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Mit gesenktem Kopf und schlurfenden Schritten betrat Ravy den Schulhof seiner Schule. Seinen Wagen hatte er wie immer auf dem Schuleigenen Parkplatz abgestellt und war von dort aus hierhergelaufen.

Obwohl es nicht sonderlich weit war und obwohl er dies eigentlich jeden Tag machte, seitdem er seinen Führerschein hatte, fühlte er sich an diesem Morgen ausgelaugt und kraftlos, während er den Weg entlanglief. Er erschien ihm viel zu weit, als dass es noch irgendwie schaffbar war und hatte noch nicht einmal eine Ahnung, weshalb.

Aber so war es schon seit Wochen. Seitdem Jason ihn aus dessen Wohnung geworfen und sich danach nicht mehr blicken lassen hatte. Nicht in der Schule. Nicht bei sich zuhause als der Schwarzhaarige bei ihm vorbeigefahren war. Und auch nicht im Wald.

Am Tag war Ravy nämlich auch anschließend noch hin und wieder dort gewesen. Die Hoffnung aber, dass der andere am nächsten Tag vielleicht doch wieder hinten im Unterricht sitzen und er dessen Blick auf sich spüren konnte, war immer weiter verschwunden. Und damit auch seine Energie.

Es deprimierte ihn. Es traf ihn, ohne dass er wusste, weshalb. Er verletzte ihn, obwohl er doch eigentlich wütend auf den Schwarzäugigen hätte sein müssen.

Er hatte ihn einfach ohne eine Erklärung hinausgeworfen, obwohl er ihm doch sogar Antworten auf seine Frage versprochen hatte. Solche die er niemals bekommen hatte und bei denen er sich eigentlich auch ziemlich sicher war, dass er sie niemals bekommen würde.

Über die Wochen waren seine Wunden weitestgehend abgeheilt. Seinen Hals konnte er wieder präsentieren, ohne einen Schal zu tragen.

Anfangs hatte er sich für die dünnen, langen Narben zwar Blicke eingefangen, doch niemand hatte irgendetwas gesagt. Und auch nachdem er wegen seiner Seite und seiner Schulter beim Arzt gewesen war, war beides wieder so gut abgeheilt, dass er seit einigen Tagen wieder Sport machen durfte.

Zwar tat es noch ein wenig weh, wenn er seine Schulter bewegte, doch er versuchte es so gut wie möglich zu ignorieren.

Je mehr Abstand er nicht nur zu seinen Wunden, sondern vor allem auch zu den verstörenden Ereignissen erlangte, desto mehr verfluchte er den anderen dafür, dass er ihm, obwohl er es beinahe versprochen hatte, einfach keine Antworten gegeben hatte und dann urplötzlich, ohne einen triftigen Grund, verschwunden war.

Denn je weiter er sich entfernte, desto mehr zweifelte er und sein Verstand daran, dass es wirklich geschehen war. Die Narben und der Schmerz waren das Einzige, das ihn noch daran erinnerte, dass es wirklich Realität war.

Das eine würde irgendwann verblassen. Das andere irgendwann vergehen. Und bereits in diesem Moment ahnte er, dass ihm irgendwann kaum mehr bleiben würde als seine Fragen und die Zweifel, ob er nicht doch irgendwann auf seinem Weg in den letzten Jahren seinen Verstand verloren hatte.

Eben dies war es was ihn ärgerte. Was ihn schrecklich ärgerte und auf die Palme brachte. Mit dem er nicht umgehen könnte und für das er diesem verdammten Mistkerl am liebsten die Augen auskratzen wollte.

Er kam sich selbst vor wie ein verdammter irrer. Und es war ein grausames Gefühl so etwas über dich selbst denken zu müssen, weil man es nicht besser wusste und man die versprochene Wahrheit, niemals gehört hatte. Über die letzten Wochen hinweg hatte er nicht nur immer mehr angefangen an sich selbst, sondern auch an der Ernsthaftigkeit des Verschwundenen zu zweifeln.

Was war, wenn dieser die Antworten, welche er geglaubt hatte, dass er sie hatte, niemals gehabt hatte? Was war, wenn er ihn nur auf den Arm genommen hatte und dies alles wirklich nichts anderes gewesen war als eine kranke Einbildung seines Verstandes?

Instinktiv senkte er seinen Kopf ein wenig mehr und zog sich die befellte Kapuze seines Mantels weiter ins Gesicht, kaum dass er einen einzigen Fuß auf das Gelände seiner Schule setzte und über den Schulhof schlenderte.

Freak - unknow Angel [BoyxBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt