Ehrlichkeit

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Wir wollten früh aufbrechen, da der Weg nach Rift viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Um niemanden aufzuwecken, schlich ich mit meinen Schuhen in der Hand durch den Flur. Ich musste noch meine Rüstung anlegen und meinen Köcher erneut auffüllen. Hoffentlich handelte es sich bei dem Zirkel wirklich um den von Rodrik, dann müssten wir nicht schon wieder kämpfen. Dank Rodrik wusste ich auch, wie zäh ein Vampir war.

Gerade als ich um die Ecke biegen wollte, stieß ich mit Aela zusammen. ,,Saphir?" verwirrt sah sie mich an. ,,Aela" entgegnete ich nur und wollte weiterlaufen, als sie mich fragte: ,,Wo kommt Ihr denn her?" Ich lief rot an und wollte gerade etwas entgegnen, als ich Schritte hörte. Wir drehten uns um und erblickten einen misstrauischen Vilkas. Er war zwar schon wieder in seine Rüstung gekleidet, wirkte aber noch ziemlich übernächtigt. Wen wunderte es, viel geschlafen hatten wir beide nicht. Aela schaute grinsend zwischen uns beiden hin und her, verkniff sich aber einen Kommentar. Ich räusperte mich verlegen und wandte mich dann ab, einen Vilkas wollte man nicht warten lassen. Im Schlafsaal der Rekruten angekommen, legte ich mir so schnell und leise wie möglich die Rüstung an und kümmerte mich auch darum, genug Pfeile dabei zu haben. Als ich fertig war, lief ich nach oben in die Methalle, wo Vilkas bereits auf mich wartete.

Stumm verließen wir Weißlauf wieder durch die Tiefenschmiede. Zuerst wollte Vilkas zu den Ställen vor der Stadt. Ein Fußmarsch nach Rift würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen, mit dem Pferd wären wir bestimmt innerhalb anderthalb bis zwei Tagen da. Nachdem er den Stallburschen bezahlt hatte, schwangen wir uns auf zwei große schwarze Rösser.

Während wir in die Richtung der aufgehenden Sonne ritten schwiegen Vilkas und ich uns bloß an. Vermutlich wollte einfach keiner von uns so recht über die vergangene Nacht sprechen. Auch ich wusste nicht, was nun folgen sollte. Vilkas hatte eine so liebevolle Seite, die er nicht zeigen konnte. Ich hatte sie sehen dürfen, heute wirkte er wieder so kalt. Er machte es mir wirklich schwer ihn gern zu haben, aber seit gestern hatte sich trotzdem etwas verändert. Jetzt gab es sowieso erst einmal wichtigere Fragen zu klären. Wenn es wirklich Rodrik war, wie konnte ich Vilkas davon überzeugen, ihn und seine Freunde nicht angreifen zu wollen? Ein kühnes Unterfangen wie mir schien. Ich wollte auch nicht wieder für Unfrieden zwischen uns sorgen, also war Schweigen für diesen Moment vielleicht das Sicherste. Nun versuchte ich meine Aufmerksamkeit auf die umliegende Natur zu lenken. Himmelsrand hatte viele wunderschöne Landschaften und Berge. Der Weißfluss rauschte zu unserer Linken hinab und ab und zu sah man ein Reh oder einen Fuchs in der Ferne vorbeihuschen. Ich war erleichtert, da wir keinen Banditen oder gefährlichen Tieren begegnet waren bis es dämmerte. Zwischendurch hatten wir eine kurze Rast am Weißluss eingelegt, um die Tiere zu tränken. Wir sprachen nur über praktische Dinge und ritten dann wieder weiter nach Osten.

,,Wir sollten bald ein Nachtlager aufschlagen" sagte Vilkas als es dämmerte und zog an den Zügeln seines Pferdes, das seinen Schritt augenblicklich verlangsamte. Wir waren kurz vor der Grenze von Weißlauf zu Ostmarsch. Erschöpft von dem langen Ritt und dem fehlenden Schlaf stiegen wir ein gutes Stück abseits vom Weg von unseren Pferden und banden sie mit ihren Zügeln an einem Baum fest. ,,Wir können ein kleines Feuer machen" schlug Vilkas vor ,,allerdings sollten wir es nicht allzu lange brennen lassen, sonst werden vielleicht noch unfreundliche Zeitgenossen auf uns aufmerksam und ich will meine Klinge nicht unnötig mit Blut besudeln." Ich nickte nur und nahm mir aus einem kleinen Beutel einen Süßkuchen den ich mir mitgenommen hatte. Vilkas schaffte währenddessen einige Zweige zusammen. Als ich den Süßkuchen gierig verschlungen hatte, brannte bereits ein kleines Feuer vor mir. Ich setzte mich daneben und wärmte meine Hände. Sowohl der Boden als auch der Abendwind waren ziemlich kühl, weswegen ich das Feuer sehr begrüßte. Leider war es nicht stark genug mich ganz aufzuwärmen, aber immerhin ein wenig. Zitternd kauerte ich am Boden und Vilkas hockte sich besorgt neben mich. ,,Seid Ihr in Ordnung?" Ich nickte nur und starrte in die wachsenden Flammen. Vermutlich würde er doch wieder einen Spruch ablassen, wenn ich zugäbe, wie sehr ich gerade fror. Vilkas hakte noch einmal nach: ,,Seid Ihr sicher? Ist Euch nicht zu kalt?" Zitternd schüttelte ich den Kopf. Die ganze Situation war sehr unangenehm, seit heute Morgen waren wir unterwegs, doch jetzt saßen wir nur ruhig am Feuer, da war die Stille unerträglich.

Saphir    [~Vilkas FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt