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Bibbernd und zitternd ließ Ravy sich in den hohen, unberührten Schnee sinken. Er befand sich bereits seit Stunden im Wald.

Die Kälte hatte bereits lange Einzug in seinen Körper gefunden. Ihm von innen heraus beinahe seine gesamte Wärme entzogen und ihn auskühlen lassen.

Oder zumindest fühlte es sich in diesem Augenblick so an. Schrecklich und unausstehlich.

Sein Körper zitterte schrecklich. Seine Muskeln und Gelenke schienen zu steif, um sich zu bewegen. Und sein Verstand zu träge, um irgendeine Möglichkeit zu finden, etwas an seiner Situation zu verändern.

Sein Kopf schmerzte und wummerte. Schwindel hatte ihn bereits vor geraumer Zeit befallen und vor einigen Minuten dazu auch noch begonnen seine Sicht zusammen mit den unendlich vielen Tränen zu trügen, die ungehindert, seine Wangen hinabtropften.

Seine Kopfschmerzen schieben ihm nicht nur den letzten Nerv, sondern auch seinen Verstand zu rauben. Er hielt dies alles kaum noch aus. Den Schmerz in seinem Inneren. Den Körperlichen Schmerz. Den Schmerz seines Lebens. Einfach alles.

Und er wusste einfach nicht, was er dagegen tun konnte. Wie er dies alles beenden konnte, ohne es zu beenden.

Obwohl der Wald ihm zu Anfang geholfen hatte, war ihm nun, als hätte seine negativen Gedanken und seine schrecklichen Gefühle ihn erneut eingeholt.

Sie hatten ihn gepackt. Sein Herz, seinen Brustkorb, seine Kehle und alles andere zusammengedrückt, zugeschnürt und zerfetzt.

Sie hatten ihn in ein so tiefes Loch gestoßen, dass er mit jeder Sekunde weiter ins Bodenlose fiel, doch gleichzeitig das hoffnungsvolle Licht, am Anfang des Abgrunds, aus den Augen verlor.

Desto länger er sich in diesem Moment befand, desto grausamer und schlimmer schien es zu werden. Desto schrecklicher fühlte er sich nicht nur. Desto schrecklicher war alles auch.

Blinzelnd sah er zwischen seinen schweren, verklebten Wimpern, seinen immerzu laufenden Tränen und seiner verschwommenen Sicht in den Himmel empor.

Die Dämmerung war gerade dabei Fahrt aufzunehmen. In seinem Inneren begann sich alles vor Furcht und Schrecken zusammen zu ziehen.

Jedoch nicht etwa vor dem, was sein in Wahnsinn verfallener Verstand für ihn bereithalten würde oder welche Monster erneut versuchen würden, ihn zu töten, sondern mehr vor dem, was dann mit ihm geschehen würde. Mit seiner Selbst, die dann niemals wieder aus dem Abgrund der Finsternis würde Hervorkriechen können.

Verzweifelt vergrub er seine roten, steifen, Tauben Finger in der makellosen Schneedecke und ließ sich einfach zur Seite fallen.

Als er das erste Mal bemerkt hatte, dass er so langsam Gleichgewicht und Kraft verlor, hatte er sich an einem Baumstamm hinabrutschen lassen. Doch dies war nun auch hinfällig.

Er kümmerte sich nicht darum, dass sein Mantel sich mit eisiger, nasser Kälte vollsog. Dass alles Nass zu werden schien. Dass der Schnee sich nun an seinen Körper presste und diesen noch mehr erhalten ließ. Oder dass die Haut seines Gesicht brannte, so sehr wie dieses halbvergraben im eisigen Schnee lag.

Er schluchzte einfach weiter. Weinte einfach weiter. Wimmerte die Kraftlosigkeit und die Hoffnungslosigkeit aus sicher heraus. Den schrecklichen Schmerz, welcher ihn packte, weil er wusste, dass dort niemals auch nur ein einziger Menschen sein würde, der auch nur versuchen wollte, ihn zu retten. Körperlich, wie emotional, wie geistig.

Er war es nicht wert. Er war nicht mehr zu retten. Er war niemand, den man hätte retten wollen, geschweige denn in seiner Nähe haben wollen.

Denn immerhin war er kein guter Mensch. War er eher noch ein unglaublich, unglaublich schrecklicher Mensch, mit dem man nichts zu tun haben, wollte. Den man lieber von sich stieß, bevor man mit ihm gesehen wurde.

Freak - unknow Angel [BoyxBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt