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Seit Stunden liefen wir nun schon nach Nordosten. Die Bosmer hatten uns alle Waffen und Rüstungsteile abgenommen und die Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Langsam aber sicher gerieten wir in einen leichten Schneesturm je näher wir dem östlichen Gebirge kamen. Ich zitterte am ganzen Körper und blickte immer wieder sehnsüchtig zu Vilkas hinüber. Wie gerne würde ich mich an seine warme Brust kuscheln und all das Unheil vergessen. Wir hatten noch immer keine Ahnung, warum und von wem genau wir überfallen worden waren. Die Thalmor waren es sicher nicht, da neben meinen beiden Freunden auch die junge Hochelfe entwaffnet und gefesselt worden war. Ich wusste nicht sonderlich viel über Politik, aber ich meinte einmal gehört zu haben, dass Wald- und Hochelfeneinst einen Bund geschlossen hatten. Vielleicht gehörten sie also doch dazu, aber warum hatten sie dann jemanden aus ihren eigenen Reihen entführt? Bald ging es bergauf und auch, obwohl ich es nicht glauben konnte, wurde das Wetter immer ungemütlicher. Meine dünne Kleidung wärmte schon so nicht sonderlich, doch durch den Schnee waren sie bald auch vollständig durchnässt. Die Flocken wurden immer dichter und bald konnte ich kaum noch etwas sehen, das weiter entfernt war als mein Nebenmann.

So war ich auch überrascht, als einer der Bosmer rief: ,,Wir sind bald da!" Da? Wo war denn überhaupt da? Angestrengt kniff ich meine Augen zusammen und versuchte etwas zu erkennen, doch ich sah nur einen immer größer werdenden dunklen Fleck in der Ferne. Es könnte vielleicht eine Festung sein, vielleicht aber auch nur ein Felsen. ,,Wird ja auch langsam Zeit" murrte Rodrik hinter mir. ,,Schweigt Gefangener!" hörte ich einen der Bosmer rufen. Auch Vilkas, der mit etwas Abstand neben mir lief, rollte nur mit den Augen. Manchmal hatte man das Gefühl, der Vampir könnte den Ernst einer Gefahr nicht erkennen, aber vielleicht war das auch einfach seine Art damit umzugehen. Tatsächlich erreichten wir bald eine alte Burg, die schon halb zerfallen war. Auch wenn der Schnee vieles verbarg, konnte man erkennen, dass das hier sicher keine Thalmorfestung war. Es sah eher aus wie ein Banditenlager. Wir wurden durch einen verlassenen Burghof in die Richtung eines Turmes geführt. Ich schaute zu Vilkas, doch er sah genauso Ahnungslos aus wie ich. Hoffentlich war ihm zumindest nicht so kalt wie mir, seine Kleidung war ebenfalls durchnässt und teilweise von Schnee bedeckt. Selbst wenn er gerade litt, er zeigte es nicht. Vilkas war auch kein Mensch, der seine Schwächen offen zeigte und wahrscheinlich wollte er erst recht nicht vor mir schwach wirken. Er hatte versprochen mich zu beschützen und auch wenn wir gerade in einer sehr miserablen Lage waren, beruhigte mich seine Anwesenheit zumindest etwas. Ob wir uns jemals noch einmal berühren würden? Was nach dem heutigen Tag geschehen würde, lag allein in den Händen der Göttlichen. Ein großes Eingangstor wurde vor uns geöffnet und wir wurden angewiesen hindurch zu laufen. Auch wenn das alte Gemäuer nicht sonderlich warm war, war ich doch froh, endlich nicht mehr durch den kalten Schnee stapfen zu müssen. Auch Vilkas und der Thalmor sah man eine Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Nur Rodrik wirkte noch immer völlig gleichgültig.

Wir standen in einer dunklen Eingangshalle, die durch zwei kleine Feuer links und rechts an der Wand erhellt wurde. Es gab hier nicht sonderlich viel zu entdecken, bis auf eine Treppe die nach unten führte. Noch immer standen die bewaffneten Männer um uns herum. ,,Bewegt Euch!" wies man uns an. Also liefen wir die Treppe vorsichtig hinunter. Wegen der Nässe mussten wir aufpassen nicht auszurutschen. Ich hörte das Tor hinter uns mit einem lauten Knallen zu fallen. Wenigstens kommentierte niemand unser langsames Tempo, vermutlich weil unsere Feinde das Problem der nassen Füße teilten. Am Ende der Treppe wartete eine morsche Holztür auf uns, neben der wieder zwei Feuer brannten um den Flur zu erhellen. Links und rechts führten zwei schwach beleuchtete Gänge von ihr weg. Ein paar der Elfen steckten ihre Waffen weg und gingen auf die Tür zu. Sie schauten uns vier noch einmal prüfend an, bevor sie in dem Raum dahinter verschwanden. Leider war ich nicht schnell genug, sonst hätte ich vielleicht noch einen Blick erhaschen können. Noch immer hatte ich keinen blassen Schimmer, warum ich hier war und ob es überhaupt einen tieferen Sinn gab. Es waren sicher keine Thalmor, aber wer sollte denn sonst nach mir suchen? Waren wir vielleicht nur gut organisierten Banditen in die Falle gelaufen? ,,Saphir." Vilkas' Stimme zog mich aus meinen Gedanken. Fragend wandte ich mich nach links und sah den großen Nord an. Seine Miene war ernst, er wirkte beinahe als ob er gleich in Tränen ausbrechen wollte. ,,Saphir ich habe keine Ahnung was heute passieren wird" begann er und sah sich misstrauisch um und begann leise zu sprechen ,,aber vielleicht erleben wir den morgigen Tag nicht mehr gemeinsam." ,,Sagt so etwas nicht" entgegnete ich verzweifelt, aber er hatte recht. Nun hatten wir keine Macht über das, was geschehen würde. Tränen stiegen mir in die Augen und ich spürte wie mein Hals sich zuschnürte. Warum konnte in meinem Leben nicht einmal alles gut laufen? ,,Saphir. Ich wollte Euch nur noch einmal sagen, wie leid mir alles tut. Ich war nicht nett zu Euch um mich vor meinen eigenen Gefühlen zu schützen, doch das war falsch und egoistisch." Ich schüttelte bloß weinend den Kopf. Das war doch nicht das Ende, nein, das durfte es einfach nicht sein.  ,,Vilkas" begann ich, doch ich brachte keinen Ton mehr heraus. ,,Ich wollte nur, dass Ihr etwas wisst bevor es tatsächlich zu spät sein könnte." Ich konnte hören, dass auch er mit den Tränen kämpfte. Er, der sonst immer so ernst und stark wirkte. ,,Vielleicht ist es noch viel zu früh das so auszudrücken, aber nach heute gibt es vielleicht nie wieder eine Möglichkeit. Wenn wir wirklich sterben, ja und selbst wenn wir das nicht tun, wollte ich nur, dass Ihr es wisst." Die Tür vor uns wurde schon geöffnet. Ich starrte Vilkas noch immer gebannt an. ,,Ich hasse Euch nicht Saphir. Ich liebe Euch." Nun musste ich noch lauter schluchzen. Unsanft wurde ich an den Armen gepackt, doch ich riss mich ein letztes Mal los und stürmte in Vilkas' Richtung. Ein letzter Kuss bevor die zornigen Elfen mich mit sich in den Saal zogen. Ich schaute meine Freunde noch einmal an. Rodrik schaute interessiert zwischen dem Werwolf und mir hin und her. Vilkas' eisblaue Augen warfen mir einen verzweifelten Blick zu. Auch wenn ich keinen Ton herausbekam, ich wusste es tief in mir, ich liebte ihn auch. Als die Tür zufiel, zuckte ich zusammen. Vielleicht war das eben das letzte Mal gewesen, dass ich meinen geliebten Nord gesehen hatte.

Noch immer schliffen mich die Bosmer durch den Raum, ließen mich aber bald los, sodass ich mit den Knien auf den harten Boden aufschlug. Ich starrte abwesend auf die dunklen Steine und hob meinen Blick nicht. Was auch immer hier gerade passierte, es war mindestens genauso schlimm wie eine Begegnung mit den Thalmor. Ob ich Vilkas noch einmal wiedersehen würde? Oder Rodrik? Die anderen Gefährten? Oder gar Brynjolf? Nun begannen meine Tränen auch den kalten Steinboden zu benetzen. Ich konnte es einfach nicht glauben. Die letzten Monate hatte ich so viel Hoffnung geschöpft. Ich hatte es geschafft eine Gefährtin zu werden und hatte nun so etwas wie eine Familie. Und ich hatte Vilkas. Er liebte mich. Mich. Die kleine, unbedeutende Elfe aus Rifton, die fast sechs Jahre lang von den Thalmor eingesperrt und gepeinigt wurde. So viele gute Dinge waren passiert, niemals hätte ich damit gerechnet. Nach all dem Schmerz hatte es gewirkt wie ein schöner Traum, doch dieser war nun wahrscheinlich vorbei. Jetzt war ich also wieder in der Realität angekommen. In meiner Realität, der Realität der Schmerzen. Was auch immer diese Bosmer von mir wollten, gut meinten sie es sicher nicht mit mir.

,,Macht sie los" hörte ich eine warme Männerstimme. Von hinten packte mich jemand. Vermutlich einer der beiden Waldelfen, die mich in diesen Saal geschleppt hatten. Er zog an meinen Fesseln und bearbeitete diese dann mit einer Klinge. Warum tat er das? Aber fliehen konnte ich ja sowieso nicht, es waren zu viele. Als meine Hände wieder frei waren, entfernte sich der Mann hinter mir wieder. Ich war noch immer auf dem Boden zusammengekauert. Ich hörte Schritte von vorne näher kommen. ,,Wollt Ihr nicht lieber aufstehen? Ich würde gerne Euer Gesicht sehen?" ich reagierte nicht. Bald konnte ich ein braunes Paar Stiefel vor mir sehen. Allerdings hob ich meinen Blick noch immer nicht. ,,Bitte Saphir" die Stimme schien fast schon liebevoll auf mich einzureden. Woher kannte dieser Mann meinen Namen? Langsam schaute ich hoch. Zunächst erblickte ich eine braune Hose, dann ein längeres dunkelgrünes Hemd. Schließlich schaute ich meinem Gegenüber ins Gesicht. Auch er war ein Bosmer, jedoch schon deutlich älter. Sein schmales, fast schon olivbraunes Gesicht war von dunkelroten, langen Haaren eingerahmt. Braune Augen, die wirkten als hätten sie schon vieles gesehen, starrten mich ungläubig an. Wer war er und was wollte er von mir? Angestrengt erhob ich mich, um von Angesicht zu Angesicht vor ihm zu stehen. Zu meiner Überraschung war er fast schon ein wenig kleiner als ich. Meine Tränen wischte ich mir mit dem kalten Ärmel beiseite, was nur dafür sorgte, dass mein Gesicht noch feuchter wurde. Immerhin war ich noch immer vollkommen durchnässt und verfroren. ,,Was wollt Ihr von mir und was habt Ihr mit meinen Freunden vor?" fragte ich verzweifelt. Dem Bosmer schien plötzlich die Sprache vergangen zu sein. Ich ließ meinen Blick schnell durch den Raum wandern um vielleicht doch noch eine Fluchtmöglichkeit zu finden. Leider waren mindestens ein Dutzend bewaffnete Bosmer mit uns in dem schwach erleuchteten Raum. Und es gab anscheinend auch keine andere Tür. ,,Habt keine Angst" versuchte mir der Mann ruhig einzureden und legte vorsichtig eine Hand auf meine Schulter. Hastig schlug ich sie weg und funkelte ihn an: ,,Was habt Ihr mit meinen Freunden vor?" Seufzend machte der Elf einen Schritt nach hinten und sagte: ,,Habt keine Angst, wir werden ihnen nichts tun. Wir mussten nur sicher gehen, dass Ihr hier ankommt. Und wir wissen noch nicht, ob wir ihnen trauen können." Ich schüttelte verständnislos den Kopf. Ich sollte keine Angst haben, nachdem ich von einer Horde Waldelfen durch einen Schneesturm zu einer verlassenen Festung gebracht wurde? Wenn er mir doch nichts tun wollte, wieso hatte man mich nicht einfach freundlich gefragt? ,,Was hat das alles zu bedeuten? Warum werde ich gegen meinen Willen hier hergebracht und warum kennt Ihr meinen Namen? Arbeitet Ihr mit den Thalmor zusammen?" Er sah mich traurig an und senkte dann den Blick. ,,Es tut mir leid Saphir, dass es so kommen musste. Ich wollte nicht, dass Ihr leiden müsst." Ich verstand noch immer nicht, was er von mir wollte. Konnte er denn nicht einfach offen sprechen? ,,Wenn Ihr nicht wollt, dass ich leide, lasst mich und meine Freunde frei. Warum bin ich überhaupt hier?" Er hob seinen Blick wieder und schaute mich mit wässrigen Augen an. ,,Versteht Ihr denn nicht? Vor vielen Jahren habe ich Euch in den Armen gehalten und Eure blauen Augen das letzte Mal gesehen." Verunsichert wich ich einen Schritt zurück. Das war doch gerade nicht sein ernst, oder? ,,Saphir, ich bin Euer Vater."

Saphir    [~Vilkas FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt