58

36 6 0
                                    

Gedankenverloren starrte Ravy aus dem Fenster des Gästezimmers. Mittlerweile war es bereits der nächste Morgen. In der Nacht zuvor, war nicht mehr allzu viel geschehen.

Überraschenderweise hatte seine gesamte Familie bereits im Bett gelegen und auch er selbst war von seinem Bruder einfach im Flur stehen gelassen worden. Ihm waren bloß noch die Worte entgegen geschleudert worden, dass er den Weg selbst finde und wüsste, wo das Gästezimmer sei.

Früher hatte es ihn verletzte, dass man schon einige Wochen, nachdem er ausgezogen war, sein Zimmer ausgeräumt und umfunktioniert hatte, sodass nichts mehr darauf hinwies, dass er hier einmal gelebt hatte, doch mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt.

Nicht nur das. Er hatte es tatsächlich auch mehr oder minder akzeptiert. Dieses Haus, in dem er sich befand, war ohnehin nicht mehr der Ort, an welchem er Zuhause war und sich wohlfühlte.

Seit seiner Kindheit, war dies ohnehin nicht mehr der Fall gewesen. Und eigentlich war dies bei dem Verhalten seiner Familie auch nichts, was ihn hätte überraschen sollen.

Was ihn jedoch auch der anderen Seite tatsächlich überrascht hatte, war dass sie sich in der Nacht die erste Möglichkeit hatten entgehen lassen, ihn zu beleidigen und über ihn zu urteilen.

Normalerweise begannen sie nämlich bereits während seiner Ankunft damit. Begannen zu kritisieren, wie er aussah, wie er lief, wie er sich verhielt, wie wenig er mit ihnen sprach, wie unfreundlich er aussah... Sie zogen über seine Sexualität und Lebensweise her, verurteilten, was sie nur verurteilen konnten und begannen dabei immer dasselbe anzusprechen.

Manchmal wunderte der Schwarzhaarige sich, dass sie sich nicht selbst wie eine kaputte CD vorkamen. Immerhin wiederholten sie jedes Jahr dieselben alten Dinge. Sie hatten einfach kaum anderes, um sich darüber das Maul zu zerreißen.

Wäre er selbst noch immer derjenige wie vor Jahren gewesen, hätten ihn diese Dinge vielleicht noch genauso getroffen, wie sie es damals eben getan hatten.

Doch dies war nicht mehr so. Er war nicht mehr derselbe. Hatte auch kein Interesse mehr dieser zu werden. Wobei er ahnte, dass dies ohnehin nicht mehr möglich sein würde.

Denn sein Leben, spielte sich nun an einem anderen Ort ab, dein Herz war nun an einem anderen Ort und dort waren Dinge, welche ihn geprägt hatten, bei welchen er vor Jahren nicht gedacht hätte, dass sie dies zu würden.

Geschweige denn geglaubt hatte, dass ihm diese widerfahren würden. Doch er sah, wie schnell man sich wirklich täuschen konnte.

Der Blick aus dem kleinen Fenster des noch kleineren Gästezimmers, erschien dem Schwarzhaarigen ungewohnt.

Die Straße war zwar geteert, doch von Schlaglöchern gesäumt und von all den Menschen, die er aus Xernovas bei einem Blick auf dem Fenster gewöhnt war, war hier kein einziger zu sehen. Kuhweiden in der Ferne. Felder und Wiesen. Doch weiteres nicht.

Ein Wald befand sich hinter dem Haus auf der anderen Seite. Land und Dorf eben. Nichts, was ihm noch zusagte.

Dieses Haus, diese Menschen, dieser Anblick. Diese kleine Welt in dieser leeren Gegend sagte ihm einfach nicht mehr zu. Dies hier war nicht mehr sein Leben. Und mit dem Schritt, dass er selbst auch begonnen hatte, gar nicht mehr zurückzuwollen und es zu akzeptieren, war für ihn alles einfacher geworden.

Er hatte es begonnen zu tolerieren, dass seine Familie ihn weder leiden noch auch nur ein einziges, freundliches Wort mit ihm wechseln konnte. Er hasste es. Konnte ein Lied davon singen, wie sehr er es tat und doch hatte er weder Motivation noch Antrieb etwas dagegen zu unternehmen.

Freak - unknow Angel [BoyxBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt