XII.4

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„Patrick, was ist denn los mit dir?"

Regungslos stand er bloß da. Paddy konnte Thomas weiterhin nur anstarren, während der sich einmal laut ausatmend durch seine dunklen Haare fuhr und ihm beinah jegliche Beherrschung raubte. Sein Herz hämmerte hart gegen seinen Brustkorb und er hatte schon vor Augen, wie er sich wieder die Seele aus dem Leib schrie oder heulend auf dem Waldboden kauerte. Den Drang verspürte er für beides und das gleichzeitig. Aber dann riss er sich nur mit letzter Kraft zusammen, schloss seine Augen und fühlte einfach dem rasanten und schmerzhaften Pochen hinter seiner Stirn und der Hitze in seinen Wangen nach. All diese Wut und Verzweiflung verdrängte er irgendwie und letztlich doch nur damit, weil Thomas ihm gerade so viel Sorge entgegenbrachte – und vor allem, weil es viel zu untypisch für ihn war, so involviert in Junias Sinne zu sein.

„Why are you so involved?", fragte Paddy noch bemüht ruhig. In seiner brüchigen Stimme schwang bis auf Verunsicherung aber nur Skepsis mit – und dann war ihm sein Hohn auch egal. „I could've called Debbie if —"

„Weil sie mir andauernd in den Ohren liegt, wie unglücklich Junia ist?", unterbrach ihn Thomas bloß fassungslos und gleichermaßen ungewohnt gereizt, bevor er noch einen Schritt an ihn herantrat und damit einen kleinen Stock laut zum Knacken brachte. „Debbie belastet der ganze Mist auch. Ich hab' dir doch gesagt, du hättest Junia ... beide gestern nicht erleben wollen. Meinst du, ich bin aus Spaß hier?"

„Well ...", seufzte Paddy und sah bei der Schwere in seiner Brust, die ihm beinah Tränen in die Augen trieb, wieder bloß hektisch weg.

„Nein, das war ... Ach, Mensch", seufzte Thomas noch so viel ungewohnter frustriert, sodass Paddy es immerhin nicht allzu schwerfiel, wieder aufzusehen und sich zusammenzureißen.

„Y'know", begann er dann auch einfach. Seine Stimme war nur so belegt, dass er sich erst räusperte, tief die milde Januarluft einatmete und sich noch einmal kurz im Wald umsah, der bis auf die raschelnden Baumkronen, dem vereinzelten Vogelzwitschern und Twiggys Hecheln beinah mucksmäuschenstill war. Sich einmal wieder Thomas gewidmet, konnte Paddy sich dann trotzdem kaum helfen, als genauso eindringlich zu werden: „Sie will also richtig geliebt werden, ja? Dann ... dann muss sie mich auch ma' richtig zurück lieben. Sie stellt mittlerweile ihre ... Kinderwunsch über alles und lässt's an mir raus, wenn ich nich' mein ganzes Leben danach richten will u-und ... und kann! Sie zeigt kein bisschen Interesse mehr an irgendetwas anderes von mir, zeigt keine ... Anerkennung, Verständnis ... nur ... nur Ablehnung, wenn ich mich etwas anderes widmen will, was nich' sie ist!"

„Das stimmt doch gar nicht!", sah Thomas ihn wieder so verständnislos an, dass er es dieses Mal auch schaffte, ihm Tränen in die Augen zu treiben. Und entsprechend schnell sah Paddy abermals weg und nur zu Twiggy, der in zehn Meter Entfernung mit gespitzten Ohren sie beide aufmerksam fixierte. „Sie will nur nicht, dass du deine ... eure Zeit für irgendwelche würdelosen Promo-Sachen und Realityshows verschwendest und mit ... Wie war das? Dass die damit wieder steigende Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Fans euer Leben ... erschwert! Zu Recht, würd' ich mal behaupten, Herr Kelly. Ich weiß noch ganz genau, wie meine Schulkolleginnen alle auf dich abgefahren sind ... Ob heimlich oder ... sehr offen – das hat schon am pubertären Ego gekratzt ..."

„Thomas ...", seufzte Paddy unwillkürlich auf und konnte sich einfach kaum sein schwaches Schmunzeln verkneifen, obwohl er nicht wusste, ob Thomas – gerade Thomas mit seinen knappen zwei Metern, den dunklen Haaren und seinem durch und durch attraktiven Aussehen, das auch vor mehr als zwanzig Jahren nicht sonderlich anders gewesen sein konnte – sich wirklich so von irgendwelchen schwärmenden Mädchen hatte beeinflussen lassen. Aber letztlich nahm er es nur hin, dass Thomas wohl deutlich die Stimmung zwischen ihnen lockern wollte – und dann ging er auch ruhiger auf ihn ein: „But guess what? I'm not that boy anymore. Well, 'türlich wird mich ... der harte Kern immer als Paddy Kelly sehen und die in, ähm, deren pubertär, äh, like Phasen bleiben, aber ... aber das war auch nicht viel anders, als ich mich wirklich zurückgezogen habe und im Kloster war. Ich hab' dir doch schon mal erzählt, wie die da anfangs noch andauernd aufgetaucht sind! Das muss man sich mal vorstellen ... Aber die Fernsehformate werden nicht viel daran ändern ..."

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