XIII.4

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Schnellen Schrittes lief er den breiten Holzsteg entlang und an so mancher Wasserunterkunft vorbei, bis er an ihrer Hütte ankam. Für lange Momente sah Paddy dann jedoch nur zum fernen Horizont und in die anbrechende Abenddämmerung. Die Sonne stand bereits so tief, dass sie sich herrlich orange auf der Wasseroberfläche spiegelte – aufseufzend hätte er glatt wieder zum Strand gewollt. Aber es half alles nichts. Länger konnte und wollte er einfach nicht wegbleiben.

Als er die Holztür hinter sich geschlossen hatte und unordentlich seine Sandalen losgeworden war, übermannte ihn auch schon sein schlechtes Gewissen. Durch den Wohnbereich hinweg sah er gleich, dass Junia alle Vorhänge zugezogen hatte. Das Licht der Abenddämmerung füllte kaum noch das große Schlafzimmer – und so schnell wie ihm der Gedanke kam, dass es vielleicht doch besser gewesen war, Junia die Ruhe gelassen zu haben, verging jener auch wieder. Gerade kam es ihm nur falsch vor, sie den ganzen Nachmittag mit ihren Schmerzen alleine gelassen zu haben – und das erst recht, als er erblicken durfte, wie zusammengerollt sie auf ihrem Bett lag und tief zu schlafen schien.

„Oh", seufzte Paddy vor lauter Sorge leise auf und verspürte letztlich nur warme Zuneigung. Seitlich lag Junia ihm abgewandt und umschlang ihre weiße Bettdecke so, dass er besten Ausblick auf ihre nackte Rückseite hatte. Ihren Bikini hatte sie noch immer an und er schmunzelte vor sich hin, so wild gelockt wie ihre dunklen Haare vom Salzwasser und der Sonne waren.

Losreißen konnte er sich von diesem Anblick auch erst, als sie ein wenig unruhiger wurde. Schnell sprang er unter die Dusche, um das restliche Massageöl von seinem Körper loszuwerden, und verweilte auch nicht allzu lange im Bad. Bei dem Anblick ihrer blutigen Unterhose, die noch immer in der Dusche hing, übermannte ihn seine Reue, vorhin doch so kindisch einfach abgehauen zu sein, ein für alle Mal.

Vor ihrem Bett angekommen, legte er sich dann in Boxershorts auch einfach möglichst achtsam zu ihr – aber nicht an sie heran, so sehr ihr nackter Rücken dazu auch einlud. Tief wie sie zu schlafen schien, wollte er Junia einfach nicht aufwecken. Stattdessen beobachtete Paddy nur so lange ihre gleichmäßigen Atemzüge, bis ihm sein schlechtes Gewissen wieder zu viel wurde.

Möglichst leise griff er nach seinem Handy und sah direkt nach, ob Thomas ihm noch mal geschrieben hatte. Sein ›Sind gleich beim Arzt‹ war nach wie vor jedoch das einzige, was er seit dem späten Mittag empfangen hatte.

„Fuck", entfuhr es ihm unwillkürlich und dann konnte er noch weniger etwas gegen das ungute Gefühl in seiner Brust tun, als er sich an die Zeitverschiebung entsann und mit einem Blick zur Uhrzeit ausrechnete, dass es bei den beiden schon spät nach zwanzig Uhr war.

„Hm?", hörte er es dann verschlafen brummen und leise rascheln. Bevor Junia sich nur hätte umdrehen können, hatte Paddy sein Handy bereits weggelegt und sich nah zu ihr gedreht. Berühren tat er sie jedoch erst, als sie mit einem sanften Brummen auf sein vorsichtiges „Darf ich?" reagierte. Ganz sachte schmiegte er seinen Oberkörper an ihren warmen Rücken und legte, nachdem er ihre Lockenmähne zart zur Seite gestrichen hatte, einen Arm um ihren Bauch und den anderen oberhalb ihres Kopfes.

„Wie geht's dir?", nuschelte Paddy gegen ihren Hinterkopf, der so herrlich nach Meer roch. Mehr als ein „Geht" bekam er zwar nicht erwidert, aber mit ihrem ruhigen Unterton wollte es ihm vollkommen ausreichen. Zart ließ er seine Hand zu ihrem flachen Unterbauch gleiten und hatte schon die durchdringende Entschuldigung auf der Zunge liegen, vorhin so wütend geworden und wortlos so lange weggeblieben zu sein. So weit hatte er sich ausreichend beruhigt und noch mehr nachgedacht, damit er zumindest wieder Verständnis aufbringen konnte, warum sie nicht mit ihm geredet hatte – weder über Debbie noch so lange über diese Anne. Wissen, was wirklich alles hinter diesem Mädchen steckte, tat er ja auch nicht. Dass sie Debbie geküsst hatte, war ihm abseits seiner nun sicheren Annahme, dass Junia mehr für Frauen übrig haben könnte, auch relativ egal. Aber wie abwertend sie sich ihm und Mark gegenüber verhalten hatte, ließ ihn letzten Endes einerseits leicht nachtragend und doch zum größten Teil nur vor Ratlosigkeit schweigen. Ansetzen tat Junia auch nicht mehr – nur die Stille zwischen ihnen wurde nicht unangenehm.

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