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"Das ist jetzt nicht euer Ernst oder?" Genervt schaue ich meine Eltern an, welche gegenüber von mir sitzen. "Jetzt stell dich doch nicht so an, Clara. Es ist doch nur für kurze Zeit. Dann holen wir ihn wieder ab." Versucht mein Vater sich heraus zu reden, doch ich wusste, dass es sich nicht nur um eine kurze Zeit handeln würde, denn so ist es meistens. Sie sagen, sie sind nicht lange weg, doch am Ende verschwinden sie für fast ein ganzes Jahr und lassen mich doch mit meinem kleinen Bruder alleine.

"Wie lange?" Mit hochgezogener Augenbraue schaue ich meinen Vater an. "Das können wir nicht sagen." Mischt sich jetzt meine Mutter ein. "War ja klar." Nuschele ich vor mich hin und nehme einen weiteren Bissen meines Essens. Immerhin gehen wir immer teuer Essen, wenn meine Eltern mich besuchen. Das ist auch die einzige Sache worüber ich mich bei ihrem Besuch freue.

Mein kleiner Bruder Elias ist heute bei einem Freund, damit sich meine Eltern in Ruhe mit mir unterhalten können.
Sehr nett.
"Aber erzähl doch mal. Wie läufts so in der Schule? Das letztes Schuljahr. Das ist ja aufregend." Will meine Vater versuchen vom eigentlichen Thema diese Treffens abzulenken.
"Ja bis jetzt noch gut." Antworte ich ihm eher etwas gelangweilt.
Mein Bruder muss jetzt ernsthaft bei mir wohnen? Wieso? Ich meine, wieso kann er nicht bei ihnen bleiben, wie die letzten Jahre.
Och man.
Also nicht falsch verstehen ich mag meinen Bruder sehr gerne, aber ich habe genug zutun. Ich kann mich nicht noch um ihn kümmern. Doch ich weiß, wenn meine Eltern das beschlossen haben, habe ich kein Wort mitzureden.

"Da sind wir aber beruhigt. Du weißt dein Abschluss ist wichtig, wenn du später unsere Firma übernehmen willst."
"Ja ich weiß." Jedes mal erwähnen sie wie wichtig dieser Abschluss doch sei und wie sehr ich mich anstrengen soll. Doch wirklich begeistert war ich noch nie davon, diese Firma zu übernehmen, aber es gibt keinen Weg dran vorbei. Meine Eltern wären am Boden zerstört. Das kann ich ihnen nucht antun.
Zögerlich esse ich weiter und versuche so still wie es nur ging dabei zu sein. Ja keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Am Ende wollen sie noch, dass ich mehr aus meinem Leben erzähle, aber das hat sie bis jetzt auch nie wirklich interessiert. Ein Glück.

"Danke fürs Essen." Bedanke ich mich vor dem Restaurant, als wir auf dem Parkplatz vor meinem Auto stehen. Nichts wie weg hier.
"Kein Problem mein Kind." Meine Mutter nimmt mich halbherzig in den Arm und gibt meinem Vater ein Zeichen. Sofort greift er in seine Jackentasche und streckt mir sein Geld entgegen.
"Danke." Nehme ich ehr nicht sehr begeistert entgegen. Klar Geld sollte man schätzen und ich bin auch wirklich dankbar für unser Geld, aber meine Eltern denken auch mit Geld kann man sich alles kaufen.
Ihr Motto: Geld regiert die Welt.
"Jetzt wo Elias noch bei dir wohnt, bekommst du natürlich auch mehr Geld. Wir wollen ja, dass es euch beiden gut geht. Ach und du hast die volle Verantwortung für ihn. Wehe er stellt etwas an." Mein Vater lässt sein Geldbeutel wieder verschwinden und ich stopfe ebenfalls das Geld in meine Hosentasche.
Super. Jetzt muss ich auch noch aufpassen, dass Elias keine Scheiße baut. Ich kann nicht mal darauf aufpassen, dass ich keine Scheiße baue.
"Natürlich. Danke."

Schließlich steige ich in mein Auto und verlasse so schnell es mir möglich ist den Parkplatz. Meistens wenn mich meine Eltern besuchen, haben sie irgendwelche schlechten Nachrichten. Zu guten Anlässen, wie zum Beispiel meinem Geburtstag oder Weihnachten kommen sie nicht. Da reicht eine Karte und Geld.
Aber mit so einer Nachricht hätte ich niemals gerechnet.
Das könnte ein echt interessantes Jahr werden.

Auf den Schock muss ich erstmal was trinken. Ich hole mein Handy heraus und rufe Sophie an.
"Hey. Wie war das Essen?" Sie wusste, ich war heute mit meinen Eltern essen.
"Erzähl ich dir gleich bei mir zuhause. Hast du Zeit?"
"Du weißt ich hab immer Zeit." Lacht sie.
"Gut dann ruf du mal noch Dennis an. Ich hole uns Vodka." Ich biege in die Straße des Supermarkes ein. Ich habe echt Glück, dass viele Supermärkte so lange offen haben.
"So ein Ding wird das also. Ich schreib dir gleich." Somit beendeten wir das Telefonat und ich sprinte in den Supermarkt. Hastig greife ich nach einem Vodka, natürlichen einen teuren und bezahle ihn an der Kasse. Die Kassiererin mustert mich prüfend, es ist nicht zu übersehen, dass sie über mein Alter nachdenkt, doch letztendlich sagt sie nichts und lässt mich einfach bezahlen. Hier in Berlin interessiert es eh meistens niemand.

Gerade als ich das große Hoftor mit einen Knopfdrück öffnete, treffen auch schon Dennis und Sophie ein, in Dennis seinem Pick-up. Perfektes Timing.
"Wir haben auch noch was mitgebracht." Kommt Dennis auf mich zu und umarmt mich. Genau wie Sophie.
In seiner Hand hebt er noch eine angefangene Flasche Jack Daniel's. Mit einem breiten Grinsen schaute ich ihn an. "Sind zwar nur die Reste, aber für uns wird das reichen."

Wir machen es uns in einem Wohnzimmer gemütlich und Dennis, unser Barkeeper, wie wir ihn immer nennen, mischt uns unsere Getränke. Er hatte ne zeitlang in einer Bar gekellnert, deshalb wusste er genau was er tat und seine Mischen sind einfach die Besten.
"Also jetzt erzähl mal. Wieso haben wir uns zu dieser kleinen Runde versammelt?" Scherzt Sophie und nimmt einen Schluck ihres Getränks.
"Meine Eltern wollen, dass Elias bei mir wohnt. Hier." Erkläre ich kurz und die beiden schauen mich genauso geschockt an, wie ich reagiert habe.
"Was? Hier bei dir? Einfach so?" Dennis ist sichtlich überfordert. Ich nicke nur.
"Ab wann?"
"Morgen." Mit einem großen Schlucke leere ich mein Glas und mache mir etwas Vodka in einen Shot, welchen ich direkt exe. Es brennt für einen kurzen Moment, aber mittlerweile bin ich das gewöhnt.
"Das ist ja mal mega unfair. Kannst du nichts dagegen machen?" Sophie schaut mich hoffnungsvoll an, doch bei meinem Kopfschütteln, senkt sie ihren Blick.
"Nein. Ihr kennt meine Eltern. Die lassen bei sowas nicht mit sich reden."
"Dann würde ich mal sagen, genießen wir den letzten Abend, an dem du alleine wohnst." Hebt Dennis seinen Becher hoch und sieht uns erwartungsvoll an.
"Auf den letzten Abend alleine." Stoßen wir alle an und trinken unserer Glas leer.

Wir trinken, bis wir die beiden Flaschen leer hatten, tanzen etwas zur Musik und spielen ein paar Spiele auf meine Switch. Man wie ich das vermissen werde.

Doch ab morgen beginnt ein neuer Abschnitt. Was ein Spaß.

Die Lehrerin meines Bruders (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt