VI.2

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„Sind wir das?"

Schon lange war Junias warme Stimme im schwach beleuchteten Raum verhallt, da saß Paddy immer noch still und starr auf seinem Schreibtischstuhl und fühlte sein Herz rasant gegen seinen Brustkorb schlagen. Unbewegt lagen ihre Hände weiterhin auf seinen Schultern und wurden gefühlt mit jeder Sekunde schwerer, in der er sich vor Anspannung weder regen noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Nahezu hektisch ließ er seinen Blick über seine unordentlich verteilten Farbtuben bis hin zum blass lilafarbenen Wasserglas schweifen – bloß, um letztlich immer wieder an der Mitte des Bildes und den zwei abstrakten Gesichtern hängenzubleiben, die für ihn nur eins ausstrahlten. 

„Ähm, äh, no, it's just ...", stammelte Paddy so sehr, dass er es gleich ganz bleibenließ. Er wollte und konnte nicht lügen – offen sprechen nur genauso wenig. Zu seinem leisen Räuspern musste er sich dann auch lange überwinden und zuckte letztlich nur schwach mit den Schultern, während er starr Jurijs vage Züge betrachtete. „It's just a ... long story, I guess."

„Hm?", brummte Junia leicht irritiert und das so nah an seinem rechten Ohr, dass sich wieder sämtliche unangenehme Schauer über seinen Rücken zogen, bis er es einfach nicht mehr aushielt.

Ruckartig erhob Paddy sich von seinem Stuhl und legte seinen Pinsel kontrastreich zaghaft aufs Wasserglas, bevor er sich zögerlich herumdrehte. Zu irgendetwas ansetzen wollend, konnte er jedoch nicht mal ihrem aufmerksamen Blick lange standhalten. Er wollte und konnte sich schlichtweg nicht mehr erklären, warum er einfach nicht in der Lage war, sie an allem teilhaben zu lassen – egal, wie schwer es auch werden würde.

„Ich dacht', bist müde ...", war letztlich auch nur das einzige, was Paddy unsicher hervorgebracht bekam. „Und eingeschlafen ..."

„Mit den Unterleibsschmerzen kann ich nicht gut schlafen", entgegnete Junia nichtsdestotrotz bloß ruhig.

„Oh", seufzte er verhalten und letztendlich schlicht resigniert, als ihr Blick unterschwellig immer erwartungsvoller wurde. „Ich ... will dir aber nich', ähm, noch mehr Bauchschmerzen ... bereiten."

„Wie?", reagierte Junia wieder kurzweilig irritiert, bevor sie erst zu seinem Bild sah und ihn dann durchdringend musterte. „Meinst du, dass du das ... nicht viel mehr tust, indem du so ... komisch abweisend bist?"

Im ersten Moment bloß perplex dreingeblickt, presste er sofort ein „Let's go to bed, then" hervor – um alles abzukürzen oder doch hinauszuzögern, er wusste es auch nicht mehr. Aber dass er ihr alles erzählen musste, war wohl unumgänglich.

Nach so manchen regungslosen Augenblicken verstand und vermittelte Junia ihm nichts anderes und half ihm dann wortlos, seine Farben ein- und wegzuräumen. Und während er sein Bild wieder sorgfältig weglegte, blieb sie auch nur kurz an seiner Seite und ließ ihn letztlich ungestört seine Pinsel im oberen Bad auswaschen. Seine Zähne putzte er sich dann auch noch außerordentlich gründlich und konnte vor lauter Anspannung kaum den Blick in den Spiegel ertragen.

Seine Augen über sein ganzes Gehabe rollend, seufzte er nur dermaßen gereizt auf, dass er nicht zu wenig seiner Zahnpastaspucke auf den Spiegel beförderte. Er hätte sich einfach beherrschen und ihre Frage bejahen sollen. Kopfschüttelnd wischte Paddy grob die weißen Flecken weg und hielt so lange bei seinem Spiegelbild inne, bis ihm doch noch eine kleine Einsicht blieb.

Vielleicht war es wirklich besser, endlich zu allem ansetzen zu müssen – ganz gleich, dass er beinah regelrechte Angst verspürte, wie Junia nun auf seine lange Verschwiegenheit und auf die Gründe dessen, vor allem aber auch auf Mark reagieren würde. Nach wie vor zog sich seine Erwartung nur ins Negative und ihr momentaner Zustand konnte da auch nichts herumreißen. Umso dringlicher war es wohl, dass er sich vernünftige Worte zurechtlegte – was ihm nur genauso wenig gelang wie sich diese gewisse Einsicht zu bewahren, als er wieder ins Schlafzimmer fand.

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