XX
Er konnte es nicht mehr ertragen. Es ging einfach nicht mehr. Beinah hektisch lief Paddy die kleine schwach beleuchtete Nebenstraße mitten in Berlin entlang und machte auch keinen großen Halt, als er endlich vor dem ihm bestens bekannten Altbau ankam. Ohne zu zögern, klingelte er am obersten leeren Namensschild – und dann immer wieder, weil er ganz sicher nicht glaubte, dass Mark nicht zu Hause war, nachdem er sich für keine Minute auf der Aftershowparty nach seinem The Voice of Germany-Sieg hatte blicken lassen. Geschweige denn, dass er ihn abseits der Kameras auch nur ein einziges Mal wirklich richtig angesehen hatte. Aber er konnte das alles nicht so stehen lassen – so lange er sich das auch auf der Feier und vor allem während des Rückwegs zum Hotel eingeredet hatte. Wenn er jetzt nicht alles zwischen ihnen klärte, würde er über Weihnachten und Silvester schlichtweg durchdrehen.
„Mann, mach doch auf, du ...", jammerte Paddy aggressiv und begann schon leicht zu zittern. Enger drückte er sein Gesicht in seinen weichen Schal, sah sich kurz in der eisigen Dezembernacht um und ging dann so lange einfach ungeniert seinem Dauerklingeln nach, bis ihm bei diesen gefühlten zwanzig Grad minus sein Zeigefinger abfror. Mit seiner anderen halbwegs von der Manteltasche warmen Hand widmete er sich dann seinem Handy und war auch nicht mehr sonderlich überrascht, dass es schon weit nach drei war. Vielleicht nur, dass er dann noch immer so beharrlich bleiben musste.
Wieder sah er sich auf der menschenleeren Straße um und wich dann weg vom Sichtfeld der kleinen Kamera in Richtung Hauswand und Schneematsch, weil es doch immer plausibler wurde, dass sich Mark vielleicht auch irgendwo anders wieder ficken ließ. Wahrscheinlich hatte er sich direkt jemanden nach der Show geschnappt. Oder vielleicht hatte er mittlerweile sogar tatsächlich jemand Festeres, so unbekümmert wie er sich wieder die letzten zwei Wochen ihm gegenüber verhalten hatte, als wäre rein gar nichts zwischen ihnen geschehen.
Wieder versank Paddy förmlich in seinem Selbstmitleid und -hass – ein Taxi wollte er sich aber auch nicht direkt wieder rufen. Er wollte alles endlich geklärt haben und ein für alle Mal mit diesem Scheiß abschließen – und dann probierte er es einfach ein letztes Mal, Mark anzurufen.
So sehr wie es ihn dann nur überraschte, tatsächlich ein Tuten zu vernehmen, wurde sein Anruf aber auch genauso schnell wieder weggedrückt.
„Man, what the fuck?!", zischte Paddy aggressiv und tippte mit seinen zittrigen und tauben Fingern direkt auf WhatsApp und brauchte entsprechend lange für sein ›Man gotta talk‹ – was aber nichts brachte. Lange besah er sich nur diesen einen grauen Haken und hatte dann einfach keinen Bock mehr. Mit starrem Blick in den grauen Nachthimmel ließ er sich einfach an der Hauswand hinabgleiten und kümmerte sich einen Scheißdreck um die Kälte. Er vergrub nur sein Gesicht an seinen kalten Mantelärmeln und wollte sich doch einfach nicht mehr so beschissen und zerrissen fühlen. Bevor ihm dann nur bittere Tränen in die Augen schossen, vernahm er das Geräusch der aufspringenden Haustür.
Ruckartig sah Paddy nach rechts und hatte nur einen Namen auf der Zunge liegen – umso blöder sah er dann nur aus der Wäsche, als da ein dunkelhaariger Kerl in der Tür stand, jene offenhielt und ihn direkt eingängig musterte.
Räuspernd erhob Paddy sich beinah hektisch und hatte so viele Gedanken und Erklärungen auf der Zunge liegen, dass er diesen Kerl bloß anstarren konnte. Bestimmt einen ganzen Kopf größer war dieser Mann – und schmunzelte ihn dann in viel zu bekannten Nuancen an.
„Ich will mir ja nicht zu viel herausnehmen", begann der Typ auch nur ruhig mit einer angenehm sonoren Stimme und setzte sich dabei eine schwarze Mütze auf. „Aber tu dir und ihm doch einfach den Gefallen, und klär das vernünftig."
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Denial
FanfictionSollte man für den Himmel auf Erden durch die Hölle gehen? --- Ex-Teeniestar Michael Patrick Kelly ist endlich wieder da, wo er sein will. Nach langer Selbstfindung im Kloster hat er Frau, Heim und wieder ins Leben eines waschechten Vollblut-Musike...