Schuld

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,,Saphir, die Heilerin hat doch gesagt, dass es ihm bald wieder besser geht. Ihr könnt diesen Raum guten Gewissens auch einmal verlassen." Ich schüttelte nur den Kopf. Die letzten Tage hatte ich an Vilkas' Krankenlager gewacht. Seit seinem Zusammenbruch in der Methalle war ich ihm nicht von der Seite gewichen. Auch wenn die Heilerin aus dem Tempel von Kynareth mir versichert hatte, dass er bald wieder erwachen würde, konnte ich ihn nicht alleine lassen. Noch jemanden der mir nahe stand dem Tode zu überlassen, nein, das wollte ich nicht. Von Farkas hatte Aela erfahren, was in unserer Abwesenheit geschehen war. Vermutlich hatten diese Verbrecher schon länger geplant aus dem Hinterhalt anzugreifen und die Situation ausgenutzt. Da die Stadtwachen auf der Seite der Gefährten gestanden und den Worten der silbernen Hand keinen Glauben geschenkt hatten, waren Farkas und die anderen unbeschadet davongekommen. Nur Kodlak hatte es erwischt, ausgerechnet ihn. Auch wenn er in Vilkas einen starken Nachfolger gewählt hatte, konnte niemand ihn ersetzen. ,,Ehrlich, habt Ihr denn gar keinen Durst?" hakte Aela noch einmal nach. Ich zuckte mit den Schultern und richtete meinen Blick wieder auf Vilkas. ,,Ist schon gut, ehrlich. Geht Ihr lieber und schaut nach Farkas. Wie geht es ihm eigentlich?" entgegnete ich schließlich. ,,Langsam geht es ihm besser, er trauert noch sehr. Im Hof hat er schon einige der Trainingspuppen in seiner Wut zerhackt. Er kann es sichtlich kaum abwarten, der silbernen Hand ein für alle Mal den Gar auszumachen. Wenn wir Kodlak erst einmal bestattet haben, können wir uns um das weitere Vorgehen kümmern. Allerdings sollten wir warten bis Vilkas erwacht ist. Als neuer Herold und enge Vertrauensperson von Kodlak wäre es eine Schande ihm den Abschied zu verwehren." Ich nickte verständnisvoll und murmelte: ,,Nein das können wir ihm wirklich nicht antun." Der Tod seines Herolds war für ihn ohnehin schon schmerzhaft genug gewesen. Aela seufzte und ging einen Schritt zur Tür. ,,Ich schau dann mal, wie weit Eorlund inzwischen mit der Axt gekommen ist. Meldet Euch sobald Vilkas erwacht ist" meinte sie und verschwand dann durch die Tür. Ich schloss meine Augen. Vielleicht hätte ich einfach in Rifton bleiben sollen. Vielleicht wäre Aela dann nicht vorzeitig aufgebrochen und Vilkas und sie hätten Jovaskrr mit verteidigen können. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Hätte es wirklich etwas geändert? Das wussten wohl nur die Göttlichen. Hoffentlich würde Vilkas es sich verzeihen können, dass er uns gefolgt war. Gerade als ich meine Augen wieder öffnen wollte, spürte ich eine sanfte Berührung an meiner linken Hand. Überrascht blickte zu Vilkas, der schwach seine Augen öffnete. ,,Gerade rechtzeitig" sagte ich mit einem Lächeln ,,Aela war eben noch da." ,,Ich weiß" entgegnete Vilkas leise und zwinkerte leicht. ,,Es war kein Fiebertraum. Kodlak ist wirklich von uns gegangen, oder?" fragte er traurig. Ich biss mir auf die Lippe und nickte ernst. Vilkas zog seine Hand weg und richtete sich angestrengt auf. Eine Weile lang schwiegen wir. ,,Wie fühlt Ihr Euch?" fragte ich schließlich. ,,Furchtbar" entgegnete er knapp während er in die Leere starrte. ,,Es ist nicht Eure Schuld" versuchte ich ihn aufzumuntern. ,,Ich hätte damit rechnen müssen, das so etwas passiert. Warum war ich so närrisch Aela und Euch zu folgen?" ,,Selbst wenn Ihr geblieben wärt, hättet Ihr ihn vielleicht nicht retten können. Fakt ist aber, dass Ihr Aela und auch mir das Leben gerettet habt. Ohne Euch wären wir verloren gewesen" antwortete ich und versuchte seinen Blick einzufangen. ,,Ihr hättet versuchen sollen sie aufzuhalten" sagte der Nord ernst und sah mich an. Schuldbewusst senkte ich meinen Kopf und erwiderte: ,,Ich weiß. Ich habe es versucht, wirklich. Ihr kennt doch Aela, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann niemand sie davon abhalten. Ich wollte sie nicht alleine in ihren sicheren Tod ziehen lassen." ,,So wie ich Euch?" flüsterte Vilkas kaum hörbar. Fragend hob ich meinen Blick. ,,Was?" ,,Weder Kodlak noch Euch habe ich vor dem Tode bewahren können" entgegnete Vilkas und musterte nachdenklich seinen Verband. ,,Ich bin doch noch hier" meinte ich unsicher. ,,Wenn ich Euch damals nicht hätte alleine ziehen lassen, wärt Ihr nicht von einem Schwert durchbohrt und zu dem geworden was Ihr nun seid." Woher wusste Vilkas überhaupt so genau von den Geschehnissen in Einsamkeit? ,,Nun habe ich schon wieder versagt" fuhr Vilkas fort ,,wieder war ich abwesend." ,,Vilkas, für meinen Tod trifft Euch nun wirklich keine Verantwortung. Ich bin in die Schlacht gezogen, mir war das Risiko bewusst. Außerdem wollte ich sogar" ,,Sterben?" beendete Vilkas meinen Satz. Stumm ließ ich mich zurück in meinen Stuhl sinken. ,,Ein halbes Jahr lang lebte ich auch in dem Wissen Ihr wärt gestorben, wenn nicht Euer vorlauter Freund in Weißlauf aufgetaucht wäre um im Namen der neuen Gildenmeisterin Untaten zu begehen" erzählte er nun. Rodrik? Hatte er ihm die Ereignisse der Schlacht geschildert? ,,Aber warum dachtet Ihr ich sei gefallen?" hakte ich neugierig nach. ,,Nunja" begann Vilkas ,,nach Ende des Bürgerkrieges sind Ulfrics Männer wieder zu ihren Familien zurückgekehrt. Jedes Gasthaus war voll mit ihren Kriegsgeschichten und Prahlereien. Nachdem Ihr Weißlauf verlassen hattet, habe ich mich ziemlich zurückgezogen. Eines Abends aber ließ Skjor nicht locker, er wollte unbedingt in die Beflaggte Mähre. Widerwillig begleitete ich ihn also in diese Absteige von Taverne. Abgesehen von ein paar gescheiterten Annäherungsversuchen von Ysolda und einem Barden, der ganz furchtbare Lieder trällerte, war es sogar ganz nett gewesen einmal wieder mit dem alten Skjor einen Trinken zu gehen. Im Verlaufe des Abends aber kehrten einige Sturmmäntelsoldaten in Begleitung von zwei Waldelfen in die Taverne ein, sofort lag die Aufmerksamkeit aller Gäste auf den frischgebackenen Kriegshelden" er lachte kurz verächtlich und fuhr dann fort ,,ich schenkte den neuen Gästen keine Beachtung, doch nachdem sie eine Weile ihre Reden geschwungen hatten, wurde auch ich hellhörig. Einer der Waldelfen begann über seinen Herrn, einen gewissen Nurelino und seine Tochter zu sprechen. Was mit der Tochter sei, fragte ich angespannt, ob sie wohlbehalten aus der Schlacht davongekommen war." Er machte eine kurze Pause, angespannt sah ich ihn an. Er hatte tatsächlich gedacht ich wäre gefallen. Wenn Aelas Worte wahr waren und er mich noch immer liebte, musste sein Schmerz damals groß gewesen sein. ,,Ich will ehrlich sein Saphir" fuhr er schließlich fort ,,als ich meine Antwort erhalten hatte, habe ich die Beflaggte Mähre auf der Stelle verlassen. Der Waldelf hat mir Euren Heldentod im Zweikampf gegen den großen Thalmorhauptmann detailliert geschildert. Beim Lauschen seiner Worte hatte ich Euch fast schon vor mir gesehen. Wäre ich damals mit Euch gezogen, könnte in Eurer Brust noch immer ein Herz schlagen. Doch ich habe versagt, weder Euch noch Kodlak konnte ich retten." In seinen Augen hatten sich nun Tränen gesammelt, die er nur schwer unterdrücken konnte. ,,Was geschehen ist, ist geschehen. Das können wir auch nicht mehr ändern. Vilkas, Euch trifft keine Schuld, weder an Kodlaks Tod noch an meinem" entgegnete ich bestimmt ,,viele Dinge sind geschehen nachdem unsere Wege sich getrennt haben, von denen Ihr wohl nichts hättet aufhalten können." ,,Wer weiß" murmelte Vilkas nur. ,,Hört zu Vilkas, Kodlak hat Euch zu seinem Nachfolger ernannt, niemandem hat er so vertraut wie Euch. Ich seid nicht verantwortlich für das was passiert ist. Die Vergangenheit liegt außerhalb unserer Kontrolle, Ihr müsst nach vorne schauen. Ihr müsst nun die Gefährten anführen, Kodlak hat nicht ohne Grund Euch gewählt." ,,Wie soll ich der neue Herold sein, wenn ich es nicht einmal schaffe, die Personen, die mir nahe stehen zu schützen?" missmutig sah er mich an. Es war sinnlos, zumindest für den Moment. Ich richtete mich auf und meinte: ,,Euch hungert und dürstet bestimmt, ich werde Aela Bescheid geben, dass Ihr erwacht seid. Sobald Ihr wieder auf die Beine gekommen seid, werden wir Kodlak gebührend aus dieser Welt verabschieden." ,,Ich muss nichts essen" brummte Vilkas widerwillig. Ich konnte seine Trauer gut verstehen. Auch wenn er nicht schrie und weinte, wie ich damals, erinnerte er mich ein wenig an mich, als ich verletzt in der Burg meines Vaters lag und er mich zwingen musste zu essen. Wenigstens würden wir Kodlak angemessen bestatten können, weder meine Mutter, noch mein Vater, noch Brynjolf hatten die Möglichkeit auf eine angemessene Trauerfeier gehabt. Vielleicht könnte Vilkas danach besser loslassen. Der Tod Kodlaks lag nur wenige Tage zurück, natürlich durfte er noch trauern. Nur Vorwürfe sollte er sich keine machen. ,,Euch wird es bald besser gehen" sagte ich mit einem aufmunternden Lächeln auf den Lippen und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Vielleicht würde ihm die kleine Geste meinerseits ja ein wenig das Gemüt aufhellen. Schnell schritt ich zur Tür, winkte noch einmal stumm und verschwand aus seinen Gemächern. Ich eilte nach oben in die Methalle. Zeitgleich mit mir traf Aela ein, die ich sofort von den neusten Ereignissen unterrichtete. ,,Alles klar, ich bringe ihm Wasser und eine kleine Speise. Falls Ihr Farkas sucht, der steht wieder im Hof und zerstört weitere Puppen." Ich verabschiedete mich von Aela und lief in den Hof. Tatsächlich war Vilkas' Zwillingsbruder damit beschäftigt, sein Schwert immer wieder auf eine arme Strohpuppe zu schlagen, sodass diese schon lange nicht mehr die Form besaß, die sie ursprünglich hatte. Er bemerkte mich erst, als ich unmittelbar hinter ihm stand. ,,Hey, wie geht es Euch?" fragte ich vorsichtig, während der große Nord sein Schwert senkte und sich zu mir wandte. ,,Sie sollen bezahlen!" rief er zornig ,,Sie sollen dafür bezahlen was sie getan haben!" Ich nickte bestimmt und entgegnete: ,,Dafür werden wir sorgen, versprochen. Ich wollte Euch nur mitteilen, dass Euer Bruder erwacht ist." Farkas Miene wurde nun ein bisschen sanfter und er sprach: ,,Den Göttern sei Dank, meinen Bruder konnten sie mir nicht nehmen. Warum seid Ihr nicht bei ihm, wenn er doch wach ist? Er mag Euch, Ihr ihn doch auch, oder?" ,,Sicher" meinte ich schnell und senkte meinen Blick ,,ich war eben bei ihm, jetzt bringt Aela ihm Speise und Trank." Natürlich war Vilkas mir wichtig, aber konnte ich ihn wieder so mögen wie damals? Wollte er das überhaupt? Ich spürte, dass er die Person, zu der ich geworden war, verachtete. Und dennoch liebte er mich. Doch der Schmerz in mir saß noch immer tief. Meine Gedanken, meine Liebe, sie galt einzig und allein Brynjolf. Würde ich jemals aufhören können an ihn zu denken? An das zu denken, was hätte sein können, wäre er mir nicht zu früh genommen worden? ,,Ich sollte auch einmal nach ihm sehen" riss Farkas mich aus den Gedanken und machte Anstalten in die Methalle zu gehen. Ich nickte nur ruhig und ließ ihn passieren. War meine Arbeit hier nicht eigentlich vollbracht? Vielleicht sollte ich nach Rifton zurückkehren und die Gefährten in ihrer Trauer nicht weiter belästigen. Ich schritt nun ebenfalls auf die Tür zu. Drinnen angekommen, entdeckte ich Aela, die an der Tafel saß und nachdenklich in die Flammen der Feuerstelle starrte. ,,Sie sollen bezahlen" hörte ich nun auch aus ihrem Mund und entschlossen sah sie mich an. ,,Was ist Saphir, kann ich auf Euch zählen?" Zweifelnd hob ich eine Augenbraue, eben hatte ich doch noch beschlossen, Weißlauf hinter mir zu lassen, doch ich konnte und wollte die Gefährten nicht im Stich lassen. ,,Natürlich" brachte ich schließlich hervor. ,,Gut, wenn es Vilkas später etwas besser geht und er sich stark genug fühlt, lasst uns Kodlak verabschieden. Ich werde Eorlund noch Bescheid sagen. Danach sollten wir uns bei einem Met zusammensetzen und über unser weiteres Vorgehen sprechen. Vilkas ist ja sowas wie der neue Kodlak, er wird sicher eine gute Entscheidung treffen." Ich nickte nur. ,,Vielleicht solltet Ihr noch einmal zu ihm hinunter gehen" fügte Aela noch hinzu ,,über Eure Gesellschaft freut er sich doch bestimmt." ,,Ich lasse ihm lieber etwas Raum für seine Trauer. Wenn wir erst einmal einen Plan haben, wird dafür nicht mehr genügend Zeit sein" antwortete ich schnell und verabschiedete mich dann vorerst. Ich wollte einen Spaziergang durch Weißlauf machen, zu lange war es her, dass ich die Straßen dieser wunderschönen Stadt besucht hatte. Außerdem brauchte ich nach den jüngsten Ereignissen erst einmal Zeit für mich. Vermutlich würde Kodlak am frühen Abend verbrannt werden, also musste ich mich nicht allzu sehr beeilen.

Saphir    [~Vilkas FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt