XV
Aufseufzend sah Paddy durch die nasse Windschutzscheibe auf die kleine Spielstraße. Ein Regentropfen nach dem anderen nahm ihm die Sicht und er konnte allesamt nur regelrecht manisch verfolgen, bis es immer stärker zu regnen begann. Noch lauter ächzend stieg er dann aus seinem Wagen, zog sich schnell seine Kapuze über den Kopf und öffnete die hintere Beifahrertür.
„Buddy ...", murmelte er und griff mit einem theatralischen „It's time to say goodbye, my friend" erst nach der Schnalle des Hundegurts und dann nach der Leine, bevor er Twiggy noch einen Kuss aufs Haupt drückte und es gerade wirklich bedauerte, nicht mehr Zeit für ihn zu haben.
Hundesitter, gell, hallte es ihm in einer ganz bestimmten Tonlage durch den Sinn und ließ ihn leicht zusammenzucken. Gereizt aufstöhnend fackelte Paddy dann nur nicht lange, den Hund aus dem Wagen zu heben, die Tür zu schließen und, so unwohl er sich körperlich trotz der anderthalb Schmerztabletten fühlte, rasch auf das kleine Einfamilienhaus zuzulaufen. An der Klingel haderte er dann auch nicht lange und wartete dafür umso länger, als sich einfach nichts tat. Noch einmal klingelte er und sah mit verzogenen Augenbrauen zu Twiggy, dem das Wetter auch nicht zu gefallen schien.
„Mann", stöhnte er gereizt auf – er hatte Thea gestern doch extra geschrieben. Ganz zu schweigen, um welche Uhrzeit er sich heute Morgen aus dem Bett gequält hatte, um hier gegen neun mehr oder minder pünktlich aufzukreuzen. Aggressiv klingelte Paddy dann Sturm – was aber auch nichts brachte und er sich ergeben, und vor allem nass, mit Twiggy rasch wieder in den Wagen setzte. Auf den warmen Beifahrersitz ließ er ihn nun und zückte sein Handy, überging so manche unwichtigen Nachrichten – aber Thea ging auch nach dem dritten Anruf nicht ran.
So sehr er sich auch hätte aufregen können, hier knapp anderthalb Stunden extra nach Ingolstadt gefahren zu sein, beschlich ihn nur ein ungutes Gefühl – das schnell zur Sorge wurde, als er sich Theas Nachricht nochmal durchlas, in der sie ihm gestern gegen Nachmittag mitgeteilt hatte, dass sich Debbies Entzündungswerte wieder verschlechtert hatten.
„Oh no", seufzte er erstickt auf und hielt kurz inne, um ein Stoßgebet Richtung Himmel zu schicken. ›Alles Gut?‹, schrieb Paddy ihr direkt im Anschluss und rief wiederholt nicht nur sie, sondern auch Thomas und letztlich Junia an – und erhielt keinerlei Antwort.
Auffluchend hätte er sich noch richtig aufregen können – weil es doch nicht sein konnte, dass niemand es für nötig hielt, ihn auch nur ansatzweise auf dem Laufenden zu halten. Stattdessen versuchte er sich dann mit Twiggy zu beruhigen, bevor er nach der Adresse von der Frauenklinik in München googelte, von der er meinte, dass Junia jene erwähnt hatte.
Ohne jegliche anderen Informationen brachte ihm das letztlich nur nicht allzu viel, sodass er sich wieder Twiggy widmete. Immer unruhiger wurde der Hund und erwartete wohl, dass sie noch einmal spazieren gingen – aber dann konnte Paddy ihn nur noch fahrig kraulen, als er bei einem ganz anderen Chat landete. Vor schlechtem Gewissen blieb er dann auch an Marks letzten Nachrichten und seinem ›Bitte melde dich‹ hängen, auf das er immer noch nicht eingegangen war. Nicht mal zu einem einzigen Danke hatte er sich überwinden können, nachdem Mark sich gestern Morgen doch so um Twiggy gekümmert hatte.
Gedankenverloren sah Paddy nur wieder den dicken Regentropfen zu und fragte sich, warum in letzter Zeit eigentlich alles den Bach runterlaufen musste. Die eindeutige Antwort, die ihm zynisch durch den Kopf hallte, unterband er nur sofort – weil er alles ganz sicher nicht als ein eindeutiges Zeichen ansah, dass er sich in letzter Zeit viel zu sehr auf Mark einließ. Dafür hatte er gestern zu lange nachgedacht und letztlich auch in der Kirche alles gebeichtet, was irgendwie ging. Es war zwar nicht viel gewesen, was er da grob von sich hatte geben können. Aber immerhin hatte er sich dazu überwinden können und es hatte irgendwie gereicht und ihm halbwegs die unerträgliche Schwere von der Brust genommen. Dass er sich zu vielen Substanzen hingegeben hatte, hatte er sich selber auch längst vergeben – weil ihm auch gar nicht viel Wahl blieb. Er konnte sich immer noch nicht an die Nacht erinnern – und er wusste genau, dass sich ohne den Whiskey und Marks Joint niemals die Notwendigkeit ergeben hätte, sich überhaupt zu ihm in sein Gästezimmer zu gesellen. Er hatte Mark am Klavier immer noch bloß zurückgeküsst, weil er viel zu high und desperately lonely gewesen war und zu viel Mitleid gehabt hatte.
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Denial
FanfictionSollte man für den Himmel auf Erden durch die Hölle gehen? --- Ex-Teeniestar Michael Patrick Kelly ist endlich wieder da, wo er sein will. Nach langer Selbstfindung im Kloster hat er Frau, Heim und wieder ins Leben eines waschechten Vollblut-Musike...