~•°Selbstzweifel°•~

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Vollkommen in mich gekehrt lag ich auf diesem engen Bett, in dem kleinen Raum und starrte an die weiße Decke über mir.

Nichts schien je wieder normal zu werden, nichts schien noch Bedeutung zu haben. Ich hatte aufgegeben. Nach vier Tagen in diesem Zimmer mit den Gittern vor den Fenstern, war ich am Rand meiner seelischen Belastung angekommen und fand keinen Weg mehr zurück.

Thomas machte es sich mit meiner Mutter zu Hause wahrscheinlich schon gemütlich und zusammen amüsierten sie sich darüber, mich und Kiyan los geworden zu sein. Wie konnte meine Mutter mir sowas antun?

Würde doch nur mein Vater noch leben...

Erschocken über diesen so realen Gedanken schloss ich meine Augen und entfloh dieser jämmerlichen, mich in die Knie zwingenden Realität und dachte erneut darüber nach, dass alles, wirklich alles, meine eigene Schuld war.

Hätte ich Kiyan von Anfang an nicht an mich herangelassen, wäre es nie zu Auseinandersetzungen mit Chloe gekommen. Er hätte sich dadurch auch nie mit Zayn gestritten und hätte auch keinen Grund gehabt, wegen mir auf Thomas loszugehen. Ohne mich würde er wahrscheinlich gerade mit Chloe und Adam in Zayns Wohnung sitzen und sein Leben leben, doch stattdessen saß er wegen mir im Knast.

Wäre ich nicht abgehauen, an diesem verhängnisvollen Abend, hätte Thomas nicht die Chance gehabt, meinen Vater zu beseitigen... also war das auch ganz alleine meine Schuld.

Ich war auch diejenige, die Micah immer wieder verletzt hatte und doch war sein roter Pullover das Einzige, dass ich noch bei mir hatte, was mir wenigstens etwas Trost spendete.

Das Schlimmste war, dass selbst hier mir keiner zuzuhören schien. Egal ob ich den Typen, die mir das Essen brachten, von Thomas erzählte, oder aber der komischen Therapeutin, bei der ich einmal war, alle schauten mich auf die selbe Weise an. Als wäre ich vollkommen verrückt und das machte mich so unfassbar wütend.

Wieso glaubte mir nur keiner???

Ich drehte mich zur Seite und starrte zu dem kleinen Tisch, auf dem einige der Sachen standen, die meine Mutter für mich abgegeben hatte. Da waren Klamotten, Duschzeug und ein Stressball, den ich ihr am liebsten an den Kopf schmeißen würde.

Sie wolle mich nicht sehen, meinte meine Therapeutin gestern, was mir nur Recht war. Ich wollte sie auch nicht sehen, am liebsten nie wieder. Wie konnte man seiner eigenen Tochter weniger vertrauen als einem verrückten Fremden? Wie konnte sie denn nicht sehen, das er absolut widerlich und verlogen war?

Es schüttelte mich vor Wut und ich musste mich aufsetzen, um noch genügend Luft zu bekommen. Dieser ganze Scheiß ... das waren wohl meine Konsequenzen, da ich mich selbst verloren hatte ...

Frustiert stand ich auf und lief in dem kleinen Raum auf und ab, um dann laut gegen die dicke Eisentür zu klopfen.

Es dauerte zwar eine Weile, doch dann wurde sie mir geöffnet und einer der Typen, die mir sonst das Essen brachte, schaute mich mit seinen blauen Augen fragend an.

"Ihr habt gestern gesagt, dass ich heute telefonieren dürfte", wandt ich mich sofort an ihn und er nickte nur kurz, um dann die Tür weiter aufzuhalten, sodass ich an ihm vorbei in den breiten Flur laufen konnte.

Überall hingen schöne Bilder, von Wäldern, Blumen und dem Meer, die wohl dazu da waren, die Leute hier zu beruhigen, was bei mir allerdings überhaupt nichts brachte. Ich befand mich in ständiger Unruhe, alleine schon, weil ich nicht wusste, was draußen im Moment alles passierte.

"Ein Anruf", sagte er kühl und lief dann mir vorraus an dem großen Aufenthaltsraum vorbei, direkt auf das Telefon zu, das unscheinbar ganz hinten in der Ecke an der Wand hing.

"Danke", murmelte ich und nahm dann hastig den Hörer, um Micahs Nummer zu wählen. Jedes erneute Tuten machte mich nervöser und als dann seine Mailbox ranging, kamen mir bei seiner warmen Stimme unaufhaltbare Tränen in die Augen. Wie sehr ich ihn vermisste... Wie sehr ich alle vermisste. Ich fühlte mich so alleine und verlassen und umso trauriger machte es mich, dass er nicht rangegangen war.

Unter Tränen legte ich den Hörer auf und folgte dem Blonden zurück zu meinem Zimmer, bis ich plötzlich einen flüchtigen Blick in den Aufenthaltsraum warf, und in die dunklen Augen von Zayn schaute.

Ich blieb erschocken stehen und dachte kurz, ich hätte wirklich eine Psychose, doch als er mir dann grinsend zuwinkte, wurde mir seine wirkliche Anwesenheit erst richtig bewusst.

Wie unter Strom fing ich an zu zittern und wollte auf ihn zu, wurde jedoch von dem Blonden am Arm zurückgehalten.

"Du musst zurück in dein Zimmer", sagte er und ich schaute ihn flehend an.

"Wieso darf ich nicht mit den anderen in den Aufenthaltsraum?", fragte ich ruhig und schaute dann wieder zu Zayn, der plötzlich nicht mehr da war. Verwirrt huschten meine Augen durch den ganzen Raum, doch er war wie weggezaubert. Da saßen nur noch mir völlig unbekannte Leute, die Karten spielten und dem Geschehen im Fernseher zuschauten.

"Weil du Wahnvorstellungen hast. Rede morgen mit Mrs. Kellerman, sie ist die einzige, die diese Erlaubnis erteilen kann."

Seine Worte jagten mir einen eiskalten Schauer über den Rücken und völlig verwirrt schaute ich ihn an. So langsam zweifelte ich an mir und meinen Gedanken. Was war überhaupt noch real?

Hatte ich die Schere in Thomas Bein gerammt, oder war es doch Kiyan? Hatte Thomas mir das mit meinem Vater wirklich ins Ohr geflüstert, oder war es nur eine Vorstellung?

Wenn ich mir schon Zayn einbildete, was noch?

"Ich will hier raus", hauchte ich dann zitternd und fasste mir an mein rasendes Herz. "Ich will zu Kiyan", weinte ich bitterlich, doch der Typ nahm überhaupt keine Rücksicht auf mich und zog mich am Arm hinter sich her zurück zu meinem Zimmer, um mich unsanft hineinzuschubsen.

"Bitte", schrie ich noch, als er die Tür schon geschlossen hatte und ließ mich dann an der Tür herunterrutschen, um mich weinend auf dem Boden zusammenzurollen.

"Kiyan", hauchte ich immer wieder völlig außer Fassung und krabbelte dann auf allen Vieren zu meinem Bett, auf dem Micahs Pullover lag, den ich fest an mein Gesicht drückte, um wenigstens etwas Beruhigung zu bekommen.

Mit letzter Kraft hievte ich mich auf das Bett, drehte mich zur Seite und weinte jämmerlich vor mich hin, bis ich irgenwann erschöpft einfach nur wieder dalag und die Decke anstarrte ...

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1000 Wörter

Da eure Meinung mir sehr wichtig ist, wollte ich mal nachfragen, wie ihr die Handlung findet? ♡

My new stepbrother - Konsequenzen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt