Neuanfang

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Ich blinzelte ein paar Male bevor ich meine Augen ganz öffnete. Es dauerte einen Moment bevor ich realisierte, was passiert war. Die Flucht aus Rifton, die Thalmor, der Pfeil.  ,,Wie schön, Ihr seid erwacht!" hörte ich eine tiefe Männerstimme. Vorsichtig richtete ich mich auf und spürte dabei einen stechenden Schmerz in meinem Bauch. Ich lag auf einem großen Bett, ein dünnes Leinenhemd und meine Arbeitshose an mir. Der kleine Raum in dem ich mich befand war in schwaches Kerzenlicht gehüllt, neben meinem Bett saß ein großer Mann. Wie die meisten Nord trug er sein langes, dunkelbraunes Haar offen. Sein Bart war genauso dunkel wie sein Haar, was seine hellen blauen Augen noch mehr hervorhob. Auch wenn er eher gefährlich aussah, wirkte er jedoch sehr freundlich. ,,Wo bin ich?" fragte ich leise. ,,Ihr seid in Sicherheit. Hätte mein Zwillingsbruder Euch nicht vor der Stadt gefunden, wärt Ihr vermutlich verblutet. Zum Glück hat der Pfeil keine lebenswichtigen Organe verletzt, trotzdem hat er Euch ganz schön zugesetzt" entgegnete er und zeigte auf meinen Bauch. Irritiert blickte ich an mir hinunter, wo waren bloß meine Sachen? ,,Sagt mir, wo habt Ihr meine Sachen gelassen?" fragte ich schließlich. ,,Mein Bruder hat sie sicher verstaut, Ihr bekommt sie wieder, sobald es Euch besser geht. Ihr könnt momentan sowieso nirgendwo hin." ,,Was ist mit dem Wolf? Ist er auch getötet worden?" ,,Welcher Wolf? Da war kein Wolf, mein Bruder hat Euch bloß verletzt aufgefunden" entgegnete er verwundert. Ungläubig schüttelte ich meinen Kopf, hatte ich jetzt schon Halluzinationen? Aber wieso hatten die Thalmor von mir abgelassen? Wenn da kein Wolf gewesen wäre, wäre ich doch jetzt in ihrem Gewahrsam. Oder spielte man hier gerade ein übles Spiel mit mir? ,,Doch, da war ein Wolf, ein großer schwarzer" hakte ich bestimmt nach. Der Nord schüttelte wieder den Kopf und wollte etwas entgegnen, als uns plötzlich jemand unterbrach. ,,Was mein Bruder Farkas eigentlich sagen möchte, ist, dass ich den Wolf verscheucht habe." Ein anderer Nord stand in der Tür. Er sah genauso aus wie Farkas, nur war sein Haar ein wenig kürzer und er war nicht so breit wie er. Das war also Farkas Zwillingsbruder, mein Retter. ,,Es tut mir leid, mein Bruder weiß einfach nicht mit Worten umzugehen, er wollte Euch bloß keine Angst machen." Seine hellblauen Augen musterten mich eindringlich. Dann wandte er sich zu seinem Bruder und sagte: ,,Farkas, hol etwas Verbandszeug und Wein gegen die Schmerzen. Ich übernehme hier solange." Farkas nickte stumm, lächelte mich noch einmal freundlich an und verschwand hinter seinem Bruder durch die Tür. ,,Ich habe einige Fragen an Euch. Ich war es, der Euch auf der Straße aufgesammelt hat. Mein Name ist Vilkas, wie wäre es, wenn Ihr mir erst einmal Euren Namen verratet" meinte der Nord in einem strengen Ton. ,,Saphir." Antwortete ich unsicher. Irgendwie fürchtete ich mich ein wenig vor Vilkas. Obwohl ich die beiden Brüder erst eben kennengelernt hatte, und sie sich bis auf das Haar glichen, merkte ich schnell, dass die beiden unterschiedlicher nicht sein konnten. Farkas schien nett, einfühlsam und offen, wohingegen Vilkas überheblich und streng wirkte. Allerdings sollte ich mir nicht zu schnell ein Urteil bilden, immerhin hatte er mich gerettet. ,,Saphir also. Ihr seid hier bei den Gefährten. Normalerweise machen wir so etwas nicht, also irgendwelche Leute von der Straße holen und hier in ein Bett stecken um sie gesund zu pflegen, aber Ihr saht aus, als ob Ihr in Schwierigkeiten stecken würdet. Nun tut mir den Gefallen und erzählt mir, warum die Thalmor Euch verfolgen. Wir wollen hier keinen Ärger. Falls Ihr also ein entflohener Sträfling seid oder ähnliches, sagt es lieber schnell, wir finden es sonst auf anderen Wegen heraus." Drohte er mir gerade? Ich brauchte einen kurzen Moment um die Informationen zu verarbeiten. Ich war also bei den Gefährten in Weißlauf, es gab sie also wirklich. Als Kind hatte ich hier und dort Heldengeschichten dieser Krieger gehört, aber da ich sie nie selbst gesehen hatte, habe ich sie immer für eine Legende gehalten. Und nun war ich tatsächlich bei ihnen. ,,Ich weiß es selber nicht genau. Wirklich, Ihr müsst mir glauben" entgegnete ich eingeschüchtert. Vilkas kam einige Schritte auf mich zu und schaute mich eindringlich an. ,,Ihr lügt, es muss doch einen Grund geben warum diese Elfen Euch töten wollen." Unsicher schaute ich ihn an. ,,Sie wollen mich nicht töten, sie wollen mich lebendig. Ich weiß doch auch nicht wieso. Ich habe mir das alles doch nicht ausgesucht." Tränen sammelten sich in meinen Augen, was sollte ich denn tun? Sollte ich mir irgendeine Lüge zusammenreimen? ,,Ich glaube Euch nicht" knurrte Vilkas. ,,Ihr müsst uns die Wahrheit sagen, wenn Ihr nicht wollt, dass wir Euch wieder auf die Straße setzen." Verzweifelt versuchte ich Worte zu finden. Die ganze Situation überforderte mich und der Schmerz in meinem Bauch wurde wieder größer. Ich schaute an mir hinunter und erblickte einige frische Blutflecken auf dem weißen Hemd. Vilkas Fragen setzten auch meinen Körper unter Druck. Seine Miene wurde ein wenig sanfter, als er die Flecken bemerkte. ,,Farkas müsste bald zurück sein und dann kümmere ich mich um die Wunde" sagte er kalt und verschränkte seine Arme. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen uns aus, aber alles war mir lieber als seinen Fragen ausgesetzt zu sein. Bald kam Farkas mit einer Flasche Wein und einem Verband zurück. Er stellte die Flasche neben mein Bett und drückte Vilkas den Verband in die Hand. ,,Gute Besserung, kommt schnell wieder auf die Beine. Später bringe ich Euch etwas zu Essen!" sagte Farkas freundlich und verließ den Raum. Sehnsüchtig schaute ich ihm hinterher, er sollte mich nicht wieder alleine mit Vilkas lassen. Hoffentlich ließ dieser mich jetzt ein wenig in Ruhe, nachdem er gesehen hatte, wie sehr mich seine Fragen unter Druck setzten. Vilkas setzte sich neben mich auf das Bett und befahl mir mich aufzusetzen. Unter Schmerzen tat ich dies und stützte mich vorsichtig mit den Armen auf das harte Bett. Unsanft griff Vilkas nach dem Saum meines Hemdes und zog ihn ein Stück hoch. ,,Das sieht gar nicht gut aus, der Verband ist fast vollkommen durchgeblutet" murmelte er verärgert. Er löste den Knoten des Verbandes an meinem Bauch und rollte ihn vorsichtig ab. Ich biss die Zähne zusammen um vor Schmerz nicht laut zu schreien. Prüfend schaute sich Vilkas meine Verletzung an und schüttelte den Kopf. Ich musste mich wirklich anhalten, nicht nach unten zu schauen, sonst würde ich sicherlich ohnmächtig werden. Die Wunde sah Vilkas Blick nach zu urteilen nicht sonderlich einladend aus. Er warf den blutverschmierten Verband zur Seite und wickelte den Frischen fest um mich. ,,Wir müssen die Blutung stoppen" murmelte er dabei. Als er fertig war, stand er auf und nahm den blutigen Verband auf. ,,Danke" flüsterte ich leise. ,,Eurer Wade geht es zum Glück besser, bald dürftet Ihr problemlos wieder auftreten können. Wenn Ihr Schmerzen habt, trinkt etwas von dem Wein. Er betäubt diese zumindest ein wenig. Aber nur dass Ihr es wisst, wir sind noch nicht fertig miteinander. Ich will Antworten, und zwar bald. Verstanden?" erwiderte er und funkelte mich finster an. Ich nickte schwach, dann verließ Vilkas den Raum. Wie konnten zwei Menschen sich so ähnlich sehen und doch so unterschiedlich sein. Vilkas schien mich nicht sonderlich zu mögen, hoffentlich waren die anderen Gefährten nicht genauso gestimmt wie er. Farkas zumindest schien mich zu mögen, oder mich wenigstens zu tolerieren. Wenn die Thalmor mich hier erst einmal nicht aufspüren würden, wäre ich schon einmal dankbar. In meinem Zustand konnte ich weder fliehen noch kämpfen, ich war auf die Güte und das Vertrauen der Gefährten angewiesen. Wie würde meine Reise jetzt wohl weitergehen? Solange die Thalmor von meinem Aufenthaltsort keinen Wind bekommen hatten, war ich erst einmal in Sicherheit. Falls doch, war ich ihnen hilflos ausgeliefert, doch auch wenn Vilkas mich nicht sonderlich zu mögen schien, traute ich ihm nicht zu, mich einfach meinen Feinden zu überlassen. Seufzend griff ich nach der Weinflasche. Vielleicht half es ja tatsächlich gegen meine Schmerzen. Der Met im Bienenstich hatte mir ja auch Wärme gespendet. Ich trank einige Schlucke und wieder wurde mir warm. Auch hatte ich das Gefühl ein wenig schläfrig zu werden, weswegen ich die Flasche erst einmal wieder zur Seite stellte. Ich ließ mich langsam in mein Kissen fallen und fiel bald in einen festen, traumlosen Schlaf.

Saphir    [~Vilkas FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt