirrt sah ich ihn an. ,,Und was ist unsere Rolle in der Sache?" Verzweifelt schüttelte Vilkas den Kopf. ,,Ihr seid ja schwerer von Begriff als mein Bruder. Natürlich bringen wir den Banditen kein Lösegeld, sondern reisen zu der Nordruine um ihnen ein für alle Mal das Handwerk zu legen." Also war das nun die erste Gelegenheit, meine neue Ausrüstung einzuweihen. Nur mit Vilkas zusammen zu kämpfen stellte ich mir nicht sonderlich angenehm vor. Ob er mich auch in einem echten Kampf ununterbrochen kritisieren würde? Bald würde sich diese Frage beantworten. ,,Wann wollt Ihr los?" fragte ich seufzend. ,,Jetzt. Also seht zu das Ihr fertig werdet. Nordruinen sind oft sehr komplex und können viel Zeit in Anspruch nehmen. Je eher wie los sind, desto eher sind wir wieder zurück."

Vilkas ließ mir auch keine Ruhe. Schnell stopfte ich mir den restlichen Süßkuchen in den Mund und stand auf. Ihn wollte ich sicher nicht warten lassen. Ich verabschiedete mich mit einem Winken von Athis und lief hinunter in den Schlafsaal der Rekruten um meine Rüstung anzulegen und die Waffen zu holen. Ich befüllte meinen Köcher schnell noch mit Pfeilen, von denen immer einige in einem kleinen Holzschränkchen gelagert waren. Dann schulterte ich ihn zusammen mit meinem Bogen und machte mich wieder auf den Weg in die Methalle. Mit verschränkten Armen stand Vilkas an der Tür und schaute mich ungeduldig an. Ich lächelte gezwungen und trat mit ihm nach draußen. Schweigend verließen wir die Stadt durch die Tiefenschmiede. Dieses Mal ging es nach Nordwesten, in die Richtung eines größeren Gebirges in der Ferne. Die Stimmung unserer kleinen Reisegemeinschaft war nicht sonderlich erheitert. Als ich mit Farkas unterwegs gewesen war, hatten wir viel gesprochen und auch ab und an gelacht. Vilkas war immer so ernst und distanziert. Stundenlang schweigend nebeneinander herzulaufen war nicht gerade amüsant.

Weißlauf war schon fast am Horizont verschwunden, als Vilkas stehen blieb um eine Karte hervorzuziehen. Prüfend schaute er hinein und fuhr mit dem Zeigefinger eine Linie nach. Dann klappte er die Karte seufzend wieder zusammen und sah mich an. ,,Wir müssten bald da sein. Seht Ihr den größeren Berg dort hinten? Dahinter liegt das Fürstentum Hjaalmarsch. Die Ruine, in der sich die Banditen verschanzt haben, liegt aber noch in Weißlauf. Wenige Meilen Südöstlich des Gipfels. Ich denke in spätestens einer Stunde haben wir sie erreicht." Ich nickte nur. Meine Füße taten fast schon ein wenig weh, also begrüßte ich es, dass wir bald an unser Ziel kommen würden, auch wenn ich nicht unbedingt schon wieder Blut vergießen wollte. Nun hatte ich den Gefährten den Eid geschworen, ihren Befehlen zu folgen, und wenn Skjor wollte, dass ich Vilkas auf dieser Mission begleitete, dann war das eben so. Wir setzten uns wieder in Bewegung und ich versuchte irgendwie ein Gespräch zu Stande zu bringen. ,,Wie lange seid Ihr eigentlich schon bei den Gefährten?" Vilkas schaute kurz zu mir hinüber und entgegnete: ,,Lange. Mein ganzes Leben schon." Er schien also nicht sonderlich auf Kommunikation aus zu sein. Wenn das stimmte, was er da sagte, wäre das vielleicht eine Erklärung für sein Verhalten. Er wurde zu einem Krieger erzogen, der wahrscheinlich sein Leben lang nur an Kämpfen und Töten dachte.

Saphir    [~Vilkas FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt