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Völlig in seinen Gedanken versunken, trottete Ravy seinen Freunden hinterher. Diese machten sich gerade durch die Gänge der Schule auf dem Weg zur Kantine. Danach wollten sie mit Sicherheit auf den Schulhof.

Den Schwarzhaarigen interessierte nicht, was diese vorhatten. Genauso wenig, wie es ihn in den letzten sechs Schulstunden interessiert hatte, was seine Lehrer dort vorne an der Tafel gesagt, von ihm gewollt und gefordert hatten.

Der Jugendliche war den gesamten morgen über, schon zu weit in seinen Gedanken versunken gewesen, als dass er sich darauf noch hätte konzentrieren können. Und dies bereits, bevor der Unterricht überhaupt begonnen hatte.

Ihm tat es nicht leid. Zumindest nicht wirklich. Eigentlich hatte er eben darüber auch überhaupt nicht nachgedacht. Mehr über das Gefühl des Blickes auf seinem Leib. Teilweise auch über jene Dinge, welche er erlebt hatte.

So sehr er sich auch gegen diese Gedanken gewehrt und versucht hatte sie zu vermeiden... Ab irgendeinem Punkt hatten sie einfach begonnen ihn zu überwältigen. Sie waren über ihn gekommen, noch bevor er es hatte kontrollieren können und so war es an ihm gewesen sie wieder zurückzudrängen.

Und eben diese Aufgabe hatte eine deutliche Masse seiner Konzentration und Aufmerksamkeit gefordert. Hatte gefordert, dass er tief in diesen abtauchte. In den Gedanken, welche ihm einzureden versuchten, dass er sich den Angriff vor einigen Nächten bloß eingeredet hatte. Dass es niemals geschehen war.

Und er konnte gar nicht beschreiben, wie sehr er wollte, dass eben diese Gedanken die Wahrheit beschrieben.

In seinem Nacken hatte er unterschwellig dennoch die gesamte Zeit über, diesen Blick auf sich gespürt. Und dies nicht einmal, weil dieser wirklich dort gewesen war. Er war von seinem Körper verschwunden, kaum dass er das Gebäude betreten und durch die Gänge zu seiner ersten Stunde geflüchtet war. Doch er hatte sich so sehr in seine Haut gebrannt, dass er die Nachwirkungen seiner Präsenz noch im Unterricht selbst hatte spüren können.

Dass sich das Gefühl mit jeder großen und kleinen Pause, welche vorübergezogen war, immer wieder erneuert und aufgefrischt hatte, war nicht nur beunruhigend, sondern auch nahezu beängstigend gewesen. Denn dadurch hatte er die Gewissheit bekommen, dass dort wirklich jemand war, der ihn gezielt beobachtete, nach ihm suchte und ihn selbst in den kleinsten Moment nicht allein ließ.

Beinahe hätte er es einen Stalker genannt, wenn ihm nicht bewusst gewesen wäre, dass dies der erste Tag war, an dem so etwas geschah. Und eben dieser eine Tag konnte auch genauso gut ein Zufall sein. Oder eine Ausnahme. Oder irgendetwas anderes, welche seine Überreaktion bloß in ein noch schlechteres Licht gerückt hätte.

Mit Sicherheit war es eine Überreaktion, redete er sich ein. Vielleicht, so sinnierte er, bildete er sich dies alles sogar ein, weil die Nacht vor einigen Tagen in seiner Psyche doch weitaus mehr Schaden angerichtet hatte, als er bisher bemerkt hatte.

Ihm war nicht bewusst gewesen, dass es wirklich so unglaublich schlimm war. Oder zumindest redete er sich ein, dass er dies nicht gewusst hatte. Höchstwahrscheinlich hatte er sich davor bereits eingeredet, dass es gar nicht so schlimm war. Er kannte sich.

Schon früher, als seine Familie begonnen hatte ihn niederzumachen, ihn zu beleidigen, ihn ungerecht zu behandeln und ihm so viele Steine in den Weg zu legen, wie es nur irgend möglich war, hatte er bereits versucht dies alles zu verdrängen. Hatte er versucht es sich schön zu reden und in seinem Verstand gar nicht so schrecklich aussehen zu lassen, wie es eigentlich gewesen war.

Eben aus dieser Zeit kam es auch, dass er oft das Gegenteil von dem dachte, was er eigentlich gedacht hätte. Dann konnte er sich sicher sein, dass es die richtigen Gedanken waren. Zumindest, wenn er dann nicht annahm, dass die Gegenteiligen Gedanken die falschen Gedanken waren und er erneut das Gegenteil eben dieser Gedanken dachte...

Freak - unknow Angel [BoyxBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt