Bündnisse

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Dünne Nebelschwaden lagen über dem feuchten Gras als ich am frühen Morgengrauen aufwachte. Müde rieb ich mir die Augen und setzte mich auf um nach Rodrik zu sehen, doch lag mein Freund nicht mehr neben mir an der Glut des kleinen Feuers der letzten Nacht. Wo war er hin? Misstrauisch ließ ich meinen Blick umherwandern, doch der Nebel verbarg die weitere Umgebung vor mir. Umso mehr erschrak ich, als ich mir gegenüber eine dunkle Gestalt sitzen sah. In eine tiefschwarze Rüstung und einen ebenso dunklen Umhang gehüllt, das Gesicht unter einem maskierten Helm versteckt. ,,Eine Nachtigall?" fragte ich ungläubig. Was war hier los? Wo war Rodrik? Und wer war diese fremde Nachtigall? Waren Agenten Nocturnals hinter mir her? Mein Gegenüber legte stumm die Hände an seinen Helm und hob ihn langsam herab. ,,Endlich habt Ihr es hergeschafft" sagte Brynjolf mit einem traurigen Lächeln und legte den Helm neben sich ins Gras. ,,Brynjolf?" entgegnete ich verstört und schlug mir ungläubig gegen die Stirn. Das konnte doch nicht wahr sein. Brynjolf war gestorben, in meinen eigenen Armen. War ich in der Nacht ebenfalls gestorben? Wie hatte Brynjolf seine Worte gemeint? Brynjolf schmunzelte stumm und erwiderte dann, als ob er meine Gedanken gelesen hätte: ,,Keine Angst, Ihr seid nicht tot." Verständnislos schüttelte ich den Kopf und rief: ,,Ihr seid tot! Wie kann das sein, dass Ihr hier seid? Ich dachte ich sehe Euch nie wieder!" Noch immer ruhig stand Brynjolf auf und reichte mir die Hand. ,,Fragt Euch lieber wo hier ist" meinte er, während ich zitternd seine Hand ergriff. Ich zuckte zusammen als ich seinen Griff spürte. Es fühlte sich so echt an, doch mir war bewusst, dass es ein Traum sein musste. Ich wusste jetzt schon, dass das Aufwachen aus diesem schmerzhaft sein würde. Mit Leichtigkeit zog Brynjolf mich hoch. ,,Lasst uns ein Stück gehen." Ich nickte nur vollkommen überfordert und ließ mich von ihm führen. Ich verspürte das Bedürfnis ihn richtig zu berühren, ihm nahe zu sein, doch etwas in mir wusste, dass das nicht möglich war. ,,Wie habt Ihr das gemeint, ich hätte es endlich hergeschafft?" fragte ich schließlich als wir uns ein paar Meter von der Feuerstelle entfernt hatten. Seufzend blieb Brynjolf stehen und sah mich an. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen bei dem Anblick seiner mit Trauer gefüllten smaragdgrünen Augen. Augen in die ich so gerne für den Rest meines Lebens geblickt hätte. ,,Ich habe lange darauf gewartet mit Euch sprechen zu können, doch erst jetzt ist es mir möglich" erklärte er mit ernster Miene. Auch wenn ich wusste, dass es ein Traum war, kam es mir plötzlich so wirklich vor, als wäre es tatsächlich Brynjolf der da vor mir stand, und nicht nur eine Rekonstruktion meiner Erinnerungen in meinem Unterbewusstsein. ,,Was wollt Ihr mir denn sagen?" fragte ich unsicher und versuchte gegen mein Bedürfnis anzukämpfen ihm näherzukommen. Er senkte seinen Blick. ,,Ich will, dass Ihr mich vergesst" sagte er bestimmt und ließ meine Hand aus der seinen gleiten. ,,Wie könnte ich das jemals?" entsetzt wollte ich wieder seine Hand nehmen, doch griff ich nur in die Leere. ,,Vergesst mich endlich" wiederholte Brynjolf und sah mir ernst in die Augen ,,oder tut es Euch gut Euch an mich zu erinnern?" ,,Brynjolf" entgegnete ich schwach ,,ich kann Euch doch nicht einfach vergessen." Er schüttelte den Kopf und machte Anstalten weiterzugehen. ,,Ihr sucht auf der falschen Seite" meinte er während wir langsam weiter durch den Nebel liefen. ,,Wonach suche ich auf der falschen Seite?" fragte ich unverständig. Er warf mir einen müden Blick zu und antwortete: ,,Ihr wisst selbst was es ist. Und das findet Ihr nicht bei den Toten, sondern unter den Lebenden." ,,Seid Ihr nur gekommen um mir das zu sagen?" missmutig verschränkte ich meine Arme. Warum verletzte mich das überhaupt so sehr, ich wusste doch, dass er nur ein Traumgebilde war. ,,Saphir" meinte Brynjolf ernst und blieb erneut stehen. Er legte seine Hände auf meine Schultern und fixierte mich mit seinen grünen Augen. ,,Ich kann Euch nichts mehr geben, ich bin tot. Alles was ich in Euch auslöse ist Wut, Trauer und Kummer" fuhr er fort ,,doch auch wenn ich noch leben würde, wäre ich Euch nie gerecht geworden. Ich hatte Euch nie verdient. Ist Euch denn nicht bewusst, was Ihr alles für mich aufgegeben habt? Werft nun nicht auch noch den Rest Eures Lebens aus Euren Schuldgefühlen mir gegenüber weg." Träumte ich diese Begegnung wirklich nur? ,,Brynjolf?" ungläubig sah ich ihn an ,,Seid Ihr es? Seid Ihr es wirklich?" Brynjolf löste seinen Griff und ging einen Schritt zurück. ,,Spielt das überhaupt eine Rolle? Vielleicht gibt es einfach Dinge die Ihr hören müsst. Tief in Euch drin wisst Ihr auch das ich recht habe!" ,,Ich liebe Euch" entgegnete ich traurig. ,,Nein" antwortete Brynjolf knapp ,,und auch das wisst Ihr inzwischen. Ich war nicht gut für Euch und kann es auch nicht mehr sein. Es tut Euch nicht gut Euch an mich zu erinnern. Ihr begeht gerade einen großen Fehler." ,,Fehler?" fragend sah ich ihn an. Stumm deutete Brynjolf in den Nebel, in dessen Schwaden ich kurz den Schatten eines Wolfes erkennen konnte. ,,Ich" begann ich, doch die Worte blieben mir im Halse stecken. ,,Lasst es zu" mahnte Brynjolf mich und wandte sich wieder mir zu ,,und lebt!" ,,Es ist schwer ohne Euch" murmelte ich trocken. ,,Ihr habt lange genug Zeit gehabt es zu lernen, trauert nicht mehr um mich und seht nach vorne" begann er ,,es ist an der Zeit Lebewohl zu sagen." ,,Werdet Ihr nun gehen?" fragte ich fast schon panisch. ,,Gehen?" Brynjolf schmunzelte und strich mir sanft über die Wange, sodass ich eine schreckliche Gänsehaut bekam. Mein Herz setzte beinahe aus, als er sich zu mir neigte und mir einen letzten Kuss gab. Ich schloss die Augen und hoffte, er würde niemals enden. Als er sich langsam wieder von mir löste, flüsterte er: ,,Ich möchte, dass Ihr lebt. Doch dafür müsst Ihr nun aufwachen."

Saphir    [~Vilkas FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt