v i e r u n d d r e i ß i g

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Am nächsten Tag habe ich nicht sonderlich viel Motivation aufzustehen. Zum einen, da ich gleich in der ersten Stunde Chemie habe, welches mein absolutes Hassfach ist, aber hauptsächlich wegen TJ. Nach der Sache von gestern bange ich, dass er mich vielleicht weiterhin so blöd behandeln wird oder mich vielleicht sogar komplett ignorieren wird. Nichts desto trotz bleibt mir nichts anderes übrig, als die Bettdecke zur Seite zu ziehen und endlich aus meinem Bett zu steigen. Seufzend stelle ich mich vor meinen Kleiderschrank, öffne die Türen und greife recht wahllos nach ein paar der neuen Klamotten. Mein Augenmerk liegt dabei eher nur darauf, dass sie warm sind, da es schon wieder regnet und nun ja auch schon November ist. Die Zeit vergeht einfach zu schnell. Nachdem ich mich angezogen habe, mache ich mich schnell im Bad frisch, dann laufe ich auch schon nach unten und begegne Crystal, die über einer Schale Müsli in ihr Handy vertieft ist.

„Hey.", begrüße ich sie und gehe weiter in die Küche, um mir etwas Milch aus dem Kühlschrank zu holen.

Müsli oder Cornflakes klingen gerade nicht so schlecht.

„Morgen.", erwidert sie und legt das Smartphone beiseite. „Gehts dir wieder besser?"

Während ich mir noch eine Schüssel schnappe, werfe ich der Blonden einen vielsagenden Blick zu und zucke mit den Schultern.

„Fantastisch.", grummele ich. „Könnte nicht perfekter laufen."

Meine große Schwester presst daraufhin ihre Lippen aufeinander. So hat sie gestern auch schon reagiert, als ich ihr von TJs Ausraster erzählt hatte.

„Wenn es dich besser fühlen lässt, dann darfst du ihm heute von mir eine Ohrfeige verpassen.", meint sie dann und ich muss tatsächlich leicht schmunzeln, bereite mein Frühstück fertig zu und hocke mich anschließend neben sie.

„Liebend gerne. Ich merk's mir.", sage ich und schiebe mir dann den ersten Löffel Cornflakes in den Mund.

Crystal lacht und isst ebenfalls weiter. Kurz entsteht Stille, zumindest bis sie mit ihrer Portion fertig ist.

„Willst du ihn eigentlich heute darauf ansprechen?", frägt sie mich.

Ich schlucke herunter und seufze.

„Weiß nicht.", gebe ich zu. „Irgendwie habe ich tatsächlich nicht sonderlich Lust mit ihm zu reden."

Und das obwohl ich Angst habe, dass er erneut blöd mit mir umgeht und eigentlich will, dass alles wieder gut wird.

„Verständlich.", erwidert die Blonde, wirkt dann etwas nachdenklich. „Lass ihn doch mal seine eigene Medizin schlucken."

Ihre Augen betrachten mich abwartend und ich runzele die Stirn.

„Wie meinst du das?"

„Na sei auch mal so scheiße zu ihm, wie er zu dir ist. Ignoriere ihn. Wechsele nur knappe Sätze, mach ihn mal blöd an. Vielleicht merkt er ja dann endlich was für ein Arsch er gerade ist.", Crystal zwinkert mir zu.

Tatsächlich finde ich diese Idee gar nicht so übel.

„Okay...", ich nicke leicht. „Warum nicht? Ich überlege es mir mal noch."

„Klar. Ist ja deine Entscheidung, aber so würde ich es machen.", meint sie, dann erhebt sie sich und räumt ihr Geschirr auf. „Ich muss dann jedenfalls los." Sie geht zur Tür, die zur Garderobe führt. „Dir einen erfolgreichen und hoffentlich besseren Tag."

Ich lächele ihr zu.

„Danke, dir ebenfalls.", ich hebe noch meine Hand zur Verabschiedung, dann geht sie auch schon.

Kurz starre ich noch auf die Stelle, an der sie eben gestanden ist, bin in Gedanken versunken. Wahrscheinlich wäre es wirklich nicht so schlecht TJ mal zu zeigen wie mies er sich verhält, aber andererseits bin ich eigentlich gar nicht die Person für sowas. Auch wenn ich mich sehr lange verstellt habe, bin ich auch in Realität kein Mensch, der zu anderen gemein und blöd ist. Besonders nicht, wenn ich mich versöhnen will, aber dazu gehören ja auch zwei Seiten und eins steht jedenfalls fest: Nochmals will ich mich von ihm nicht so verletzen lassen.

Lies | TaddlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt