Wendungen

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Mehrere Stunden waren wir nun schon unterwegs und ritten durch die kalte Nacht. Wenigstens hatte sich der Schneesturm gelegt, aber die Kälte kroch mir an allen Stellen unter die Rüstung. Schwach klammerte ich mich an Vilkas fest, dessen Wärme mich wegen der Rüstungen nicht ansatzweise erreichen konnte. Bald übermannte mich auch die Erschöpfung des vergangen Tages. Endlich hatte ich das Geheimnis um meinen Vater gelüftet, doch fühlte ich mich keinen Deut besser. Alles schien so sinnlos, ich war bloß wegen ihm festgehalten worden und auch Mutter hatte seinetwegen sterben müssen. Wenn es aber nun tatsächlich eine Möglichkeit gäbe, meine Freiheit und meine Rache zu erlangen, wollte ich mit ihm zusammenarbeiten, obwohl Vilkas sich dagegen stellte. Aber es war auch nicht sein Kampf, es war meiner.

Seitdem wir die Festung meines Vaters verlassen hatten, war er nicht sonderlich gesprächig gewesen, aber das waren wir alle nicht. Zumindest wir Sterblichen waren erschöpft und sehnten uns nach dem Ende unserer Reise, aber auch Rodriks Nerven lagen bald blank. In wenigen Stunden müssten wir die Stadt erreichen, doch ich wurde immer schwächer und schwächer und fühlte mich bald, als ob die Kälte mich umbringen würde. Auch wurde mein Griff um Vilkas' Oberkörper immer lockerer und ich musste mir, trotz den Bewegungen des Pferdes, Mühe geben, nicht mein Bewusstsein zu verlieren.

,,Saphir? Seid Ihr in Ordnung?" fragte mich Rodrik besorgt, der die gefesselte Marelia vor sich gesetzt hatte, damit sie nicht vom Pferd springen konnte. Natürlich, für ihn war die Dunkelheit kein Problem, er konnte mich sicherlich gut beobachten. Ich wollte etwas erwidern, doch ich fühlte mich einfach zu schwach. Nun schien auch Vilkas bemerkt zu haben, dass meine Kraft nachließ und verlangsamte das Tempo. ,,Saphir? Was ist los?" der Nord klang ebenfalls ziemlich besorgt. ,,Ich weiß es nicht" brachte ich schließlich hervor. So hatte ich mich noch nie gefühlt. Angestrengt versuchte ich meinen Griff wieder zu festigen, doch es ging nicht, mein Körper gehorchte mir nicht. ,,Ich denke, sie braucht eine Pause" mischte Marelia sich ein. ,,Das ist doch Unsinn! Bei so einer Kälte ohne Bewegung kommt sie noch um!" entgegnete Vilkas zornig. ,,Dann müssen wir eben ein Feuer machen!" meinte die Hochelfe nun ernst. ,,Damit Eure Thalmorfreunde uns finden?" fragte Vilkas misstrauisch. Langsam rutschte ich herab, sodass Vilkas schnell mit seiner Hand nach meinem Arm greifen musste, das Pferd kam nun zum Stehen und auch Rodrik zog an den Zügeln seines Pferdes. ,,Wollt Ihr dass sie stirbt? Daran ist keiner von uns interessiert oder?" erwiderte Marelia kühl. ,,Vilkas, ich denke eine Pause würde Saphir guttun. Seht sie Euch doch an. Ich glaube sie ist krank." Rodriks Stimme klang ernster als sonst, sah ich wirklich so elend aus? ,,Man wird uns finden!" protestierte Vilkas noch immer, doch ich hörte schon wie Rodriks Füße den Boden berührten und er Marelia von dem Pferd zog. Vilkas seufzte angestrengt und meinte schließlich: ,,Eine kurze Pause vielleicht, doch dann müssen wir weiter. Es sind sicherlich nur noch ein paar Stunden bis Rifton und da könnte ein warmes Bett auf sie warten. Ich habe noch genug Gold." ,,Und selbst wenn nicht, Saphir hat sicher noch genug Freunde in Rifton, die uns helfen können!" witzelte Rodrik. Wie sollte das mit uns vieren in Rifton bloß werden? Vilkas seufzte noch einmal und sagte dann: ,,Ich will nicht, dass sie fällt, helft mir sie vom Pferd zu heben. Und Ihr da" damit war vermutlich Marelia gemeint ,,kommt bloß nicht auf dumme Gedanken." Dann spürte ich schon Rodriks Hände an meiner Hüfte. Selbst diese kamen mir schon warm vor, obwohl sie eigentlich so kalt wie Eis sein müssten. Als ich neben dem Pferd stand und Vilkas hinuntersprang, musste ich mich an Rodrik festhalten, da meine Beine sich weicher als ein Süßkuchen anfühlten. Angestrengt legte ich meine Arme um den Vampir. ,,Vilkas, ich glaube wir müssen wirklich ein Feuer machen und ihr etwas von den Vorräten geben. Sie ist sehr schwach und auch ihr Herz schlägt langsamer." Mühsam hielt ich meine Augen auf und sah zu dem besorgten Werwolf hinüber. ,,Ich mache die Pferde am Baum dort fest und kümmere mich um Feuerholz. Rodrik, bleibt bei Saphir und passt darauf auf, dass sie bei Bewusstsein bleibt. Marelia, Ihr kommt mit mir." Rodrik nickte nur und wandte sich dann wieder mir zu. ,,Saphir, bleibt bei mir, ja? Ich passe auf Euch auf und wenn Ihr erstmal etwas im Magen habt, geht es Euch bestimmt besser." Ungläubig sah ich ihn an, während Vilkas die Pferde anband. Hunger? Ich hatte doch gar keinen Hunger. Ich wollte einfach nur schlafen, in einem warmen Bett. So müde wie in diesem Moment bin ich noch nie gewesen. Vilkas kam noch einmal zurück und warf den kleinen Vorratsbeutel, der am Pferd gehangen hatte, neben uns auf den Boden, dann zog er Marelia mit sich in die Dunkelheit. ,,Kommt Saphir, setzt Euch erst einmal" sagte Rodrik ruhig und ließ mich sanft auf den kalten Boden gleiten. Er hielt mich fest und setzte sich dann neben mich. Nachdem er eine Weile in dem Beutel umhergekramt hatte, zog er triumphierend einen Apfel hervor. ,,Das ist bestimmt gesund. Vielleicht hilft es ja" murmelte er und drückte mir den Apfel in die Hand. Unwillig sah ich ihn an.

Ich hatte nicht einmal genug Kraft um etwas zu Essen. Wie konnte sich mein Zustand so rasant verschlechtert haben? Als wir losgeritten waren, fühlte ich mich doch noch relativ stark. Rodrik seufzte und führte meine Hand näher an meinen Mund. ,,Ich werde Euch jetzt nicht füttern, aber versucht zumindest einmal hinein zu beißen." Angestrengt öffnete ich meinen Mund und tat wie er mir befohlen hatte. Es dauerte unangenehm lange, das Stück zu zerkauen und noch länger, es hinunterzuschlucken. ,,Gebt es auf" sagte Marelia spöttisch. Sie und Vilkas waren wohl wieder zurück. Im fahlen Mondlicht konnte ich erkennen, dass er einige Äste auf seinen Armen hatte. ,,Wir sind schnell fündig geworden, zum Glück" meinte er und legte das Holz ab. Dann kniete er sich auf den Boden und bildete einen Haufen daraus. ,,Wie geht es Euch Saphir?" fragte er unruhig. Seufzend ließ ich den Apfel sinken und stützte mich mit zitternden Armen auf dem Gras ab. ,,Nicht gut" brachte ich gerade so hervor. ,,Dann sollte ich mich lieber beeilen" flüsterte Vilkas und widmete sich wieder dem Holz.

Bald schon brannte ein warmes Feuer, dass mir allerdings nur bedingt half. Rodrik musste mich stützen, da ich es nicht einmal schaffen konnte, alleine zu sitzen. Vilkas sah nachdenklich ins Feuer und Marelia meinte bald: ,,Sie sieht wirklich nicht gut aus, ich könnte mich auf die Suche nach Kräutern machen. Ein bisschen kenne ich mich da aus." Vilkas warf ihr einen misstrauischen Blick zu und fragte: ,,Welch ein Interesse solltet Ihr daran haben, Saphir etwas Gutes zu tun?" ,,Auch ich brauche die Frau lebendig, tot ist sie uns nichts wert" entgegnete sie abwertend, doch Vilkas schüttelte nur den Kopf. ,,Vergesst es, Ihr werdet sie bloß vergiften." Rodrik hob mit seiner freien Hand den Apfel auf und warf ihn zur Elfe hinüber. ,,Wenn Ihr was im Magen braucht" meinte er dabei knapp. Marelia sah ihn zornig an, ließ dann aber ihre gefesselten Hände zu dem Apfel sinken und hob ihn tatsächlich auf. Vermutlich hatte sie von uns allen am meisten Hunger, Vilkas und ich hatten ja mit meinem Vater gespeist und Rodrik hatte keinen menschlichen Appetit.

Eine Weile verging und wir saßen alle schweigend um das Feuer herum. Ich strengte mich an, bei Bewusstsein zu bleiben, doch bald fielen mir die immer schwerer werdenden Augen zu. ,,Vorsicht!" Vilkas' panische Stimme weckte mich auf. Schwach hob ich meinen Kopf von Rodriks Schulter auf der ich anscheinend eingeschlafen war. ,,Was für eine schöne Überraschung!" hörte ich eine kratzige Männerstimme. Was war los? Ich war noch immer wie benebelt und verstand nicht, was um mich herum passierte. Nun sprang Rodrik auf und zog seinen Bogen. Marelia sah verängstigt umher und Vilkas hatte schon sein Schwert gezogen. ,,Ekelhaftes Banditenpack!" knurrte er mit zorniger Miene. Banditen? Wir wurden angegriffen? Und ich konnte nichts tun, ich war zu schwach. Schon hörte ich Schwerter aufeinander treffen und Pfeile fliegen. Zitternd erhob ich mich. Ich zog mein Schwert hervor, doch um mich herum drehte sich alles. Mühsam erkannte ich ein paar Männer in Fellrüstungen um uns herum und versuchte auf einen loszugehen, doch meine Beine rissen mir den Boden unter den Füßen weg und auch war meine Hand nicht stark genug, das Schwert festzuhalten, weswegen mir dieses aus der Hand fiel. ,,Wenn wir die beiden Männer erledigt haben, können wir unsere Zeit den Weibern dort widmen!" rief einer der Banditen und lachte dann dreckig. Rodrik und Vilkas würden es schon schaffen uns zu verteidigen, oder? Ich lag am Boden und kämpfte wieder mit der Ohnmacht, ich hatte keine Ahnung wie viele Männer uns angegriffen.

Plötzlich spürte ich ein Gewicht auf mir und öffnete benommen meine Augen. Verschwommen sah ich, dass eine Person auf mir saß, ich wollte mich wehren, doch mein Körper tat nicht, was ich wollte. ,,Ihr seht aber nicht so begeistert aus. Ihr solltet es zu schätzen wissen, dass ich mir Euch ausgesucht habe" sagte der Bandit verschwörerisch. Das Kampfgeschrei in der Ferne nahm ich kaum noch wahr. Ich wollte schreien, ihn von mir stoßen, mich wehren. Nichts konnte ich tun. ,,Lasst die Finger von Ihr Bastard!" War das etwa Marelia? ,,Wollt Ihr etwa auch Weibsbild?" entgegnete der Bandit zornig, doch dann hörte ich nur noch ein Keuchen und mein Angreifer glitt leblos von mir hinunter. Angestrengt versuchte ich das Geschehen zu beobachten. Marelias Hände waren noch immer gefesselt, aber sie hatte ein Schwert in der Hand. War das mein Schwert? Ich hörte ein lautes Knurren. Vermutlich kämpfte Vilkas in seiner Bestiengestalt. Marelia griff nach meinem Arm und rief auffordernd: ,,Steht auf!" Sah sie denn nicht, dass mir das nicht möglich war? Was wollte sie überhaupt von mir? Heimlich entkommen, wenn die anderen es nicht sehen würden?  Sie zog weiter an mir, doch ich schaffte es nicht mich zu erheben. Ein weiterer Angreifer stürmte auf sie zu, also ließ sie erst einmal von mir ab und mir wurde bald wieder schwarz vor Augen.

,,Saphir!" Rodriks Stimme drang in mein Ohr, doch nun schaffte ich es nicht einmal die Augen zu öffnen. ,,Wir müssen sie in ein warmes Bett bringen" hörte ich Vilkas' besorgte Stimme. ,,Ihr müsst mir vertrauen!" betonte Marelia ,,Sie braucht Medizin, sie hat Fieber!" Ich spürte noch, wie mich jemand an den Schultern zog, dann verlor ich mein Bewusstsein endgültig.

Saphir    [~Vilkas FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt