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Zusammen mit Emilia und Jessica sitze ich in einer der mittleren Stuhlreihen unserer Aufführungshalle, denn dort finden immer die Theaterproben statt. Heute fangen wir zwar noch nicht wirklich damit an, doch dafür bekommen wir den Titel des neuen Stücks und lesen das Skript ein wenig zusammen durch, damit jeder schon ein wenig weiß für wen er vorsprechen will. Meiner Meinung nach ist dies fast so aufregend wie die finalen Aufführungen und so rutsche ich etwas unruhig auf meinem Stuhl hin und her.

„Oh man, wo bleibt er denn?", brummt Emilia neben mir und Jessica sieht sie stirnrunzelnd an.

„Na du kennst doch unseren guten Mr Taylor. Der kommt immer mindestens fünf Minuten zu spät.", sagt sie dann.

Emilia schnaubt belustigt.

„Das vergesse ich jedes Jahr aufs Neue.", meint sie und ich muss schmunzeln.

Die Rothaarige ist wirklich nicht die Hellste und merkt sich auch nur das, was sie wirklich interessiert.

Wie vorausgesagt kommt Mr Taylor tatsächlich wenige Minuten später in die Halle marschiert und platziert die vielen Kopien des neuen Skripts neben sich auf der Bühne.

„Dann wollen wir doch mal.", beginnt er zu reden und sogleich wird es im Raum leiser. „Dieses Jahr werden wir etwas Klassisches aufführen...aber mit einem kleinen Twist." Er zwinkert uns zu. „Irgendwelche Vermutungen?"

Alle Schüler schweigen und ich muss ein Kichern unterdrücken. Sicherlich wissen sie es schon alle dank Emilia, jedoch ist unsere Gruppe recht bekannt dafür, dass sie nicht gerade aktiv mitmacht.

„Na kommt schon.", Mr Taylor stößt sich von der Bühne an die er sich gelehnt hat und läuft vor den vorderen Stuhlreihen auf und ab. „Wirklich keiner?"

Es bleibt weiterhin still und schließlich bleibt der Schwarzhaarige stehen.

„Nun gut. Dann werde ich es euch wohl verraten müssen.", er schmunzelt, geht zu dem Papierstapel und hält ein Skript nach oben. „Romeo und Julia."

Sogleich stößt mich Emilia mit ihrem Ellbogen an.

„Hab ich's doch gesagt!", flüstert sie triumphierend.

Ich lächele nur und wende meine Aufmerksamkeit wieder zu Mr Taylor, denn dieser fügt gerade noch ein paar Worte hinzu.

„...in einer neuen modernen Version."

Und schon wird die Halle von einem heiteren, aber auch skeptischen Murmeln gefüllt.

„Moderne Fassung?", frägt Jess Emilia und mich. „So mit Gangs oder wie?"

Sie lacht und ich zucke grinsend mit den Schultern.

„Kein Plan, vielleicht sollten wir Mr Taylor einfach weiter zuhören."

„Da kann ich Ihnen nur recht geben, Ms Johnson.", vernehme ich dann auf einmal von unserem Lehrer und gucke ertappt zu ihm.

Scheinbar hat er mich gehört. Es wird also wieder ruhig im Saal und er beginnt zu erklären.

„Wie Miss Smith schon vermutet hat wird es tatsächlich um Gangs gehen. Und zwar in New York. Wie in der originalen Fassung gibt es zwei Stück. Sie heißen zwar nicht Capulet und Montague, dafür haben wir aber die Crips und die Bloods, die es, wie manche vielleicht wissen, auch wirklich gibt. Das Ganze wird dann selbstverständlich ähnlich zur richtigen Version verlaufen, aber natürlich ins Moderne übersetzt.", Mr Taylor atmet kurz durch. „Ich möchte jetzt nicht alles bis ins kleinste Detail vortragen, deshalb lesen wir doch einfach ein wenig im Skript."

Und genau dies tun wir. Für die verschiedenen Akte werden immer wieder Personen als Besetzung für die einzelnen Figuren ausgewählt und ehe wir es uns versehen haben wir das halbe Skript schon durch. Zu diesem Zeitpunkt stoppt Mr Taylor uns dann auch, da wir genug gelesen haben, um uns ein wenig in die Rollen einzufinden und außerdem nicht mehr genug Zeit für den Rest haben. Stattdessen dürfen wir in den letzten 20 Minuten noch ein wenig überlegen wen wir gerne spielen würden und uns anschließend in eine Liste eintragen.

Lies | TaddlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt