Rifton

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,,Ihr müsst mir versprechen Eurer Mutter nichts davon zu erzählen. Sonst kann ich Euch nichts mehr beibringen" sagte Brynjolf und schaute mich eindringlich mit seinen grünen Augen an. Ich nickte heftig. ,,Natürlich nicht, alles was ich heute geübt habe ist Bogenschießen bei Cyndric und Schwertkampf bei Euch. Mit den ganzen Diebeshandwerken will ich nichts zutun haben!" Brynjolf grinste zufrieden und wuschelte mir durch mein dunkelrotes Haar. ,,Braves Mädchen. Nun solltet Ihr aber nachhause, sonst kommt Ihr noch zu spät zum Essen."

Enttäuscht seufzte ich. Ich wollte noch nicht nachhause, es machte so viel Spaß mit Brynjolf Taschendiebstahl zu trainieren. Manchmal kam es mir schon fast vor wie Zauberei wenn er mir einen Apfel oder einen Dolch entwendete, ohne, dass ich im Geringsten verstand, wie er das schaffte. Er beeindruckte mich immer wieder. Der junge Dieb mit dem langen Kastanienbraunen Haar konnte einen leicht in den Bann ziehen. Oft wünschte ich mir etwas älter zu sein, damit er mich als Frau wahrnehmen würde und nicht als das dreizehnjährige Mädchen, das ich nun mal war.

,,Wenn Mercer sich nicht wieder beschwert, könnt Ihr gerne morgen direkt wiederkommen. Es macht Spaß mit Euch, Kleine. Ihr lernt schnell. Nun aber los!" Er lächelte mich an. Ich nickte wieder heftig. ,,Danke!" rief ich freudig und fiel ihm um den Hals. Er lachte verlegen, ich spürte wie ich rot anlief. Ich löste mich hastig und murmelte: ,,Bis morgen dann."

Schnell lief ich zu der Leiter, die durch den Kanaldeckel führte, der in dem alten Grabmal mündete, das die Gilde als Geheimgang nutzte. Als ich hinausgeklettert war, war die Grabplatte schon offen. Delvin, ein weiteres Mitglied der Diebesgilde kam mir entgegen. ,,Seid gegrüßt Saphir. Hat Brynjolf Euch wieder etwas Schönes beigebracht?"

Ich mochte Delvin. Er war zwar ein komischer Kauz und war mit seiner Glatze und seinem fortgeschrittenen Alter vielleicht nicht der Ansehnlichste und auch seine tiefe, kratzige Stimme wirkte nicht gerade vertrauenswürdig, aber er hatte ein gutes Herz. Er behandelte mich, als sei ich ein vollwertiges Mitglied und verteidigte mich auch wenn es sein musste vor Mercer, dem Gildenmeister, der meine Präsenz nur selten wirklich tolerierte.

,,Ja, aber jetzt muss ich schnell nachhause, sonst wird meine Mutter böse!" erwiderte ich und eilte hastig an ihm vorbei. Der Alte lachte und rief mir hinterher: ,,Beeilt Euch lieber, ich würde sie an Eurer Stelle nur ungern warten lassen."

Das tat ich auch. Ich sprintete über den Friedhof, hoch zum Tempel von Mara, die Treppe hinunter, über den Marktplatz, geradewegs zu Helgas Herberge, in der meine Mutter und ich zur Untermiete leben durften. Wir hatten nicht viel, meinen Vater, einen Waldelfen aus Valenwald, hatte ich nie kennengelernt. Meine Mutter sprach nie von ihm, ich wusste nur, dass er wohl gestorben war, bevor ich auf die Welt gekommen war. Sie meinte immer, es sei besser, wenn wir nicht darüber sprächen, auch nicht mit anderen. Auch mein Haar sollte ich immer offen tragen, damit man mir nicht direkt ansah, dass ich spitze Ohren hatte.

Ich verstand zwar nicht, wieso das alles so war, aber ich vertraute meiner Mutter. Wenn die Zeit gekommen wäre, so sagte sie immer, würde sie mir alles erzählen.

Als ich endlich angekommen war, saß meine Mutter schon am Tisch und hatte zwei dampfende Schüsseln Suppe vor sich stehen. Sie sah müde aus, wie immer. Obwohl sie noch recht jung war, war sie doch schon ziemlich gealtert. Ihr langes, braun-graues Haar trug sie immer zu einem strengen Zopf, ihre Wangen waren durch viele Sonnenbrände von harter Feldarbeit gezeichnet. Ihre blauen Augen aber strahlten noch voller Leben. Sie hatte die gleichen Augen wie ich. Weil meine Augen aber noch blauer schienen durch mein dunkelrotes Haar, hatte sie mich damals Saphir genannt.

,,So, so. Hast Du wieder die Zeit vergessen bei Brynjolf?" schmunzelte sie. Ich lief schon wieder rot an und entgegnete: ,,Nein Mama, wir haben bloß an einem kräftigeren Schwertschwung gearbeitet. Tut mir leid, dass Ihr warten musstet." Sie grinste mich an, während ich mich trotzig vor sie setzte. ,,Schon gut mein Schatz, es ist ja noch warm. Wir müssen heute Nachmittag übrigens nach Shors Stein. Helga bittet uns darum eine Lieferung Kartoffeln abzuholen, Du hilfst mir doch sicher, oder?" ,,Natürlich" sagte ich, während ich mir die Zunge an der Suppe verbrannte. ,,Saphir, Du darfst nicht immer so schlingen. Dann verbrennst Du Dir auch nicht immer Deine Zunge. Wir sollten übrigens bald nach dem Essen aufbrechen, ich möchte ungerne im Dunkeln zurück. Die Straßen wimmeln schon wieder von Banditen und die Stadtwache hat erzählt, dass wohl auch einige Wölfe gesichtet wurden. Wir müssen also vorsichtig sein." ,,Warum können wir nicht Brynjolf fragen, ob er uns begleitet? Oder jemand anderen aus der Gilde?" fragte ich neugierig. Wenn uns jemand begleiten würde, wäre der Weg bestimmt sicherer für uns. Meine Mutter schüttelte bloß den Kopf. ,,Saphir, es ist auch nicht gerade förderlich, wenn wir in der Öffentlichkeit mit Mitgliedern der Gilde gesichtet werden. Die Wachen misstrauen uns sowieso schon, Du musst vorsichtig sein. Denk dran, in den Augen der Nord bist du eine Fremde. Sie interessiert nicht, dass Du eine Nord bist, sie sehen bloß Deine spitzen Ohren." ,,Ja Mama, tut mir Leid" brummte ich und nahm wieder einen Löffel Suppe. ,,Und denk ja nicht, mir würde entgehen, dass Brynjolf Dir seine kleinen Tricks beibringt. Doch ich warne Dich, wage es ja nicht, diese auszuprobieren." Streng blickte sie mich an. ,,Das stimmt nicht, Mama, er bringt mir bloß das Kämpfen bei. Wirklich!" protestierte ich. Ungläubig schüttelte sie den Kopf und widmete sich dann schweigend ihrer Suppe.

Saphir    [~Vilkas FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt