Bereits am Mittag des nächsten Tages hatten wir die verschneite Stadt erreicht. Morthal war nicht sonderlich weit von Weißlauf entfernt, jedoch musste man sich auf einer Reise dorthin zwischen dem Weg durch das Gebirge oder einem der um eben dieses herumführte entscheiden. Da Rodrik den Weg besser kannte als ich – ich war noch nie zuvor in Morthal gewesen – hatte ich diese Entscheidung ihm überlassen. Also waren wir über die Berge marschiert. Auch wenn der Vampir immer wieder versucht hatte, aus mir herauszubekommen, warum ich es plötzlich so eilig hatte, nach Morthal zu kommen, blieb ich stur und erzählte ihm kein Wort von dem, was ich in Vilkas' Brief gelesen hatte. Ich wollte zunächst herausfinden, ob der Werwolf mit seinen Vermutungen bezüglich Morthals richtig gelegen hatte. ,,Wollt Ihr mir nun endlich sagen, was Ihr vorhabt?" fragte Rodrik wieder ungeduldig, während ich meinen Blick über die nebelige Moorlandschaft, die sich unmittelbar hinter der verschneiten Stadt erstreckte, wandern ließ. ,,Schön hier" murmelte ich ohne auf seine Frage einzugehen und lief weiter die Straße hinunter. ,,Ich habe Euch nicht zu viel versprochen, was?" bemerkte Rodrik und eilte mir hinterher. Morthal war wirklich alles andere als eine große Stadt. Durch die düstere Umgebung und die hohen Bäume, hätte es mich nicht überrascht, wenn wir einfach an Morthal vorbei, oder gar hindurch gelaufen wären, ohne es auch nur zu bemerken. Die Stadt war um einen frostigen, kleinen See herumgebaut worden. Einige der Häuser waren nur über verschneite Stege zu erreichen, auf denen man sicherlich – wenn man nicht aufpasste - wunderbar ausrutschen könnte. Ein paar Fischerboote wippten sanft auf dem noch nicht vollkommen vereisten Wasser auf und ab, wobei ich doch stark zu bezweifeln wagte, dass man hier auch nur irgendetwas fangen können würde. Die kläglich gepflasterte Straße, auf der wir liefen, mündete hinter einer Steinbrücke an einer kleinen Holz-Mühle. Danach folgte nichts als neblige Wildnis. Sonderlich lang wollte ich mich hier nicht aufhalten, auch wenn mir die Stadt noch immer besser als Markarth gefiel. Kaum ein Mensch war zu sehen. Vor einem größeren Haus, bei dem es sich wahrscheinlich um das Langhaus des Jarls handelte, hielt ich an und schaute nachdenklich zu dem Wachmann hinüber, der vor der Tür stand. ,,Nun sprecht doch endlich Saphir" bettelte Rodrik wieder als er neben mir zum Stehen kam. ,,Nun geduldet Euch noch ein kleines Bisschen, mit etwas Glück werdet Ihr bald schon erfahren, was ich vorhabe" besänftigte ich ihn. ,,Wir haben doch sonst keine Geheimnisse voreinander" meinte Rodrik und verschränkte missmutig die Arme vor der Brust. ,,Ist dem so?" merkte ich mit hochgezogener Augenbraue an und ging dann ein paar Schritte auf den Wachmann zu. ,,Bleibt stehen, Bürger!" sagte dieser in einem strengen Ton ,,Habt Ihr ein Anliegen an den Jarl?" Ich schüttelte den Kopf und antwortete: ,,Ich möchte Euch bloß eine Frage stellen. Wisst Ihr, wo ich den Zauberer Falion finde?" ,,Was wollt Ihr von diesem frevlerischen Totenbeschwörer? Ich würde mich an Eurer Stelle lieber fern von ihm halten, man munkelt, er töte Kinder und verspeise ihre Herzen" behauptete der Wachmann. ,,Sitzt er denn in Eurem Kerker?" fragte ich ungläubig. Zu solch einer Person hätte mich Vilkas nie alleine hingeschickt. ,,Nein, das tut er nicht." ,,Dann wird vermutlich auch nicht viel an den Gerüchten dran sein. Sagt, wo finde ich ihn?" hakte ich nach. Seufzend hob der Mann den Arm und deutete auf ein Haus am Ende des Steges. ,,Dort ist sein Haus, fangt am besten da an zu suchen. Aber sagt nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt" meinte er schließlich. ,,Habt Dank" erwiderte ich lächelnd und zog Rodrik mit mir in die soeben gezeigte Richtung. ,,Totenbeschwörung? Saphir? Was habt Ihr vor? Brynjolf wiederbeleben? Ich dachte wir sind hier, um einen Auftrag zu erledigen!" Augenblicklich drehte ich mich um und funkelte ihn an. ,,Passt auf was Ihr sagt" knirschte ich ,,und habt Geduld." ,,Entschuldigt" flüsterte der Vampir und wir liefen stumm den rutschigen Steg entlang. Langsam wurde auch ich unruhig. Vilkas hatte mir neue Hoffnung gegeben, Hoffnung darauf, mein Leben zurückzuerlangen. Wenn diese Hoffnung nun zerschmettert werden würde, weil irgendein Quacksalber sich wichtigmachen wollte, wäre die ganze Reise umsonst gewesen. Die paar Goldmünzen die der Bretone uns für seinen Ring geben würde, waren es gewiss nicht wert, in diese so düsterte Ecke Himmelsrandes zu reisen. Nervös klopfte ich an die Tür des Hauses, an das der Wachmann uns verwiesen hatte. ,,Na hoffentlich bekomme ich jetzt meine Antworten" murmelte Rodrik beleidigt. Die Tür ging einen Spalt breit auf und zu meiner Überraschung stand ein junges Mädchen vor uns. Ihr zerzaustes braunes Haar trug sie offen und ihre kleinen braunen Augen musterten mich misstrauisch. Ob sie die Tochter des Zauberers war, den ich suchte? ,,Was wollt Ihr hier?" fragte sie und warf nun auch Rodrik einen fast schon bedrohlichen Blick zu. ,,Ich bin auf der Suche nach Falion, ist er nicht hier?" erklärte ich mich und versuchte dabei so freundlich wie möglich zu klingen. ,,Ich verstehe" begann die kleine und schob die Tür ein wenig weiter auf ,,jetzt wagen zwei von diesen sich schon an Eure Haustür, Falion!" Hinter ihr trat nun ein dunkelhäutiger Mann, vermutlich ein Rotwardone, hervor, der in eine violette Kutte eingehüllt war, so wie es für Hofzauberer Himmelsrandes üblich war. Die Kapuze hatte er tief in sein Gesicht gezogen, sodass gerade so ein Schatten von einem kurzen Bart sichtbar war. Als er seinen Blick hob und mir in die Augen sah, wusste ich sofort, dass er wusste, was ich – was wir waren. ,,Woas wollt Ihr von mir, Kreaturen der Nacht? Wenn Ihr Ärger wollt, lasst es lieber bleiben, mit Eurer Spezies kenne ich mich bestens aus" verkündete der Zauberer mit verschränkten Armen. ,,Ihr hättet keine Chance gegen uns, Blutsauger!" rief das Mädchen stolz und streckte die Brust hinaus. ,,Wollt Ihr uns umbringen?" flüsterte Rodrik und sah entgeistert zu mir. Bestimmt sagte ich zu Falion: ,,Wir wollen keinen Ärger. Ein guter Freund erzählte mir, Ihr wüsstet ein Heilmittel gegen diese Krankheit." ,,Krankheit?" fragte Rodrik mich vorwurfsvoll von der Seite, doch fixierte ich noch immer den Zauberer, der nun ruhig nickte und entgegnete: ,,Das stimmt. Viele Jahre habe ich mich nun mit dem Studium des unsterblichen Blutes beschäftigt. Selten wünschen sich Geschöpfe der Nacht jedoch eine Heilung. Darf ich fragen was Euch dazu veranlasst?" Ich tauschte einen langen Blick mit Rodrik aus, der nur fassungslos den Kopf schüttelte, dann erklärte ich: ,,Ich vermisse die Wärme der Sonne, den Geschmack von Essen, die Luft zum Atmen und besonders" ich sah noch einmal zu dem verständnislosen Rodrik hinüber ,,die Aussicht auf einen nahenden Tod." ,,Wenn dem so ist, werde ich Euch, und auch Eurem Freund helfen" verkündete Falion mit einem verschwörerischen Lächeln. Konnte ich dem Mann vertrauen? Vilkas hätte mich nicht zu ihm geschickt, wenn er Zweifel gehabt hätte, nein, ganz sicher nicht. ,,Was wollt Ihr für Eure Kunst haben?" fragte ich entschlossen. ,,Euer Vertrauen in meine Fähigkeiten ist mir Lohn genug. Und natürlich ist es mir immer eine Freude, Himmelsrand von Kreaturen der Nacht zu befreien" erwiderte Falion genüsslich. Der letzte Satz verunsicherte mich, was war, wenn es nicht funktionieren würde? Würde er dann versuchen uns zu töten? Vielleicht wäre es doch besser gewesen, Vilkas hätte uns begleitet. Das kleine Mädchen zupfte an seinem Gewand und meinte: ,,Zumindest ein wenig Gold könnt Ihr von den Blutsaugern doch verlangen!" Der Zauberer wollte etwas entgegnen, doch ich kam ihm zuvor. ,,Wenn Eure Arbeit mich zufrieden stellt, werde ich Euch selbstverständlich trotzdem entlohnen. Gold ist für mich kein Thema. Doch wehe Euch, Ihr versucht uns zu hintergehen." ,,Dann sei es so" sagte er lächelnd. ,,Wann ist es soweit?" fragte ich unruhig. Ich wollte endlich frei sein. Jetzt wo die Heilung wohl so nah war, konnte ich es kaum abwarten, auch wenn der Zauberer es mir etwas mulmig zumute werden ließ. ,,Ich habe alles da" erklärte Falion ,,trefft mich heute Nacht im Moor. Angi wird bei der Mühle auf Euch warten und Euch zu mir führen" dabei deutete er auf das Kind neben sich, das mich noch immer zornig anstarrte. Ich war überrascht. So schnell schon sollte es geschehen? Ich hatte mit Wochen, Monaten, ja zumindest ein paar Tagen gerechnet, doch schon heute Nacht? Heute Nacht könnte ich von meinem Fluch befreit werden und wieder ein sterbliches Leben führen? Als ich noch etwas sagen wollte, schloss der Zauberer schon wieder die Tür. Unsicher sah ich zu Rodrik hinüber, der mich noch immer mit finsterer Miene begutachtete. ,,Rodrik, Ihr müsst doch verstehen" begann ich, als Rodrik mir ins Wort fiel: ,,Verstehen? Wie soll ich Verständnis dafür haben, dass Ihr mein Geschenk aufgeben wollt? Ich habe Euch vor dem Tode bewahrt, Euch Kräfte gegeben, von denen jeder Sterbliche nur träumen kann!" Da hatte er zwar recht, aber zu welchem Preis hatte ich diese Kräfte gewonnen? Ich schlief nicht, ernährte mich von dem Blut anderer Lebewesen und irgendwann wären alle, die ich kannte, schon lange tot, während ich die Jahrhunderte alleine durchwandern müsste. ,,Sagt mir nicht, dass Ihr noch nie darüber nachgedacht hättet es aufzugeben" konfrontierte ich meinen Freund. Zornig entgegnete er: ,,Solch abwegige Gedanken lasse ich gar nicht erst zu!" ,,Warum seid Ihr darüber überhaupt so erregt?" fragte ich misstrauisch ,,Es ist doch meine eigene Entscheidung, mich heilen zu lassen. Niemand zwingt Euch, es mir gleich zu tun!" Rodrik schüttelte vehement den Kopf und knirschte: ,,Ihr seid doch von Sinnen! Ihr habt keine Ahnung was Ihr da tut!" Dann wandte er sich ab und lief über den Steg zurück. ,,Rodrik, jetzt wartet doch! Was soll denn das?" rief ich ihm hinterher und nahm die Verfolgung auf. Kurz bevor ich ihn erreichte, rutschte ich auf dem nassen Holz aus und fiel zu Boden. Flehend sah ich zu Rodrik, der sich mit glühenden Augen umdrehte und in einem eigenartigen Ton flüsterte: ,,Ihr lasst mich jetzt besser alleine!" Hilflos sah ich zu, wie Rodrik die Straße hinauflief und dabei war, die Stadt zu verlassen. Was war bloß in ihn gefahren? Mir war von Anfang an bewusst gewesen, dass er von meinem Plan nicht begeistert sein würde, doch so eine scharfe Reaktion hatte ich nicht erwartet. Ging es nur darum, dass ich sein ,,Geschenk" ablehnte, oder steckte noch mehr dahinter? Er hatte doch schon immer gewusst, dass ich sehr mit dem Vampirismus in mir kämpfte. ,,Braucht Ihr Hilfe werte Dame?" riss ein vorbeigehender Wachmann mich aus meinen Gedanken. Ich schüttelte nur den Kopf, stand auf, klopfte den Schnee von meinen Kleidern und beeilte mich Rodrik zu folgen. Eigentlich glaubte ich doch meinen Freund zu kennen, doch nun war er mir völlig fremd. Noch nie hatte ich ihn so erlebt wie heute, ich hatte nicht den blassesten Schimmer, was er vorhatte. Hastig eilte ich die verschneite Straße hinauf. Zum Glück hatte die Sonne sich noch immer nicht hinter den grauen Wolken hervor gewagt. Kurz musste ich stehen bleiben und mich umsehen. Wo war Rodrik nur hin? ,,Rodrik!" rief ich laut und hielt Ausschau in alle Himmelsrichtungen. Vor dem Gebirge in der Ferne taten sich hier und da Walstückchen in der wüsten Umgebung auf, ob er sich hinter irgendwelchen Bäumen versteckte? Ich musste ihn finden, wer konnte schon wissen, was er in seinem Zustand jetzt vorhatte. Vielleicht würde er auch von selbst zurückkehren, aber darauf wollte ich mich nicht verlassen. Immerhin hatte ich ihn zuvor noch nie so erlebt. Nun ließ ich meinen Blick über den Boden wandern, vielleicht konnte ich ja Fußspuren im Schnee finden, die mich zu meinem Freund führen würden. Tatsächlich entdeckte ich vermutlich frische Spuren im Schnee. Ich konnte nur hoffen, dass es sich dabei tatsächlich um Rodriks handelte. Also lief ich in die Richtung in der ich meinen Freund vermutete. Die Fußspuren führten mich geradewegs zu einer Gruppe von verschneiten Tannen zu, die mit einigen weiteren Bäumen und Sträuchern ein kleines Waldstück bildeten. Als ich hineintrat, vernahm ich den Geruch von frischem Blut. Irgendwo hier musste der Vampir also sein, und er hatte gejagt. So leise wie möglich bewegte ich mich über den frostigen Boden und folgte dem Duft. Dann endlich, zwischen zwei Baumstämmen hockte Rodrik über einem Hirsch, aus dessen Kehle Blut floss. So warm, dass es zu dampfen schien. Noch so ein Grund, warum ich mir mein menschliches Leben zurückwünschte. Tiere zu töten lag einfach nicht in meiner Natur. Vorsichtig näherte ich mich dem Vampir, der sich mit dem Rücken zu mir über das Tier beugte. ,,Rodrik?" fragte ich unsicher, als ich unmittelbar hinter ihm stand. Hastig stand er auf und drehte sich zu mir um. ,,Ich habe doch gesagt, dass Ihr mich in Ruhe lassen sollt" zischte er mit noch immer glühenden Augen und wollte sich abwenden, doch ich packte ihn am Arm und entgegnete: ,,Ich lass Euch erst in Ruhe wenn Ihr mir erklärt, was in Euch gefahren ist, bei den Göttern!" ,,In mich? Ich frag mich eher, was wohl in Euch gefahren ist!" fauchte Rodrik und riss sich zornig los ,,Warum wollt Ihr unbedingt Euer sterbliches Leben zurück, wo Ihr damals doch nichts als Schmerz empfunden habt?" Er hatte recht, viele Schmerzen hatte ich in meinem sterblichen Körper ertragen müssen, auch Schwäche, die ich seit meiner Verwandlung durch ihn überwunden hatte. Doch auch hatte ich mehr empfunden als bloßen Schmerz. ,,Rodrik" begann ich ,,Ihr wisst doch, dass ich mir nicht ausgesucht habe, wie Ihr zu werden. Ich weiß, dass es Ihr es tatet um mich zu retten, doch seit der Schlacht kommt mir alles vor wie ein ewiger, niemals endender Tag. Ich kann und will das nicht mehr." ,,Jetzt beschuldigt Ihr mich also auch noch, Euer Leben verschlimmert zu haben?" erwiderte Rodrik wütend und seine Augen schienen noch bedrohlicher zu glühen. ,,Ihr wisst genau, dass ich das nicht so gemeint habe" sagte ich verzweifelt ,,Ihr habt mich vor dem Tode bewahren wollen, und das war eben nur auf diesem Wege möglich!" ,,Und als Dank" meinte Rodrik ,,habt Ihr Euch nun vorgenommen mich alleine zu lassen!" ,,Was?" unverständig sah ich meinen Freund an, der noch immer vor Wut zu kochen schien ,,Euch alleine zu lassen?" Plötzlich unsicher ließ der Vampir seinen Blick sinken und trat einen Schritt zurück. ,,Rodrik?" fragte ich vorsichtig und versuchte seinen Blick wieder einzufangen, doch er wich mir gekonnt aus. ,,Bitte tut es nicht" flüsterte er nur leise und seine Augen nahmen langsam wieder das tiefe Rot an, das ich kannte. ,,Was meint Ihr denn mit alleine lassen Rodrik?" fragte ich wieder ,,Ich werde doch nicht von Eurer Seite weichen, bloß weil ich wieder sterblich sein werde!" Nun sah der Vampir mir wieder in die Augen. ,,Und wie lange noch?" entgegnete er abschätzig. Verwirrt schüttelte ich den Kopf. ,,Wie lange noch?" wiederholte Rodrik lauter ,,Wie lange noch bis der Tod Euch mit seinen Klauen ergreift und Euch für immer aus dieser Welt reißt?" Und endlich leuchtete mir ein, warum er sich so auffällig verhielt. Ich erinnerte mich an das Gespräch im Krankenzelt, als ich nach der Schlacht mit dem Vampirismus erwacht war und Rodrik an meinem Bett gesessen hatte. Er hatte meinen Tod nicht zulassen können, da ich die einzige Person in seinem Leben war, die er als Familie betrachtete. Deshalb fühlte er sich durch meine Entscheidung verraten, vielleicht hätte ich ihn früher einweihen müssen. Doch nun war es eben, wie es war. ,,Lasst Euch doch mit mir heilen" schlug ich leise vor. Ich wollte meinen Freund nicht wieder in die Flucht schlagen, doch vielleicht würde er es ja in Erwägung ziehen, ebenfalls seine Sterblichkeit zurückzuerlangen. Angewidert schüttelte Rodrik den Kopf und erwiderte: ,,Ich habe Euch doch zu verstehen gegeben, dass ich das nicht möchte." ,,Wie viele Jahrhunderte wollt Ihr denn noch auf dieser furchtbaren Welt wandeln?" fragte ich aufgebracht ,,Alleine und ohne Aussicht auf eine Erlösung?" ,,Wie soll ich denn die Jahrhunderte ohne Euch verbringen?" antwortete er kaum hörbar und senkte seinen Kopf erneut. ,,Ich verstehe nicht, warum Ihr eine Heilung nicht in Betracht zieht. Vermisst Ihr denn nicht auch manchmal den Geschmack von Met? Süßen Speisen? Oder das Gefühl von Schlaf? Wenn die Strahlen der Sonne die Haut erwärmen ohne zu schwächen?" erwartungsvoll blickte ich ihn an. Er zuckte nur mit den Schultern und erwiderte: ,,Der Preis der Sterblichkeit ist zu hoch für solch niedrige Vergnügungen." ,,Mir ist es lieber alt und gebrechlich zu sterben, als ewig jung zu bleiben und darauf zu warten, dass mir jemand ein Silberschwert zwischen die Rippen bohrt oder ich einem Feuer zum Opfer falle" entgegnete ich bestimmt ,,was ist denn so schlimm daran alt zu werden?" ,,Es ist nicht das Alter was mir missfällt" meinte Rodrik und schaute mir tief in die Augen ,,es ist der Tod. Ich will nicht sterben, Saphir." Und das erste Mal seit unserer Begegnung sah ich etwas in seinen Augen, das ich noch nie zu vor gesehen habe: Angst. Rodrik fürchtete sich vor dem Tod. ,,Aber Rodrik" sprach ich zögerlich ,,Ihr habt Euch doch auch nicht ausgesucht Euer sterbliches Leben aufzugeben. Der Vampirismus hat auch Euch vor dem Tod bewahrt und einiges an Lebenszeit geschenkt, meint Ihr nicht, dass Ihr lange genug davon gezehrt habt?" Mein Freund schüttelte wieder den Kopf und erläuterte: ,,Meine Verwandlung ist unter sehr ähnlichen Bedingungen wie die Eure geschehen, ich habe dem Tod ins Angesicht geblickt. Mir hat nicht gefallen, was ich da gesehen habe." Nachdenklich ließ ich meinen Blick zu den Baumkronen wandern und überlegte, wie ich Rodrik vielleicht doch noch überzeugen konnte. Ich hatte mir seit dem Tod Brynjolfs nichts lieber gewünscht als ihm so bald wie möglich nachzufolgen, doch Rodrik hatte wirklich Angst vor dem Sterben. ,,Meint Ihr nicht" fragte ich leise ,,dass es daran lag, dass Ihr jung wart, als es geschah? Es ist doch etwas anderes durch ein Schwert zu sterben, als im Alter, nach einem erfüllten Leben, selig einzuschlafen. Denkt doch wenigstens darüber nach... es muss ja nicht gleich heute Nacht geschehen." ,,Ihr glaubt nicht, was ich alles verlieren musste, Saphir. Bitte, lasst mich nun nicht auch noch alleine" flehte er traurig. ,,Bitte versteht doch Rodrik, für mich gibt es kein Zurück mehr. Durch Vilkas habe ich nun endlich wieder die Möglichkeit meine Sterblichkeit zurückzuerlangen!" ,,War ja klar, dass der da wieder mit drin hängt" sagte Rodrik abschätzig und verschränkte die Arme. Ich verdrehte die Augen und antwortete: ,,Er hat mit meiner Entscheidung nichts zu tun. Er hat mir schlicht und ergreifend gesagt, wo und wie ich mich von dem Fluch befreien lassen kann." ,,Ich verstehe" meinte Rodrik kühl und schwieg dann. Auch ich wusste nicht so recht, was ich nun sagen sollte. Ich wollte meinem Freund doch nicht wehtun, erst recht nicht alleine lassen, doch auch wollte ich endlich meine Sterblichkeit zurück. Für mich war es keine Option nun einen Rückzieher zu machen. ,,Ich weiß nicht was Eure Seele so betrübt" brach ich schließlich das Schweigen ,,aber was auch immer es ist, wollt Ihr noch Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte mit Eurem Schmerz zubringen? Ich für meinen Teil möchte nicht länger als nötig mit meinen Erinnerungen leben müssen." ,,Ich verstehe ja" er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort ,,ich brauche etwas Zeit für mich. Dieses Mal bitte ich Euch höflicher und ruhiger. Keine Angst, ich werde zurückkommen nach Morthal. Fragt mich nur nicht wann, ich muss nachdenken." Ich nickte stumm mit einem verunsicherten Lächeln auf den Lippen. Rodrik schenkte mir ebenfalls ein müdes Lächeln und flüsterte noch ein knappes: ,,Bis dann" bevor er sich umdrehte, mit einem Satz über den Hirsch sprang und zwischen den Bäumen verschwand. Ich sah ihm noch hinterher, bis er aus meinem Blickfeld verschwunden war und machte mich wieder auf den Weg nach Morthal. Auch ich musste unser Gespräch erst einmal verarbeiten, doch mein Entschluss stand fest, daran würde auch Rodrik nichts ändern können. Wann er wohl zurückkommen würde? Hoffentlich wollte er sich nicht allzu viel Zeit lassen, immerhin hatten wir noch einen Auftrag zu erledigen. Außerdem hatte ich noch ganz eigene Pläne geschmiedet, die in die Tat umgesetzt werden wollten. Doch nun hieß es erst einmal abwarten. Abwarten bis die Sonne hinter den fernen Hügeln verschwunden und die Nacht angebrochen sein würde.
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Saphir [~Vilkas FF]
FanfictionSechs Jahre nachdem ihre Mutter gewaltsam ermordet und sie selbst entführt worden war, gelingt es der jungen Waldelfe Saphir sich aus der Gefangenschaft der Thalmor zu befreien. Zurück in der Freiheit muss sie jedoch merken, dass sie von nun an auf...