~•°Einzug in die Hölle°•~

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Da Micah und Juline noch etwas essen gehen wollten, war es Cody, der darauf bestand mich nach Hause zu bringen.

Es war ganz anders, als der vorherige Abend, wo Micah und ich schweigend die Straßen entlang liefen und ich nicht wusste, was ich sagen sollte.

Mit Cody war es einfacher, denn er redete so viel, das man gar keine Zeit hatte sich unwohl zu fühlen.

"... und deswegen ist Herr der Ringe einer meiner Lieblingsfilme", lachte er und schüttelte seinen Kopf leicht, um den Regen aus seinen Haaren zu vertreiben.

"Ich kenne den Film nicht", gab ich zu und sah lächelnd rüber zu ihm, wie er sich fassungslos eine Hand ans Herz legte. "Tut mir leid", lachte  ich daraufhin entschuldigend und spürte dann seinen Arm um meine Schulter, was zwar aufdringlich erschien, aber zu ihm passte.

"Dann müssen wir einen Filmabend machen! Mia, dir fehlt ein Stück Kultur wenn du diese Filmreihe verpasst hast."

"Kultur?", zog ich eine Augenbraue hoch und er nahm seinen Arm wieder zurück um sich  durch die nassen Haare zu fahren.

"Filmkultur", lächelte er und schaute dann genau wie ich nach vorne, wo mein Haus sich befand. Es war aber nicht das weiße Gebäude, dass unsere Aufmerksamkeit auf sich zog, eher das Geschrei von zwei Männern.

Ich riss meine Augen auf und dachte kurz, das hinter dem Umzugswagen mein Vater und Thomas sich die Köpfe einschlagen würden. Aus Angst mein Herz würde stehenbleiben nahm ich Codys Hand in meine und lief mit ihm zusammen zum Bürgersteig, wo aber keine  Spur von meinem Vater zu sehen war.

Es war Kiyan, der gerade von seinem Vater am Kragen gegen den Umzugswagen gedrückt wurde. Als Thomas uns bemerkte, ließ er von seinem Sohn ab und schaute mich so hasserfüllt an, das ich dachte, ich wäre auf ewig unfähig mich zu bewegen.

Er nahm sich  einen der Kartons, flüsterte Kiyan noch etwas zu und verschwand schnellen Schrittes im Haus. Ich lief sofort zu Kiyan und schaute ihn mitfühlend an.

"Hey, ist alles okay?", fragte ich den Schwarzhaarigen, der seine Lederjacke richtete und verwirrt an mir heruntersah. Ich folgte seinem Blick und blieb an meiner Hand hängen, die immernoch mit Codys verschränkt war.

"Kümmer dich um deinen Scheiß", zischte er wütend und lief seinem Vater hinterher ins Haus. In MEIN Haus!

"Oh man", hörte ich Cody und ließ daraufhin  seine Hand los. "Ich möchte wirklich nicht mit dir tauschen. Da würde ich sogar lieber höchstpersönlich den Ring ins Feuer schmeißen."

"Ist das wieder eine Anspielung auf Herr der Fliegen?", fragte ich ihn tief durchatmend und er verdrehte nur die Augen.

"Herr der Ringe, Mia", erklärte er es mir nochmal und nahm mich dann ohne Vorwarnung fest in die Arme. Es tat mir gut, als würde er mir Kraft  geben wollen, das Kommende zu überstehen und als er sich  dann langsam löste und mir einen Augenblick zu lange und zu intensiv in die Augen schaute, schnappte ich nach Luft und lief ohne was zu sagen auch ins Haus. Es tat mir zwar leid ihn so stehen zu lassen, aber solche komischen Situationen bereiteten mir zu viel Unbehagen.

Ich schloss die Haustür hinter mir und lehnte an der Wand. In Gedanken war ich immernoch bei Cody, doch dann schaute ich genau in die Augen meiner Mutter, die stürmisch auf mich zukam.

"Da bist du ja endlich!", trat sie neben mich und grinste wirklich fies. "Thomas und Kiyan wohnen ab-"

"Nein!", unterbrach ich sie sofort und stellte mich genau vor sie. "Wenn die Beiden hier einziehen, bin ich weg! Weißt du das Thomas absolut aggressiv ist und sein Sohn, Kiyan, der schaut auch nur dabei zu wie andere gemobbt werden!"

"Mein Gott, musst du immer so eine Dramaqueen sein?", fragte sie mich allen Ernstes und verdrehte sogar noch ihre giftgrünen Augen.

"Wenn ich so eine Belastung bin, dann lass mich doch zu Papa ziehen. Dann kannst du hier veranstalten was du willst!"

Sie schaute mich wieder ernst an und kam so nah an mein Gesicht, das ich mich nichtmal mehr traute zu atmen.
"Dein ach so toller Vater hat Probleme mit seinen Geschäften. Ohne Thomas hätten wir dieses Haus hier gar nicht mehr! Kein Gericht der Welt würde dich bei deinem Vater wohnen lassen! Also zeig Thomas ein bisschen mehr Dankbarkeit anstatt nur gegen alle zu schießen!"

"Du kannst mich mal", platzte es wütend aus mir heraus und sofort spürte ich eine Hand an meinem Arm, die mich von meiner Mutter wegriss.

"Rede noch einmal so mit deiner Mutter", stand plötzlich Thomas vor mir und schaute mir tief in die Augen. Bei seinem Anblick und der Erinnerung an die Situation mit Kiyan zitterten meine Hände. Ungläubig darüber, was hier gerade passierte, sah ich von ihm zu meiner Mutter, die einfach nur wegschaute und weinte.

Sie weinte ??? War ich nicht diejenige die gerade von einem Fremden bedroht wurde?

"Siehst du wie sie außer Kontrolle gerät?", meinte meine Mutter dann schluchzend und nahm Thomas Hand von meinem Arm, um diese in ihre zu nehmen. "Ich weiß nicht mehr was ich tun soll."

Beide standen vor mir und starrten mich an, als wäre ich durchgedreht. So fühlte ich mich auch, doch innerlich wusste ich ganz genau, das ich im Recht war. Er hatte mir gar nichts zu sagen und das er einfach meinen Arm festgehalten und mir gedroht hatte, grenzte schon fast an Misshandlung.

Doch das war für mich in dem Augenblick Nebensache, denn die Enttäuschung über meine eigene Mutter, stellte alles andere in den Schatten. Wie konnte sie sich in so kurzer Zeit so verändern?  Es lag sicher an ihm und sie hatte auch gelogen.  Sie meinte zu meinem Vater es wäre eine einmalige Sache gewesen, aber eine einmalige Sache lässt man nicht ein paar Tage später bei sich zu Hause einziehen.

Ich wollte etwas sagen, doch ich bekam keinen Ton mehr heraus. Immernoch lagen ihre Blicke auf mir, als würden sie darauf warten das etwas passieren würde. Etwas, wofür sie mich zu einer Therapie schicken könnten, doch das konnten sie vergessen.

"Entschuldige, Gabrielle", wandt ich mich mit Tränen in den Augen meiner Mutter zu und lief dann schnell in mein Zimmer, ehe ich wirklich vor ihnen noch ausrasten würde.

Drehte ich langsam wirklich durch? Oder waren meine Reaktionen noch normal?

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1100 Wörter

My new stepbrother - Konsequenzen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt