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„Gosh", seufzte Paddy leidig auf und ließ sich tiefer in seinen Gartenstuhl sinken. Mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen saß er nur da und ließ sich die warme, regelrecht heiße Mittagssonne für diesen Junitag ins Gesicht scheinen. Aber so sehr er auch versuchte, runterzukommen, verblieb er viel zu aufgewühlt und unruhig.

Letztlich fragte er sich dann auch nur immer wieder, warum er schon in der frühsten Morgendämmerung von Berlin hatte zurückfahren müssen. Immerhin würde er mit ein paar Stunden Verzögerung jetzt zu dieser Zeit vielleicht noch ein wenig erholter und beschäftigt in seinem Auto sitzen. Dass er kaum hatte schlafen können, war ihm zwar bestens bewusst – und vor allem, dass ihn weitere zehn Minuten im Stau endgültig in den Wahnsinn getrieben hätten. Aber gerade machte es ihn nur wahnsinnig, in aller Unwissenheit abwarten zu müssen, bis Junia endlich vom Frauenarzt nach Hause kam.

Wieder griff er nach seinem Handy, besah sich alle seine unbeantworteten Nachrichten und hätte seine Frau glatt nochmal angerufen. Aufseufzend sperrte er dann jedoch nur das Display, legte das Handy auf den Gartentisch vor sich und ließ seinen Kopf in den Nacken und gegen die harte Stuhllehne fallen. Erst vor zehn Minuten hatte er versucht, Junia zu erreichen – wie die davor. Ganz zu schweigen von den Momenten auf den kleinen Raststätten.

Stark blinzelnd sah Paddy in den strahlend blauen Himmel und bekam seine Sorge und Beklommenheit und alles zusammen einfach nicht mehr in den Griff. Hoffnung, dass sich Junia einfach vertan oder die negativen Schwangerschaftstests nicht richtig waren, ließ er aber auch nicht zu. Er konnte es sich einfach nicht erlauben. Mit diesem anhaltenden Gefühl von dumpfer Leere kam er schon nicht zurecht. Doch er wusste ganz genau, wie er sich fühlen würde, wenn er auch noch diese Hoffnung verlieren würde, die er sich vorher schon gar nicht mehr explizit gemacht hatte.

Er hoffte und betete nur inständig, dass es seiner Frau gutging. In aller Mühe, die er schon seit diesen schrecklich stillen Stunden in seinem Hotelzimmer hatte, Zugang zu seinem Glauben zu finden, war es nur das, was ihn tiefer fühlen und sich ein wenig fallen ließ. Sich dankbar zeigen, dass er vorerst nicht mit schlimmeren Komplikationen konfrontiert worden war, konnte er auch allemal – so sehr, wie er sich Marks Worte zu Herzen genommen hatte.

Letzten Endes war es auch nur wieder Mark, der ihm im Kopf herumgeisterte und dessen vermittelte Wärme er so lange nachfühlte, bis ihn leise Motorengeräusche aufschrecken ließen. Abrupt richtete Paddy sich auf und konnte auch nicht anders, als sich in den ersten Momenten an seine Brust zu greifen. Viel zu schnell schlug sein Herz gegen seinen Brustkorb und dann durchzog ihn auf einmal solch eine Anspannung, dass er sich auch erst erhob und nach drinnen begab, als er die Haustür leise zufallen hörte.

Regelrecht zaghaft zog Paddy die Terrassentür zu, schlich mit dröhnendem Puls durchs Wohnzimmer und brauchte bei dem Anblick des leeren Hausflurs auch ein wenig, bis er sich dann wieder zurück- und in die Küche begeben konnte. Und nicht nur einmal wollte er dabei innehalten, als er regelrechte Angst in sich aufwallen spürte, Junia entgegenzutreten. Er konnte und wollte sie nicht einschätzen und hatte trotzdem die schlimmsten Bilder im Kopf und letztlich dann nur ihre gestrigen Nachrichten im Sinn.

Als er noch neben Mark in seinem Auto gesessen hatte, hatte sie ihn gefragt, ob er im Hotel war – bloß, um dann auf das lange Ausbleiben einer Antwort seinerseits mit einem ›Mark Forster?‹ reagiert zu haben. An seine Anrufe gegen Mitternacht war sie dann nur nicht mehr rangegangen – und er machte sich auf vieles gefasst. Aber so wie Junia neben dem Kühlschrank am Herd lehnte, hielt er direkt im Türrahmen inne.

Ihm seitlich zugewandt, sah Paddy ihr alles an. Ihre Niedergeschlagenheit und all jenes, was er schon gar nicht mehr begreifen konnte, strahlte Junia allein mit ihrer zusammengesunkenen Haltung aus. Und dann musste sie auch nur für wenige Zentimeter ihren Kopf anheben, damit er keinen einzigen Moment mehr haderte. Direkt ging er auf sie zu, trat dicht an sie heran und wartete auch nur so lange, bis sich Junia ihm minimal zugedreht hatte, um sie an sich zu ziehen.

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