~•°Vergangenheit°•~

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Kiyan

Ich stieg in den Mercedes, startete den Motor und wischte mir noch die einzelnen Tränen weg, bevor ich dann gedankenverloren durch die Gegend fuhr.

Es kam mir so falsch vor. Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Mia war kein Mädchen, die so etwas tun würde ... oder doch?

Ihre Klamotten auf dem Boden, sein verfickter Pullover an ihrem Körper, ihr schuldbewusster Blick... das war doch mehr als eindeutig.

Alleine von der Vorstellung davon, wie er ihre Klamotten ausgezogen hat, bekam ich keine Luft mehr. Wütend schlug ich mehrmals aufs Lenkrad und musste mir erneute Tränen zurückhalten.

Sie hat mich gefickt ... und das nicht auf die gute Weise, sondern auf die Art, die einen verzweifelt an den Rand des Wahnsinns treibt.

Als ich dann zu Hause ankam, parkte ich hinter dem Porsche und stieg eilig aus. Ich wollte nur noch alleine sein, doch es musste ja ausgerechnet Thomas sein, der mich an der Haustür abfing.

"Hab dir doch gesagt, sie ist zu ihrem Lover", grinste er mich schief an und stellte sich mir provozierend in den Weg, als ich an ihm vorbeiwollte.

"Was ist dein verficktes Problem?", schubste ich ihn zur Seite und lief ins Wohnzimmer, doch er hielt mich am Arm zurück.

"Was mein Problem ist? Ich will mein Geld!", schrie er mich an und sofort entriss ich ihm meinen Arm.

"Du hast das Geld von meinen Eltern bekommen! Was willst du noch?!"

"Du weißt genau, was ich will!", funkelte er mich belustigt an, was mich rasend machte. Wieso konnte er nicht einmal einfach seine Fresse halten.

"Warte bis ich 21 bin! Ich gebe dir dein scheiß Geld und dann will ich dich nie wieder sehen!"

Er grinste und verschränkte seine Arme, um dann noch einen Schritt näher auf mich zuzukommen.
"Wenn du dich nicht daran hälst, wird Mia die nächste sein", flüsterte er und sofort packte ich ihn am Kragen.

"Was laberst du für eine Scheiße!", schrie ich ihn an, doch er befreite sich aus meinem Griff und in dem Moment, öffnete sich die Haustür und Gabrielle kam aufgelöst rein.

"Ich ... Ich war im Leichenschauhaus", hauchte sie weinend und warf sich sofort in Thomas Arme, den ich irritiert ansah.

Was wollte sie im Leichenschauhaus?

"Oh Kiyan, du weißt es ja noch gar nicht", wandt sie sich dann mit einem Taschentuch zu mir. "James ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Man dachte erst, es wäre ein betrunkener Fahrer gewesen, aber anscheinend war etwas an seinem Auto nicht in Ordnung."

Mit großen Augen sah ich Thomas an und erinnerte mich an den Abend, an dem ich erfahren hatte, dass meine Eltern umgekommen waren. Ich erinnerte mich daran, wie Thomas mir davon erzählte. Erinnerte mich daran, wie ein Polizist von einem Fehler am Auto redete. Erinnerte mich daran, wie Thomas nur das Geld wollte und mich täglich verprügelt hatte und dann kam mir Mia in den Kopf. Dieser Bastard wusste, warum sie bei Micah war und hatte mich extra in eine Falle laufen lassen.

Ohne etwas zu sagen oder Gabrielle zu beachten, stürzte ich mich wie in Trance auf Thomas und schlug ihm mehrmals ins Gesicht, ehe er zu Boden ging. Gabrielle schrie aufgebracht hinter mir und riss immer wieder an meiner Jacke, doch ich hörte nicht auf, auf dieses miese Arschloch einzuprügeln. Selbst dann nicht, als sein Gesicht und meine Hände voller Blut waren.

"Du warst das oder!!?", schrie ich mit Tränen in den Augen und stand zitternd auf, um diesem Haufen Dreck dabei zuzusehen, wie er sich röchelnd auf die Seite rollte. Mein Herz drohte jeden Augenblick aufzuhören zu schlagen.

"Ich rufe die Polizei!", schrie Gabrielle mich an, doch ich packte sie am Handgelenk und schaute sie eindringlich an.

"Was bist du nur für eine Mutter! Fahrt zur Hölle!", spuckte ich ihr wütend ins Gesicht und auch, wenn ich mich sofort dafür schämte, kam es mir richtig vor.

Thomas hatte mir alles genommen und trotzdem konnte ich nichts machen und immer nur zusehen. Er wusste von meinem Unfall und er würde sogar Chloe schützen, um mich in den Knast zu bringen. Mit 21 würde ich das Erbe meiner Eltern bekommen. Da wäre es ihm nur recht, wenn ich hinter Gittern sitzen würde und er alles für sich beanspruchen könnte. Dieser scheiß Mistkerl.

"Wenn du ..", röchelte er und setzte sich auf, doch ich packte ihn sofort wieder wütend und starrte ihn voller Zorn an.

"Wenn was?!", schrie ich und er schlug meine Hände weg, um sich wieder auf die Seite fallen zu lassen.

"Wenn ich untergehe, nehme ich dich mit", flüsterte er so leise, dass nur ich es hören konnte und als nächstes hörte ich hinter mir Gabrielle, die anscheinend die Polizei am Telefon hatte.

Sofort stand ich auf, lief zu ihr, nahm das scheiß Telefon und schleuderte es so fest gegen die Wand, dass es in alle Teile zersplitterte und sie mich zitternd ansah.

"Wenn du einmal im Leben was richtig machen willst, setz diesen Bastard vor die Tür und kümmere dich um deine Tochter!", sprach ich laut auf sie ein und verließ dann unter Tränen das Haus, um mich auf den Weg zurück zu Micah zu machen.

Unterwegs musste ich mehrmals kurz anhalten, denn vor lauter Tränen, konnte ich die Straße nichtmal mehr richtig erkennen.

Unbeschreibliche Trauer durchzog mich und ließ nicht zu, dass ich noch normal nachdenken konnte. Da war nur noch Leere in meinem Kopf und ich bereute es so sehr, damals mit Chloe in dem scheiß Auto gesessen zu haben. Alles hing miteinander zusammen und das wusste ich genauso gut, wie Thomas es wusste.

Ich wollte nur noch zu Mia und hoffte einfach nur, dass sie mir mein Misstrauen verzeihen würde. Mehr denn je brauchte ich ihre Nähe, ihre zarte Stimme und ich wollte einfach nur für sie da sein. Der Gedanke, dass Thomas das ihrem Vater angetan hatte, ließ mich kurz wieder überlegen, umzudrehen und ihn tot zu schlagen, aber das würde James auch nicht mehr zurückbringen.

Atemlos starrte ich dann auf meine Hand am Lenkrad, sah den Stern, der mir so viel bedeutete und drohte gleich zusammenzubrechen.

Wieso hatte Thomas das nur getan?

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1000 Wörter

My new stepbrother - Konsequenzen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt