Teil 2: Eine Bitte

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,,Ihr habt Euch ziemlich verändert Saphir" sprach eine bekannte Stimme. Ungläubig hob ich meinen Blick. ,,Was habt Ihr denn hier verloren?" fragte ich erschrocken. Seit unserer schmerzlichen Trennung hatte ich Vilkas nicht mehr gesehen. Natürlich hatte ich immer wieder an ihn gedacht, aber ihn wiederzusehen, und das auch noch in Rifton, damit hätte ich nicht gerechnet. Zu viel war zwischen uns passiert und wir hatten einander verletzt. Unsicherheit breitete sich in mir aus. Ich wusste selbst nicht, ob ich mich freuen sollte ihn zu sehen. ,,Ich hörte Ihr wärt gefallen" entgegnete der Nord nur ruhig und musterte mich mit seinen hellblauen Augen. Ich versuchte mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen und meinte: ,,Wie Ihr seht, bin ich das nicht. Ich lebe noch." Gespielt locker klappte ich das Buch zu und lehnte mich zurück. ,,So weit würde ich dann nicht gehen" murmelte Vilkas abschätzig ,,in Eurer Brust schlägt kein Herz mehr." Ich wollte etwas erwidern, zuckte aber dann nur mit den Schultern und ließ meinen Blick durch die Taverne wandern. Wenige Gäste waren noch anwesend, an der Theke versuchte Keerava – wie immer  – einen Betrunkenen hinauszujagen. Vilkas Blick durchbohrte mich förmlich von der Seite. Nach einer Weile des Schweigens seufzte ich laut um die Stille zu brechen und fragte erneut: ,,Was habt Ihr hier verloren?" Ich überwand mich schließlich auch ihn wieder anzusehen, auch wenn ich seinem Blick kaum Stand halten konnte. Vilkas kannte eine Saphir, die nicht unbedingt jeder kennen sollte. Ich war nicht mehr schwach und bedürftig, ich hatte genug gesehen und erlebt. Ich war keine Rekrutin mehr, ich hatte nun eine ganze Gilde unter mir. Durch Rodriks Geschenk, wie er es gerne nannte, war ich noch stärker geworden. Der stolze Nord sollte das nun begreifen. ,,Lasst uns darüber lieber unter vier Augen sprechen, in einer schäbigen Taverne wie dieser haben Angelegenheiten der Gefährten nichts verloren." Er sah sich verschwörerisch um. Ich nickte seufzend und erhob mich. Das Bilanzbuch klemmte ich mir unter den Arm als wir gemeinsam zur Tür liefen. Wäre ich noch am Leben, würde mein Herz gerade wohl wie wild klopfen. Was wollte er von mir? War etwas passiert? Ging es den anderen gut? Hatte er vielleicht den Auftrag mich zu töten? Immerhin war ich eine Diebin, deren Gilde in den vergangenen Monaten deutlich Schaden in Himmelsrand angerichtet hatte. Dazu floss das unsterbliche Blut durch meine Adern. Vilkas würde mich doch nicht töten, oder? Kodlak hatte doch immer auf meiner Seite gestanden, einen solchen Auftrag würde er seinem Schildbruder nicht geben. Vor allem nicht ausgrechnet Vilkas.

,,Ich brauche Eure Hilfe" begann Vilkas als wir etwas abseits der Taverne auf einer schmalen Holzbrücke zu Stehen kamen ,,Wir brauchen Eure Hilfe." Ich lehnte mich gegen die Holzbrüstung und betrachtete die wenigen Sterne, die hinter den dichten Wolken am dunklen Nachthimmel hervorschauten. ,,So so" entgegnete ich zynisch ,,ein Mitglied des inneren Zirkels der Gefährten kommt nach Rifton und braucht die Hilfe der Gildenmeisterin?" ,,Was soll das denn heißen? Auch Ihr habt Eure Eide geschworen, Euch nur dazu entschieden sie zu brechen. Ihr wart einmal eine von uns, vergesst das nicht" erwiderte Vilkas in einem vorwurfsvollen Ton. Ich warf ihm einen ernsten Blick zu und sagte bestimmt: ,,Ich vergesse nicht." Schweigend sahen wir einander an. Bei den Göttern, ich verstand nicht, was ihn nach Rifton verschlagen hatte. Die Gefährten waren doch stark genug, sich jedem Problem entgegen zu stellen. Es musste wohl wirklich ernst sein, wenn sie sogar bereit waren, mit Gesetzesbrechern zu kooperieren. Allerdings brachte ich es nicht über mich, noch einmal nachzufragen. Schließlich brach Vilkas das Schweigen: ,,Ich weiß, es ist etwas plötzlich nach so langer Zeit hier aufzutauchen und Eure Hilfe zu erfragen, aber es geht eben um mehr als nur einen einfachen Auftrag zum Wohle der Bürger von Himmelsrand. Unsere Familie, und alles wofür die steht, ist in Gefahr." ,,Und Ihr denkt, dass Ihr einfach so nach Rifton kommen und mich um Hilfe bitten könnt? Nach allem was war?" antwortete ich und zog ungläubig eine Augenbraue hoch. Seine Miene verfinsterte sich. ,,Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mit Verbrechern zu verhandeln, wenn nicht Ihr-" er machte eine kurze Pause und wandte seinen Blick von mir ab ,,in der beflaggten Mähre erzählte man mir, eine junge Waldelfe habe die Gilde übernommen. Ich hätte wissen müssen, dass es sich dabei nicht um die Saphir handelt, die ich zu kennen gemeint habe. Ihr seid mir fremd. In Euren blutroten Augen ist nicht einmal mehr ein Funke von dem Blau zu erkennen, in dem sie einst erstrahlten. Saphir ist wohl doch in der Schlacht gefallen." Angespannt umklammerte ich das Buch in meinem Arm noch fester. Vilkas drehte sich um und wollte fortgehen. ,,Geht nicht!" brach es aus mir heraus. Sofort blieb er stehen und warf mir einen fragenden Blick zu. Nachdem ich mich etwas gefangen hatte, fuhr ich fort: ,,Worum geht es denn? Vielleicht kommen wir ja doch noch ins Geschäft." Er schenkte mir ein bitteres Lächeln und trat wieder ein paar Schritte auf mich zu. ,,Skjor ist tot" begann er ernst ,,und wenn wir nicht bald handeln, kann es einen jeden von uns treffen. Die Silberne Hand will in einen offenen Kampf gegen uns ziehen." Sie hatten also Skjor erwischt? Ich hatte nie sonderlich viel mit ihm zu tun gehabt, aber dass sie ausgerechnet ihn niedergestreckt hatten, überraschte mich. Er schien mir immer sehr bedrohlich, nahezu unbesiegbar. Hoffentlich ging es den anderen gut. Vielleicht würde ich sie ja schon bald wiedersehen können. Wie es ihnen wohl ergangen war seitdem ich Weißlauf verlassen hatte? Erwartend sah Vilkas mich an. ,,Das klingt... nicht gut. Ich verstehe aber nicht ganz was das mit mir zu tun haben soll" erwiderte ich also. Der Nord seufzte und erläuterte: ,,Es gibt eine Möglichkeit uns einen Vorteil zu verschaffen. Bei der Silbernen Hand handelt es sich um Werwolfjäger, doch was wäre, wenn wir es vor einem Kampf schaffen würden, diese Bürde von uns zu nehmen?" ,,Und wie wollt Ihr das anstellen?" fragte ich neugierig. Gab es etwa ein Heilmittel gegen das Bestienblut? ,,Seid Ihr bereit uns zu helfen? Wir werden Euch in Weißlauf von unseren Plänen in Kenntnis setzen" meinte Vilkas bestimmt. Ich schüttelte verständnislos den Kopf. ,,Vilkas, meint Ihr wirklich, Ihr könnt einfach aus dem Nichts hier auftauchen, meine Hilfe erbitten und mich mitnehmen? Ich bin eine vielbeschäftigte Frau, ohne irgendwelche Details werde ich ganz sicher nicht einfach alles stehen und liegen lassen nur um Euch zu dienen!" Der Nord verschränkte seine Arme und erwiderte: ,,Natürlich könnt Ihr nicht verstehen, wie es ist, für das gejagt zu werden was man ist. Ich möchte meinen Fluch loswerden, Ihr hingegen scheint Euch ja mit Eurem inneren Monster angefreundet zu haben!" Zornig warf ich mein Buch mit Wucht auf den Boden, dass sich schon Risse im Holz bildeten und rief: ,,ICH SOLL NICHT WISSEN WIE ES IST VERFOLGT ZU WERDEN? MEIN GANZES LEBEN WURDE ICH VERFOLGT! ALS ICH ENDLICH ETWAS DARAN ÄNDERN KONNTE, HABT IHR MIR DEN RÜCKEN ZUGEKEHRT! WISST IHR EIGENTLICH WIE DAS IST?" Was dachte Vilkas eigentlich wer er war? Er schien sich kein Bisschen verändert zu haben. Er hatte mich damals im Stich gelassen und meinte nun, mir Moralpredigten halten zu können? ,,Ihr habt uns genauso den Rücken zugekehrt" erwiderte er unbeeindruckt. Warum blieb er so ruhig? Es verunsicherte mich. ,,Was habt Ihr schon für eine Ahnung von mir? Ihr meint mich wohl zu kennen nur weil wir miteinander" ich seufzte nur. Es war zwecklos. Aufgebracht hob ich mein Buch auf und warf dem Nord noch einen letzten Blick zu, bevor ich mich abwandte. ,,Saphir" sagte er mit ruhiger Stimme ,,denkt bitte darüber nach. Ihr seid doch immer noch ein Teil der Familie." Ich blieb kurz stehen und wartete ab, ob er noch etwas zu sagen hatte. ,,Ich werde über Nacht im Bienenstich bleiben, vielleicht sehen wir uns morgen, vielleicht auch nicht." Schulterzuckend entfernte ich mich von ihm. Ich spürte seine Blicke in meinem Rücken, doch ich drehte mich nicht mehr um, bis ich die Stufen bei dem Tempel von Mara erreicht hatte.

Saphir    [~Vilkas FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt