XVIII

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Immer wieder musste er sich ein schwermütiges Seufzen verkneifen. Still und starr richtete Paddy seinen Blick bloß auf die kleine Landstraße, die sie aus ihrem Örtchen führte – in aller Bekannt- und Tristheit bot es ihm nur genauso wenig Ablenkung wie der gepflegte Innenraum von Junias C-Klasse oder die Musik, die seine Frau erst angestellt hatte. Er bemühte sich wirklich und nahm sich sein Handy und seinen Terminkalender zu Hand, um irgendwie die kommende Woche unter einen Hut zu bekommen. Aber er konnte sich weder konzentrieren noch seinen Blick länger als fünf Sekunden fokussieren. Junias Anwesenheit und ihr Gehabe, das er sich einfach nicht erklären konnte, beeinflusste ihn viel zu sehr.

Möglichst unauffällig schielte Paddy zu ihr herüber und sah ihr dann einfach offen ungeniert dabei zu, wie sie gekonnt ihren Wagen fuhr. Immer wieder besah er sich ihre Gesichtszüge, die neutral und gelassen wirkten und ihm trotzdem viel zu viel verbargen. Glatt hätte er sie angefahren, endlich Klartext zu reden, weil er ihr ganz sicher nicht abkaufte, dass sie ihn gerne zum Flughafen fuhr – vor den The Voice-Aufzeichnungen. Aber dann fiel sein Blick auf ihre Haare, die sie streng nach oben zu einem hohen Zopf gebunden hatte. Entsprechend gut sah er ihren Haaransatz – und er hätte schwören können, dass jener hinter ihren Ohren heller und auch vereinzelt grau wurde. Nicht, dass es ihn eigentlich wunderte. Sie färbte ihre Haare genauso wie er es tat. Dafür war er erst vor wenigen Tagen beim Friseur gewesen. Aber dass Junia es wohl schon seit längerer Zeit nicht mehr getan hatte, verwunderte ihn erst und ließ ihn dann nur beklommen wegsehen.

„Kannst du dich nicht sattsehen?", fragte Junia auf einmal. Aber so gelassen und leicht belustigt wie sie auch klang, zuckte er bloß mächtig zusammen.

„Ähm", zögerte Paddy dann auch viel zu sehr, obwohl er bloß schlagfertig antworten wollte – ehrlich konnte er das nun mal nicht tun. So gerne er sich auch ihre ebenmäßigen Züge; ihre gerade Nase, akzentuierten Wangenknochen, schön geschwungenen Augenbrauen und ihre blauen Augen besah, spiegelte sich auf ihrem Gesicht einfach zu viel wider, was er einerseits nicht begreifen konnte. Andererseits wollte er das auch gar nicht und ließ sich trotzdem viel zu sehr von dieser Ungewissheit beeinflussen. Sein „Niemals" war auch entsprechend schwach und pathetisch – zumindest löste es bei ihr nicht mehr als ein schwaches Zucken ihrer Augenbraue aus. Als Junia dann aber wieder einen Song von ihrer Lieblingsplatte von U2 übersprang, konnte er es einfach nicht mehr aushalten. „Hun, warum hast du darauf bestanden, mich zum Flughafen zu fahren? Nicht, dass ich mich nich' freue, aber ..."

„Aber darf ich dir keinen Gefallen tun?", kam es wieder viel zu ruhig und monoton zurück, sodass Paddy sich sein Augenrollen nicht verkneifen konnte. Er hatte ganz sicher nicht danach gefragt – und all das hier konnte er auch kaum als Gefallen ansehen. Dass sie wieder klare Absichten hatte, war wie in der letzten Zeit so offensichtlich – und diese Berechenbarkeit in allen Nuancen missfiel ihm viel zu sehr.

„Doch", presste Paddy noch mühsam beherrscht und ruhig hervor, aber dann musste er einfach in die Offensive gehen. „Aber das machst du nicht für mich ..., I'on know. I can't even remember the last time you drove me anywhere. Ich hab' auch nich' danach gefragt. Ein Taxi hätte es auch getan ... und du würdest nicht drei Stunden deiner Zeit verschwenden. Also wenn du jetzt wieder was über die Show und meine, ähm, Inkompetenz sagen willst: Bitte. But please make it short. I don't have the nerves at the moment."

Vollkommen starr wurde Junia in ihren Fahrbewegungen und schielte kein bisschen zu ihm. Der Schatten, der über ihr Gesicht huschte, entging ihm nur nicht. Und dann übermannte ihn schon seine Reue für seinen harschen Unterton, bevor sie merklich getroffen dreinblickte, sich tiefe Furchen auf ihrer Stirn bildeten und sie wirklich reuevoll wurde: „Das will ich nicht. Mir ist die Sendung ... Es tut mir leid, wie kritisch und harsch ich war. Ich ..."

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