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Zögerlich sah Paddy zu der großen und schlichten Geschenktüte, die an seinem Handgelenk schwer hin und her baumelte. Ihm fiel gleich der Arm ab und fragen, warum er eigentlich hier war, tat er sich auch. Noch einmal ließ er seinen Blick über die charismatischen Altbauten schweifen, die in die dunkle Januarnacht ragten – aber die Antwort hatte vier Buchstaben und noch für wenige Minuten Geburtstag.

Seufzend trat er einen Schritt an die Haustür heran, drückte sachte dagegen und war nicht verwundert, als sie natürlich nicht direkt aufsprang. Nach einem kleinen resignierten Laut betätigte er dann auch zielsicher die oberste Klingel und griff sich in der Vorahnung, damit überhaupt nichts ausgerichtet zu haben, schon in seine Manteltasche nach seinem Handy. Marks Geburtstagsfeier müsste nun mal voll im Gange sein – und er war viel zu spät. Schnell schrieb er dann Mark und besah sich gerade die wenigen Nachrichten des letzten Monats, da vernahm er schon ein regelrecht begeistertes „Ah, das Beste kommt zum Schluss!" aus der Gegensprechanlage.

Ruckartig sah Paddy hoch zu der kleinen Kamera, bevor die Tür auch schon surrend aufsprang und ihn inmitten seiner geringfügigen Irritation nicht lange zögern ließ, um die bekannte Eingangshalle und letztlich auch den bekannten Aufzug zu betreten. Bekannterweise konnte er dann aber bloß ein wenig hadern, als sich der Fahrstuhl in Bewegung setzte. Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte er auf sein Handy und wusste wieder nicht, was er mit diesem Kontrast anfangen sollte. Nicht nur an diesem Tag hatte Mark nicht mal halbwegs so enthusiastisch auf seine Nachrichten reagiert – wenn er ihm überhaupt geantwortet hatte.

Kopfschüttelnd steckte er sein Handy weg, betrachtete sich im bodentiefen Fahrstuhlspiegel und hätte noch gereizter aufstöhnen können. Umgehend fuhr Paddy sich mit seiner Hand durch seine nach hinten gestylten Haare und konnte nicht fassen, dass sie nach der ganzen Zeit, die er sich im Hotel genommen hatte, immer noch nicht gut lagen – und vor allem, dass er sich davon überhaupt stören ließ.

„Good gracious", murmelte er nur noch genervt vor sich hin und hatte, während er sich wieder den Aufzugtüren widmete, einfach keine Lust mehr auf sein Gehabe und die Zweifel des gesamten letzten Monats. Sonderlich besinnen konnte er sich nur nicht, da hielt schon der Aufzug – und dann blieb ihm in aller Bekanntheit auch nichts anderes, als breit schmunzelnd den Flur zu betreten. Wie im Sommer lehnte Mark bereits am Türrahmen seiner Wohnungstür und schaute zumindest für die ersten Momente lieb drein.

„Na ... Ey, ich hab' doch gesagt kein Geschenk!", echauffierte Mark sich schon im nächsten Augenblick und sah überzogen geschockt zwischen ihm und der großen Geschenktüte hin und her.

„Sorry", entschuldigte Paddy sich wenig ernst und konnte sich gerade einfach nicht daran stören. Lächelnd ging er Mark und der lauten Musik entgegen und blieb nah vor ihm stehen, neigte seinen Kopf leicht zur Seite und reichte ihm dann unbekümmert sanft die schwere Tüte. „I just had to ... Happy Birthday, Mark."

„Och, danke ...", murmelte Mark ein wenig überfordert und setzte nicht sicherer an, ihm die Tüte abnehmen zu wollen. Vorerst bekam er aber mehr von seinen Fingern als von den schmalen Henkeln zu greifen und dann berührte er auch noch seine andere Hand, die Paddy stützend unter den Boden hielt. Als Mark es dann endlich geschafft hatte, veränderte sich von seinem latent überforderten Ausdruck jedoch nur so viel, dass er ihn zumindest halbwegs belustigt ansah. „Was'n da drinne ... Ziegelsteine?"

„Oh shit, how'd chu know? So offensichtlich?", brabbelte Paddy drauflos und wollte ihn gerade so sehr umarmen, dass er nur verharren konnte. Mit der Tüte wich Mark währenddessen aber schon nach hinten in seine laute Wohnung und machte auch keinerlei Anstalten, gerade eine Umarmung zu wollen.

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