s i e b e n u n d v i e r z i g

122 8 13
                                    

Mein Blick geht zum Fenster und tatsächlich. TJ hat recht. Der Himmel wirkt sehr viel dunkler als vor einer Stunde und erstrahlt noch dazu in einem warmen orange. Sofort packe ich das Hähnchenfleisch zurück in den Kühlschrank.

„Auf die Terrasse?", frägt mich der Tätowierte, als ich zu ihm gehe, doch ich schüttele den Kopf.

Statt einer Antwort greife ich einfach nach seiner Hand und ziehe ihn mit nach oben in Crystals Zimmer. Von ihrem Balkon aus hat man den besten Ausblick auf den Sonnenuntergang.

„Gehört das Zimmer deiner Schwester?", will TJ wissen, als wir den Raum betreten.

Ich nicke schmunzelnd und mache mich an der Tür nach draußen zu schaffen.

„Da hat sie wohl den Kürzeren gezogen. Dein Zimmer ist viel größer.", er lacht leise und dreht sich langsam, um das Zimmer zu begutachten.

„Wirkt wahrscheinlich wegen der Dachschräge so.", meine ich, während ich die Tür, die immer etwas klemmt, endlich aufbekomme. „Ansonsten ist es aber nicht sehr viel kleiner. Dafür hat sie dann halt noch einen Balkon und ich nicht."

Mit diesen Worten trete ich ins Freie. TJ zögert noch kurz, da er immer noch damit beschäftigt ist Crystals Einrichtung zu betrachten, doch schließlich kommt er zu mir und stützt sich neben mir aufs Geländer. Lächelnd sehe ich zu ihm, dann zu der Sonne, die schon langsam den Horizont berührt. Es sieht trotz der vielen Wolken wunderschön aus und ich frage mich warum ich mir so etwas nicht öfter anschaue.

Wahrscheinlich damit es etwas besonderes bleibt, aber selbst wenn ich das regelmäßig tun würde, wäre ich in diesem Moment wahrscheinlich genauso aufgeregt wie ich es jetzt bin. Mein Herz schlägt schnell, meine Atmung beschleunigt sich und ich schlucke schwer. Einfach weil ich wieder an das Geständnis denken muss. Eine der Möglichkeiten war nämlich es TJ beim Sonnenuntergang zu erzählen, doch nun ist meine Kehle wie zugeschnürt. Vor lauter Nervosität bekomme ich kein Wort heraus. Stattdessen stehe ich neben dem Größeren und verfolge starr, wie die Sonne immer mehr verschwindet. Eine Weile verharren wir so, zumindest bis nur noch ein Teil des Lichts zu sehen ist, denn dann bewegt sich TJ neben mir.

„Echt krass.", murmelt er.

„Mhm.", ich nicke nur, traue mich irgendwie nicht zu ihm zu gucken.

Im nächsten Moment spüre ich seinen Blick auf mir liegen und atme zittrig so unauffällig wie nur möglich aus.

„Alles gut?"

Ich schaffe es trotzdem ihn dazu zu bringen sich Sorgen um mich zu machen.

„Huh?", ich zwinge mich zu dem Größeren zu sehen.

„Ist alles in Ordnung?", wiederholt er sich. „Du wirkst ziemlich angespannt."

In mir schrillen Alarmglocken auf.

Oh Gott, was mache ich denn jetzt? Was soll ich ihm erzählen? Ich kann ihm gerade nicht Wahrheit sagen.

„Uhm...mir...mir...", stottere ich, dann fällt mir zum Glück eine Notlüge ein. „Mir ist nur eingefallen, dass Crystal es nicht gerne hat, wenn man ohne ihre Einwilligung hier ist. M-Meine Eltern haben hier damals in ihrer Absturzphase öfter nach Drogen und so gesucht, um sicher zu gehen, dass sie wenigstens davon fern bleibt."

„Oh.", TJ mustert mich erstaunt. „Verstehe." Er nickt leicht, dann lächelt er und legt seinen Arm um mich. „Aber jetzt ist sie nicht da, also entspann dich einfach. Wir fassen ja nichts an. Wir sind nur hier, um den Sonnenuntergang anzusehen."

„Stimmt.", murmele ich daraufhin kleinlaut, aber die Anspannung fällt trotzdem nicht von mir ab.

Natürlich tut sie das nicht. Das wäre auch zu schön gewesen.

Lies | TaddlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt